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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

23. 1. 2011 - 14:17

Song Zum Sonntag: Decemberists

Winterspaziergang und Kindheit im Schnee: January Hymn

Plattencover von Decemberists - "The King Is Dead"

decemberists

Am Wintersonntag geht er spazieren, seine Schritte schmelzen den Schnee unter seinen Füßen, so hält er den Winter im Zaum. Seine Kindheit hat er, bleich und still, im Schnee verbracht, seine Jugend in Schichten von Kleidung. Sie sollen hoch leben, die Winterabende im Park, wo die Herzschläge flüchtig und leise zu hören waren. Als sie ihn verließ, konnte er an ihrem sichtbaren Hauch die Richtung ihres Weges sehen. Würde der Winter sie ihm wieder bringen? Was hätte er sagen sollen? Oh Januar Oh.

Die Decemberists sind wieder zurück aus der Scheune im Wald, wo sie ihr neues Album "The King is Dead" aufgenommen haben. Nach Seemannsdrama ("Mariners Revenge Song"), Königskindern ("We all Go Down Together), Wiedergängern ("Eli The Barrow Boy") Vogelmenschen ("Grane Wife") und Gestaltwandlern ("Hazards Of Love") ist nun das lyrische Ich im Mittelpunkt der Erzählung. Und sich in einer Tradition wissend, in der einige der größten DichterInnen der Nationalliteratur - Dickinson, Whitman, Frost, Thoreau - Naturanbeter waren, geht es auf "The King is Dead" um das weite Land und das klare Wasser, um Jahreszeiten und Landschaften, Spaziergänge und - wie immer bei einer Band, die sich nach einer gescheiterten Revolution benannt hat - um die Grundfragen nach dem Sinn von Leben und Kampf.

Das mit interessanteste an Colin Meloy, dem Hippiekind, der es so gut versteht, aus den drei Akkorden noch immer zwingende Melodiekunstwerke zu basteln, war eigentlich immer sein Desinteresse an amerikanischer Musik - die Decemberists hatten sich immer eher an englischem Folk der Sixties, an irische Rebellenlieder und britische Shanties, an Eric Bogle und Ewan MacColl gehalten, als an Springsteen oder Fogerty, Dylan oder Neil Young.

Über die Decemberists macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.

Interview und Live Performance der Decemberists auf World Cafe mit David Dye

"The King Is Dead" ist soeben erschienen und die Decemberists bekommen darauf Hilfe von dem großzügigen Peter Buck und der brillianten Gillian Welch

Damit ist jetzt Schluss, hier regiert die Americana, hauptsächlich R.E.M., deren Peter Buck auch mitspielt. Nach Verbeugungen vor Fairport Convention auf "Her Majesty" und "Picaresque", und ihrem Versuch, mit "Crane Wife" "Thick as a Brick" von Jethro Tull und mit "Hazards of Love" ein Konzeptmystikmonster à la Renaissance nachzustellen, wird es jetzt richtig einfach und klar, ein wenig simpel und "uncool", aber mit zwingenden Melodien, cinematischen Stories und verquerer Lyrik.

Und einem dürren "stripped down" Rockverständnis, das in Zeiten, wo die führenden U.S. Bands wie Arcade Fire oder Kings Of Leon sich am "Big Sound" von U2 oder der E- Street Band orientieren und ihre Songs wie Türme vor einem aufbauen, ein wohltuender Gegenpol sein kann.

Im Detail stecken auf "The King is Dead" mehr kleine musikalische Verweise, als sonst bei den Decemberists gewohnt: "Rox in the Box" könnte wieder von Dave Swarbrick sein, "Don't Carry It All" von Tom Petty, "Down By The Water" wurde schon überall als vergessenes Outtake von R.E.M.'s "Fables of the Reconstruction" bezeichnnet (wobei ich es eher auf "Document" oder "Life's Rich Pageant" suchen würde), was Meloy auch gerne zugibt.

Und die Gram Parsons Melodie der "January Hymn" gleitet im Refrain für eine schnuckelige Sekunde elegant, fast wie ungewollt, in "Mr. Tambourine Man" über.