Erstellt am: 24. 1. 2011 - 06:00 Uhr
Das Dilemma der Festplattenabgabe
Kommende Woche geht die Auseinandersetzung um die Urheberrechtsabgabe auf Festplatten in ihre zweite (Vor)Runde. Da wird die Antwort der Austromechana auf die Klage von HP-Österreich gegen die Abgabe zugestellt. HP klagt stellvertretend für die österreichischen PC-Einzelhändler und Webshops, die dieser Aufschlag von etwa 50 Prozent auf den durchschnittlichen Einkaufspreis einer Harddisk in Hinsicht auf die internationale Konkurrenz schwer trifft.
Was bei Gerichtsverfahren allerdings eher nicht üblich ist: Die Klage wurde von Klägern wie Beklagten einvernehmlich ausgehandelt. "Man kennt einander ja schon lange" sagte Sedlacek, Geschäftsführerin der Austromechana, zu ORF.at. Deshalb habe man vereinbart, die Rechtmäßigkeit einer solchen Abgabe ein- für allemal zu klären. Beide Seiten gehen davon aus, dass die Angelegenheit vor dem Obersten Gerichtshof landen wird.
Zwei Sprüche des OGH
Der hat da allerdings bereits zweimal entschieden. 2005 wurde eine pauschale Urheberrechtsabgabe auf Festplatten vom OGH verworfen, 2009 wurde auch eine "Reprografieabgabe" auf PC für unzulässig erklärt. Prognosen für einen Ausgang des Verfahrens gaben beide Seiten nicht.
"Wir hoffen natürlich, dass wir gewinnen" sagte Sedlacek, denn in irgendeiner Form müssten die Künstler ja wohl refundiert werden. Das wurde von keinem von ORF.at hier Befragten der Gegenseite in Abrede gestellt (siehe unten).
Die neue Abgabe auf Festplatten ist bereits ѕeit dem ersten Oktober 2010 in Kraft. Die Auswirkungen zeigen sich erst jetzt so richtig, seitdem sich die Vorratslager der Händler zunehmend geleert haben und Ware in den Handel kommt, die bereits unter die neuen Bestimmungen fällt.
Amazon umgeht Abgabe
Ein Unternehmen beteiligt sich jedoch daran nicht - das ist ausgerechnet die Einzelhandels-Supermacht Amazon, die auch die Abgaben für andere Datenträger nicht abführt. "Unsere Klage gegen Amazon läuft bereits zwei Jahre, es ist ein sehr mühsames Verfahren" so Sedlacek weiter. Neben Amazon hat auch eine ganze Reihe großer ausländischer Webshops bis dato Abgaben für die österreichische Kunstwelt ignoriert.
"Unser größtes Problem ist der Versandhandel aus Irland, Großbritannien und Luxemburg, denn dort ansässige Unternehmen führen die österreichische Urheberrechtsabgaben nicht ab", sagt Jürgen Fuchs, Obmann der Sparte Maschinenhandel in der Wirtschaftskammer Österreich. Dementsprechend seien nach Einführung der Abgabe auch die Umsätze eingebrochen - eben zu Gunsten von Versandhändlern wie Amazon.
Exakt da liegt das Hauptproblem des PC-Einzelhandels, der sehr kleinteilig strukturiert ist: Neben Mediamarkt und Ditech teilen sich tausende kleine und kleinste Unternehmen den Markt. Sehr häufig ist der Verkauf von Hardware ein Zubrot für selbstständige EDV-Berater, die für KMUs Netzwerke einrichten. Diese Firmen haben typischerweise weniger als fünf Angestellte.
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Buffalo_HD-H250U2.jpg&filetimestamp=20061227090001
"Seit sich der Kauf im Ausland so richtig zu rentieren beginnt, haben wir massive Nachteile gegenüber den Mitanbietern" sagt Andreas Bauer, ein Tiroler Einzelhändler, der sein Geld mit EDV-Beratung und "PC-Assembling" verdient. Am mühsamsten sei aber zweifellos der ständige Erklärungsbedarf gegenüber erbosten Firmenkunden, die etwa für ein kleines Festplatten-NAS, also einen Sicherungsspeicher für Firmendaten und ein Dutzend neue Büro-PCs ein paar hundert Euro vorstrecken müssten.
Rund die Hälfte aller in Österreich verkauften Harddisks wird in den Firmen eingesetzt. Laut Sedlacek können Firmen Rückvergütungen mit einem Formular beantragen, die würden auch umgehend erledigt.
Die Speicherzyklen
Die Tendenz ist dabei steigend, denn anders als die deutsche ist die österreichische Abgabe "dynamisch". Während in Deutschland pro PC (mit DVD-Brenner) seit 2010 eine pauschale Abgabe von Euro 13,50 (plus Ust) pro PC eingehoben wird, geht es in Österreich nach Speichergröße. Und die verdoppelt sich in der IT-Welt alle paar Jahre, während das Speichermedium selber immer billiger wird.
Der "Gesamtvertrag Leerkassettenvergütung" der Austromechana bildet die Problematik recht anschaulich ab. In diesem vom 14. April 2010 datierten Vertrag heißt es: "Festplatten mit mehr als 600 GB haben derzeit keine Marktbedeutung, sodass diesbezüglich kein Tarif vereinbart wird. Sobald eine Marktrelevanz gegeben ist, werden die Fachverbände der WKO und die Verwertungsgesellschaften Verhandlungen über weitere Tarifstufen aufnehmen."
Deutschland und Österreich
Neun Monate nach Abschluss des Vertrags ist die "Obergrenze" von 600 GB bei Speicherplatten schon Marktgeschichte. Ein Blick auf Geizhals.at zeigt, dass ein Terabyte gerade zur Standardkonfiguration von PCs wird. Immer mehr Harddisks mit 1,5 und zwei TB Speicherplatz werden bereits im Handel angeboten.
Wird nun das bisherige Regime fortgeschrieben, dann steigt die Urheberrechtsabgabe pro Standard-PC zwar langsamer, als die durchschnittliche Speichergröße pro PC, die sich etwa alle drei Jahre verdoppelt. Und während für die deutsche Flatrate, die keine derartige Progression vorsieht, ein einheitlicher Preis von 13,50 Euro (plus Ust) auf alle PCs aufgeschlagen wird, wird in Österreich umgerechnet und kategorisert.
Zwei Stunden = 4,7 GB
Die Abgabe wird für die "Abspielzeit" einer Festplatte erhoben und die errechnet sich daraus, dass der Speicherplatz einer DVD von 4,7 GB "zwei Stunden" entspricht. Anhand dieser "Spieldauer" werden die Abgaben für Speichermedien in MP3- und DVD-Playern, Festplatten der unterschiedlichsten Größen abgeleitet. Mit dem Effekt, dass es ebensoviele unterschiedliche Abgaben auf Disks und Sticks bzw. Harddisks gibt.
Obwohl es sich dabei um dieselbe Speicherhardware handelt, wird zwischen Desktop-Festplatten, "externen Festplatten" und "externen Multimediafestplatten" mit oder ohne "Recording-Funktion" unterschieden. Speichermedien für Smartphones und Handhelds werden gar in sieben verschiedene Tarifkategorien unterteilt.
Verwaltungsaufwand
Andererseits gibt es Rabatte für "in relevantem Ausmaß typischerweise nicht vergütungspflichtige Aufnahmen", einen ermäßigten Einzelvertragstarif für jede einzelne Kategorie, sowie Rückvergütung für Vorauszahlungen, auch mehrfach gestaffelt.
Welcher Verwaltungsaufwand da auf beiden Seiten - also bei Händlern und der abrechenden Austromechana - enstehen muss, springt bei der Lektüre der Abgabenliste förmlich ins Auge.
Im Blogeintrag von Walter Gröbchen, Inhaber des Labels Monkey Music, wurden die Argumentationslinien beider Seiten rund um den Abgabenbeschluss sehr plakativ auf den Punkt gebracht.
Die beiden Seiten
Leider könne man das Problem mit Amazon und anderen Handelsplattformen nicht so einfach aus der Welt schaffen, bedauerte Ursula Sedlacek, denn es sei keineswegs Absicht der Austromechana, österreichischen Einzelhändlern zu schaden. Von den bisher befragten (kleinen) PC-Einzelhändlern wiederum hatte sich kein einziger generell gegen eine Abgabe für Künstler ausgesprochen.
Der Tenor war vielmehr, dass natürlich auch die Künstler zu ihrem Geld kommen müssten. Die Regelung sollte nur zumindest ähnlich der in Deutschland sein, wo die Hauptkonkurrenten der österreichischen Händler über deutschsprachige Websites verkaufen und die Abwicklung sollte wesentlich einfacher sein.
Die Tarife
Gegenüber dem Gesamtvertrag Leerkassettenvergütung vom April 2010 (PDF) wurde in der nächsten Tarifliste vom Oktober 1010 zumindest die Kategorie "interne Festplatten" vereinfacht. Interessant dabei zu sehen ist, wie das ursprünglich einfach strukturierte Abgabenschema der frühen Jahre mit dem Wildwuchs der Speichermedien immer komplexer geworden ist.
Die Verlierer
Was den Prozess in Österreich angehe, so rate die Austromechana den Käufern privat genutzter Platten, die Rechnung für eine mögliche Rückerstattung aufzuheben "falls der Prozess verloren wird", sagte Sedlacek abschließend. Mit der für die Wirtschaftskammer klagenden Partei HP Österreich gebe es übrigens ein Agreement, den Prozess nicht hinauszögern, sondern zügig durchzuführen.
Wirklich verlieren können nur die schwächsten der Beteiligten und das sind "die Vielen". Kleine EDV-Händler, "PC-Schrauber", Betreiber von Webshops usw., denen während des Prozesses die Luft ausgeht, weil sie mit der ausländischen Konkurrenz nicht mithalten können.
Wird der Prozess gegen HP verloren, fallen für die vielen Kunstschaffenden, deren große Mehrheit unter prekären Einkommensverhältnissen künstlerisch tätig ist, Konzertzuschüsse, Projektförderungen, Sozial- und Pensionsversicherungsbeiträge usw. aus.
Amazon und Europa
Der wahre Grund für dieses Dilemma aber ist das Fehlen eines europäischen Rahmens für derartige Abgaben. Weder Amazon noch andere große Plattformen könnten sie dann ignorieren, ohne sich sofort ein EU-Verfahren einzuhandeln.
Auf zwei Anfragen von ORF.at bei Amazon Deutschland war bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels keine Reaktion erfolgt.