Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Dumpfgummi-Helden"

Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

17. 1. 2011 - 18:08

Dumpfgummi-Helden

Warum "The Green Hornet" und "Love and Other Drugs" trotz ungustiöser Hauptfiguren & grundsätzlicher Berechenbarkeit sehenswert sind.

"The Art Of Being An Asshole": Der Pharmavertreter Jamie ist ein wortgewandter, verschmitzt grinsender Vertreter dieser Kunstform. Weil sich zumindest in Hollywood aber Gegensätze immerzu anziehen, beginnt ausgerechnet die freigeistige Künstlerin Maggie eine Affaire mit dem berechenbaren Womanizer.

Okay, es ist zunächst nur schneller Sex, der den platten Herzensbrecher und die kluge junge Frau verbindet. Aber irgendwann bleibt es nicht bei der verschwitzten Affäre. Die Sache wird komplizierter, als es sich das ungleiche Paar vorgestellt hat, die Schlafzimmercomedy mutiert zum Liebesdrama.

Dass sich hinter "Love and Other Drugs" des unauffälligen Regieroutiniers Edward Zwick kein Meisterwerk verbergen wird, war mir im Vorfeld wohl klar. Ein klein wenig positiv überraschend sind dann aber in der ersten Hälfte des Films nicht nur die – für eine Mainstreamproduktion – explizite Nacktheit und die Bekenntnisse zum lustvollen, von Moralismen befreiten Sex.

Auch die Ambition des Films, in einem parallelen Strang vom korrupten amerikanischen Krankenhausalltag und den Machenschaften der Pharmaindustrie zu erzählen, sorgt für amüsante Momente. Denn Jamie, ziemlich nervig gespielt von Jake Gyllenhaal, ist als Vertreter der Firma Pfizer mittendrin in der Hysterie, als das Wundermittel Viagra seine Markteinführung erlebt.

Love and Other Drugs

Centfox

Weil Sexklamotte, Lovestory und Spitalssatire für Edward Zwick noch nicht ausreichen, werden wir in "Love and Other Drugs" auch mit dem erschütternden Schicksal der Protagonistin konfrontiert. Die offenherzige Maggie übertüncht mit all ihrem Charme ihre Krankheit. Als Parkinson-Patientin blickt sie einer tragischen Zukunft entgegen.

Ein thematisch überladener Film, minutiös am Zielgruppen-Reißbrett zurechtgeplant, der sich zwischen typisch schnarchigen Romcom-Klischees, Versuchen ätzender Ironie und Ansätzen von Melancholie nicht entscheiden kann? Aber ja.

Trotz oder gerade wegen der vielen Ansätze schleichen sich schöne Szenen in das Mainstream-Mittelmaß. Verdanken tun sich die meisten der formidablen Anne Hathaway, die mit ihrer Figur Maggie das Zusehen zum bittersüßen Vergnügen macht.

So richtig hatte ich diese Akteurin, gebe ich zu, noch immer nicht auf dem Radar, trotz ihres beeindruckenden Auftritts in "Rachel Getting Married". Aber wie Hathaway in "Love and Other Drugs" neben dem grundsätzlich immer mehr verblassenden Jake Gyllenhaal mühelos zwischen selbstbewusstem Sex, bissig-analytischen Monologen und dem unaufhaltsamen Zusammenbruch pendelt, das hat mich gekriegt.

Love and Other Drugs

Centfox

Vom kalkulierenden Aufreißertyp Jamie zum Schnösel-Bubi Britt: Auch in "The Green Hornet" muss man sich als Zuschauer mit einem Dumpfgummi-Protagonisten herumschlagen.

Das neueste Superheldenabenteuer, das nicht auf einem Comic, sondern der gleichnamigen TV-Serie aus den Sixties basiert, zeigt Comedystar Seth Rogen als dekadenten Sohn eines Zeitungsverlegers, der sein reichhaltiges Taschengeld lieber mit Models und Unterhaltungsgetränken verpulvert, als Leitartikel zu schreiben.

Als der engagierte Herr Papa plötzlich stirbt, sieht sich der Sprössling mit der Leere seines eigenen hohlen Lebens konfrontiert. Britt Reid beschließt, Gutes zu tun und als sparsam maskierter Vigilant jenes urbane Verbrechen zu bekämpfen, gegen das der Vater mit Worten eingetreten war. Verantwortlich für diesen Sinneswandel ist der persönliche Assistent des alten Herren, der auch zu Britts engem Gefolgsmann in Sachen Straßenkampf wird: ein genialer Techniker, Tüftler und Kampfsport-Virtuose namens Kato.

In der Theorie hat sich "The Green Hornet" unglaublich angehört. Hollywood gibt dem skurrilen Franzosen Michel Gondry ein kleines Vermögen, damit sich der einen Comickinotraum in 3D erfüllt.

Dann kommt neben dem Schöpfer von Werken wie "Eternal Sunshine Of The Spotless Mind" oder zuletzt "Be Kind Rewind" auch noch Seth Rogen als Hauptdarsteller an Bord und bringt seinen Drehbuchkumpel Evan Goldberg mit. Den beiden Wunderknaben verdanken wir einige der großartigsten Comedys der letzten Jahre. Schließlich stoßen Austro-Export Christoph Waltz und Cameron Diaz zum Ensemble der knallbunten Actionkomödie.

The Green Hornet

Sony

Die Realität sieht – wie so oft im Blockbusterkino – anders aus. "The Green Hornet" ist ein passables Stück Entertainment geworden, die verschrobene Handschrift von Monsieur Gondry sucht man aber vergeblich. Das muss jetzt natürlich nichts prinzipiell Schlechtes sein, denn zuletzt lief der handgebastelte Lo-Fi-Charme des Parisers schon Gefahr, in Putzigkeit zu erstarren.

Gefühlt ewig dauernde Actionsequenzen und Zerstörungsorgien im Hochglanzstil an der Stelle von Indie-Filzstiftgekritzel sind aber auch nicht der Knaller. Und Seth Rogen, der herrliche Komödienanarchist, hat sich auch schon entschieden bessere Zeilen in den Mund gelegt (an dieser Stelle sei vor der horriblen deutschen Synchro dreimal gewarnt).

Wie schon im TV-Original ist es die Figur des Kato, die den Film rettet und allen die Show stiehlt. Seinerzeit brillierte der legendäre Kung-Fu-Gott Bruce Lee als schnittiger Sidekick. In Gondrys Version sammelt Popstar Jay Chou die Coolnesspunkte. Neben ihm verblasst auch Christoph Waltz, der seine Tarantino-erprobte Fiesheit hier einfach variiert.

Die Dynamik zwischen dem Vollkoffer Britt Reid, der außer viel Geld rein gar nichts ins Superheldengewerbe mitbringt, und dem souveränen Helfer Kato macht auch viel in diesem öfter schwächelnden Film wett. Durfte Bruce Lee im rassistischen Sixties-Fernsehen, lange vor seinem Durchbruch als Action-Ikone, sein Potential nur vage andeuten, erzählt "The Green Hornet" nun von einer Emanzipation. Die Zukunft gehört nicht mehr aufgeschwemmten, weißen Rich Kids mit sexistischen Sprüchen. Der asiatische Sidekick ist zurecht der Star.

Wie der Franzose Gondry den Amerikanern hier auf lustige Weise von neuen Machtverhältnissen erzählt, das macht am meisten Spaß an diesem Film.

The Green Hornet

Sony