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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

17. 1. 2011 - 18:33

Politique Autrichienne

Das Blättchen ruft, die Partei apportiert: die angestrebte Abschaffung der Wehrpflicht ist ein Paradebeispiel dafür, wie in Österreich Politik funktioniert.

Nicht dass es nicht höchst an der Zeit gewesen wäre, die Zukunft des Bundesheeres und der Wehrpflicht zu diskutieren. Spätestens nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, allerspätestens mit dem EU-Beitritt der ehemaligen Ostblockstaaten hat sich das Bundesheer in seiner derzeitigen Form überholt.

Und so haben in den letzten Jahren auch fast alle europäischen Länder die Wehrpflicht abgeschafft - unbemerkt von der österreichischen Öffentlichkeit, die sich traditionell kaum dafür interessiert, was außerhalb ihrer Landesgrenzen vorgeht.

Zwar gab es auch hierzulande schon lange politische Stimmen, die der geänderten Realität Rechnung tragen wollten. Doch die wurden nicht einmal ignoriert. Denn die Sozialdemokratie ist traditionell Befürworterin der Wehrpflicht, weil ein Heer, das "aus dem Volke" stammt, im Zweifelsfall weniger bereit ist, so wie im Bürgerkrieg 1934 auf das eigene Volk zu schießen. ÖVP und FPÖ sind im Bundesheer traditionell stark verwurzelt und sehen die Wehrpflicht auch als Beitrag, militärische Tugenden in die Bevölkerung zu tragen und Jugendliche zu "echten Männern" zu machen.

Plötzlich war das Thema da

Doch dann erhob sich eine Stimme, die zu ignorieren sich immer noch keine österreichische Regierung traut. Ende September startet die Kronenzeitung ihre Kampagne zur Abschaffung der Wehrpflicht mit der Aufmacherschlagzeile "Mehrheit gegen die Wehrpflicht!". Brav bekunden einen Tag später Kanzler, Vizekanzler und Verteidigungsminister, man könne ja drüber nachdenken.

Richtig ins Rollen kommt das Thema, als zwei Wochen später - und nur eine Woche vor der Wienwahl - Wiens Bürgermeister Häupl, stilecht im Exklusivinterview mit der Kronenzeitung, sich erstmals für die Abschaffung der Wehrpflicht ausspricht - obwohl sich die Wehrpflicht nicht gerade als Sachthema für einen Landtagswahlkampf eignet.

Sieben Wege zur Glückseligkeit

Nun also präsentiert Verteidigungsminister Darabos seine sieben Modelle, von denen er eines ganz klar präferiert. Denn sein Lieblingsmodell beinhaltet alles das, was sich die Österreicher (und ihre Lieblingszeitung) von einem Bundesheer wünschen: Hilfseinsätze für den Katastrophenfall, Auslandseinsätze für das Selbstwert- und Assistenzeinsätze für das Sicherheitsgefühl. So eine Art Technisches Hilfswerk mit angeschlossener Militärpolizei und Propagandaeinheit.

Der ständige Hinweis auf die Wünsche der Bevölkerung (seit wann ist ein Heer ein Wunschkonzert?) passt ins Bild, und man wird den Verdacht nicht los, die übrigen Modelle seien bewusst auf Inkompatibilität mit Volkes Stimme hin konzipiert worden.

Ins Bild passt auch die kokette Bemerkung, man werde das Ergebnis der "Debatte" sowieso vom Volk absegnen lassen. Volksentscheid kommt immer gut, vor allem bei einem Thema, bei dem man schon von vorn herein weiß wie's ausgeht.

Und die Alternativen

Dabei werden einige wichtige Aspekte gar nicht oder völlig unzureichend diskutiert. Ob das Hundstorfer-Konzept des Freiwilligen Sozialen Jahres die Lücken schließen kann, die die Abschaffung des Zivildienstes reißt, und ob das wirklich alles finanziert werden kann, ist höchst zweifelhaft. Warum Zivildienst außerhalb des Sozial- und Gesundheitsbereichs nach dem Zurückschneiden der letzten Jahre jetzt ganz abgeschafft werden soll, warum Gedenk- und Friedensdienst diskussions- und ersatzlos gestrichen werden sollen - darüber spricht niemand.

Lässt sich die Arbeit, die Zivildiener und Bundesheer leisten, nicht auch anders organisieren als über das Einbinden eines semiprofessionellen Bereichs? Was spricht gegen den Aufbau eines zivilen Katastrophenschutzes? Was spricht gegen die völlige Abschaffung des Bundesheeres? All diese Fragen könnten in einer echten politischen Debatte öffentlich diskutiert werden. Aber öffentliche politische Debatten zu führen traut sich hierzulande kein Politiker. Stattdessen führt man politische Kampagnen, oder lässt sich welche aufzwingen.