Erstellt am: 21. 1. 2011 - 19:12 Uhr
Vom Überleben in der Metropole
Vom Überleben in der Metropole
Als Vorbereitung zum Release von DMD KIU LIDT
I. Das Flanieren als Lebens-, Denk- und Liebesform
II. Das Gemeinsame und die Gemeinschaft. Möglichkeiten und Gefahren.
III. Verzweifeln, Liegenbleiben, Flennen. Manchmal: Resignieren.
IV. Das Mantra der Vernünftigen: Sinnlos, Sinnlos, Sinnlos.
V. Die Wahrheiten am Nachbartisch
VI. Der Tratsch und das Gelächter
VII. Verlass die Stadt.
VIII.Liebe und Anarchie
IX. Sich Erinnern.
X. Fenster einschlagen. oder F.I.R.E.I.N.C.A.I.R.O.
XI. Versuch über die Party.
XIII. Dinge zu Ende bringen. Alles offen lassen.
XIV. Die Manifestation des Kapitalismus in unseren Leben ist die Traurigkeit
"Wer kennt nicht die boshafte Verlockung die dem Leben zugrunde liegt, dass man alles immer auch mit einem Stockhieb im Nu kurz und klein schlagen könnte? Es ist ein in uns allen eingeschlossenes Grundgefühl und wenn man es schon nicht den Teufel nennen will, so ist doch ein leichter Geruch von verbranntem Pferdehaar daran". (Robert Musil, "Der Mann ohne Eigenschaften")
Jedes Mal, wenn unsere Heldin wieder stolz vor den zerschlagenen Ketten und gesprengten Grenzen steht, muss sie bemerken, dass der ganzen Scherbenhaufen von selbst kein neues Ganzes ergeben will. Zerschlagen ist das eine, aber es bleibt dann immer noch die Frage: Was danach? Man muss da höllisch aufpassen, sie weiß das, denn alles will immer wieder aufgebaut werden. Oh, der Wiederaufbau! Da schwillt vor Stolz die Brust ganzer Generationen. Aufbauen, vervollständigen, anmalen, benennen, verzeichnen und dann unbedingt: beschützen! Wehe dir, wenn du die Dinge so belässt wie sie sind, wehe! Wehe dir, kennst du keine Namen für jede noch so primitive Äußerung des Lebens! Aber, ich frage mich, warum etwas mit Leben füllen, das doch ohnehin Leben ist? Warum Namen wie Watschen verteilen, wenn doch ohnehin alles ist was es ist? Tja, liebe Metropolitanerin, was soll ich sagen, das Leben und der Kampf sind und bleiben ein Puzzlespiel, also suche nicht nach dem Sinn darin!
Radio FM4
(Metropolitanerin meint mehr als die in der Stadt wohnende. Ich denke nämlich, dass der moderne Vernetzungswahn viel eher die Stadt, mit all ihren Möglichkeiten und Gebrechen, in jedes auch noch so abgeschiedene Fleckchen Erde bringt, oder bringen wird, als dass er die Erde zu einem globalen Dorf machen könnte. Es ist nicht zu bestreiten, dass man uns immer mehr zusammen bringt und die Welt einer nicht anzuhaltenden Standardisierung ausgesetzt ist. Es ist aber völlig offensichtlich, dass die Schablone hierfür die Metropole und die Metropolitanerin ist, und nicht das kleine Dörfchen. Und wenn der Begriff auch meint, dass alles übersichtlich und schnell zu erreichen ist, dann ist es das trotzdem im Sinne eines Geistes, den die moderne Großstadt hervorgebracht hat: eine unfassbare vernetzte Masse, in der die Menschen in unmittelbarer Nähe zueinander, einsam und gemeinschaftslos dahin vegetieren. In derselben Art teilt man hier alles. Wissen wie Liebe.)
Sich nicht dem Wahnsinn unterwerfen, sich dem Absurden unterwerfen.
Man möchte also nach einer Idee leben, und mehr noch als das, möchte man wissen, wie man das kann und zerbricht regelmäßig wieder an dieser einen Frage, ohne sich klar zu werden, dass die allgemeine Vieldeutigkeit langsam alle Fragen versteinern lässt. Es gibt schon kein Ja mehr in dem nicht ein vehementes Nein begraben wäre. Jede Bewegung, jeder Atemzug vollzieht sich mit einem verdächtigen Nebengeräusch, dessen Frequenz man nicht hören kann und doch nimmt man die Schwingungen war. Es schmerzt im Kopf, die Welt wird unruhig, aber es scheint alles noch logisch. Denn über uns ist die Idee der Wahrheit und des Sinns gestülpt und in uns ist sie einzementiert. Ein ganz und gar männlicher Heiliger, der bis an die Zähne bewaffnet keine Gefangenen macht. Und so grundelt man dahin, vollgepumpt mit Wahrheit und Sinn, junkiegleich immer nach dem nächsten Schuss trachtend. Und wer sich aus allergischen oder geschmäcklerischen Gründen Wahr- und Sinnhaftigkeiten nicht so recht junken mag, für den gibt’s immer noch das eine oder andere Opiat, ein hartes Bettchen in Steinhof oder, wenn man den Zorn dieser Ordnung mit Sinn erregt hat, das gemeine Zuchthaus und den zweifelhaften Adelstitel des Verbrechers. Wir hatten davon schon beim letzten Mal.
Das Werk ist die Totenmaske der Konzeption
http://www.flickr.com/photos/mattgranz
Grenzenlos verwirrt findet man sich also in einen trotteligen Stumpfsinn versetzt. Was gelten soll, muss einen Namen tragen, doch die Welt ist voll von Worten und Begriffen, die ihre Gegenstände verloren haben. Und das ist nicht unbedingt schlecht so. Es würde sich nur lohnen endlich die idiotisierende Praxis aufzugeben, zu versteinerten Begriffen manisch nach Gegenständen und Menschen zu suchen.
Die Tage des Sinns sind bald gezählt: noch 84 Tage bis DMD KIU LIDT.