Erstellt am: 20. 1. 2011 - 14:28 Uhr
Abschiebe-Charter aus Schwechat
Nach der öffentlichen Debatte um Abschiebung und Rückkehr der Familie Komani war es um das Thema Abschiebungen über Weihnachten ruhig geworden. Was nicht heißt, dass es keine gegeben hätte. Für die Nacht auf heute hatte das Innenministerium jedenfalls einen Abschiebeflug nach Nigeria organisiert - mit Folgen auch für unbescholtene Nigerianer in Österreich.
Abgeschoben wurden zum Beispiel John und Sunday. John ist mit 16 Jahren nach Österreich gekommen, war insgesamt zehn Jahre hier und hat neun Jahre lang auf eine Entscheidung der Asylbehörden gewartet. Letztes Jahr har er den negativen Bescheid bekommen und sich somit illegal in Österreich aufgehalten. Sunday war seit acht Jahren da, sieben davon hat sein Verfahren gedauert. Beide sind unbescholten, sprechen gut Deutsch und haben sich immer um Integration bemüht, sagt Karin Klaric vom Freunde Schützen Haus, die sich der beiden angenommen hat.
Karin Klaric wollte gestern (19. Jänner 2011) mit John und Sunday gemeinsam Anträge auf humanitäre Niederlassung (vulgo: Bleiberecht) stellen. Dazu ist es nicht mehr gekommen, weil die beiden am Dienstag verhaftet wurden. Sie hat die humanitäre Niederlassungsbewilligung trotzdem beantragt, damit John und Sunday im Falle einer Bewilligung zumindest wieder nach Österreich zurück können.
Den Flieger füllen?
Weil es bei Abschiebungen auf Linienflügen immer wieder zu Problemen und Befreiungen oder sogar zu Todesfällen gekommen ist, werden Abschiebungen jetzt europaweit über die Grenzagentur Frontex koordiniert. Dabei organisiert ein Land, in diesem Falle Österreich, einen Charterflug, der von Frontex bezahlt wird und Menschen aus ganz Europa in ihr Herkunftsland deportiert.
An Bord dieser Flieger sind nicht nur Menschen, die aus welchen Gründen auch immer ein Aufenthaltsverbot haben (etwa weil sie zu einer Haftstrafe verurteilt worden sind), sondern auch Menschen wie John und Sunday, für die es außer dem negativen Asylverfahren keinen Grund gibt, Österrreich verlassen zu müssen.
Insgesamt fünf Nigerianer aus Wien waren an Bord des Fluges, sagt Iris Seper, Sprecherin der Bundespolizeidirektion Wien. Ein sechster ist bei seiner versuchten Verhaftung aus dem Fenster seines Wohnheims gesprungen und liegt mit schweren Verletzungen im Spital. Von einer regelrechten Verhaftungswelle diese Woche spricht Karin Klaric. NGOs sprechen davon, dass der gecharterte Abschiebeflieger eben angefüllt werde, damit möglichst wenige Plätze frei bleiben müssen. Das sei gängige Praxis.
Dieser Sichtweise will sich Iris Seper nicht anschließen. Sie sagt, dass ihre Behörde nur dazu da ist, bestehende Gesetze umzusetzen. Das Innenministerium, das den Flug organisiert hat, will zu den einzelnen Abschiebungen keine Stellung nehmen.
Keine klaren Verfahren
Für Christoph Riedl vom Flüchtlingsdienst der Diakonie ist das Problem hier wieder einmal, dass es keine klaren Verfahren gibt. Jahrelang würde man die Menschen hier gelassen - und sie dann von einem Tag auf den anderen abschieben. Würden die Asylverfahren in einem angemessenen Zeitraum von ein bis anderthalb Jahren abgeschlossen, dann wäre gegen eine zügige Abschiebung auch nichts auszusetzen.
Auch Karin Klaric sagt: wenn schon abgeschoben würde, dann sollten die Menschen auch darauf vorbereitet werden und nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit WEGA-Einsatz und aller Härte wie Verbrecher verhaftet, eingesperrt und ruck-zuck außer Landes geschafft werden.
Beide fordern, dass endlich Rechtssicherheit für Menschen geschaffen werden muss, die (aufgrund der langwierigen Verfahren) schon Jahre hier und integriert sind.