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Andreas Spechtl

Ist Sänger der Band "Ja, Panik" und lebt in Berlin.

15. 1. 2011 - 12:12

Vom Überleben in der Metropole

III. Verzweifeln, Liegenbleiben, Flennen. Manchmal: Resignieren.

They tell me everything is gonna be all right, but I don't know what "all right" even means. Robert Zimmerman

Andreas Spechtl, schlafend am Sofa in Tigerfell

Andreas Spechtl

Die letzten Tage waren schwere Tage. Berauscht vom Gegengift, das seine gebrechlichen Nerven stählt und doch offenkundig nicht zur Beruhigung dient, weiß unser Held nichts anzufangen, weder mit seiner Unruhe, noch mit all dem schönen Hass und übt sich in verzweifelten Tiraden und leblosen Sätzen. Alles ist darauf angesetzt ihn zu beschäftigen und zu langweiligen, zu verwirren und wieder zu beruhigen, ihn hassen und lieben zu lassen, ihn zu zerstören und wieder zum Leben zu erwecken. Alles schaltet ihn und so schaltet er sich erstmal aus.

Die Parole lautet: liegen bleiben, resignieren und flennen. Denn kann es sein, ist es so, dass die Traurigkeit die Manifestation der Widersprüche ist, in die wir uns tagtäglich verstricken? Und hat sich dann mit jedem unvermuteten Losheulen einer aufgelöst oder einer neu gebildet? Keine Ahnung, aber es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass das, was uns kaputt macht, auch etwas ist, das uns eint. Die Gleichmacherei der jeweiligen Reparatureinrichtungen und -maßnahmen gibt die kompromissloseste Antwort darauf. Denn in ihren hilflosesten Momenten sind die absolut Verzweifelten, die partout keine Hilfe annehmen wollen oder gar können, die Avantgarde einer Zeit, von der man in der Wirklichkeit dieser Tatütata-Welt nicht einmal zu träumen wagt.

Andreas Spechtl schlafend im Bett

Andreas Spechtl

Exkurs

Bevor ich es vergesse: nicht schrecken lassen, hier rechts ist eine Werbefläche angebracht! Aber wenn ihr ganz genau hinschaut, werden ihr merken: nicht nur hier rechts, nein, immer und in jeder Situation, rechts oder links von uns, ist sie irgendwo installiert! Obacht! Auf der Straße, im Zimmer, im Netz und in unseren Träumen. Sie ist das Dekor dieser Welt! So gesehen ist jede Aussage ein Pfui-Teufel-Verrat, weil wir in unserm ganzen Leben nie etwas anderes als product placement betreiben. Klamotten, Musik, Meinungen, Liebschaften, Interessen: Fuck it.

Vorratsregal mit Lebensmitteln, auch Barilla-Nudelpackung

Andreas Spechtl

Jeder einzelne von uns ist nicht mehr als ein schleimig aufdringlicher Vertreter, der andauernd an irgendeine Haustür klopft und sich frech selbst feilbietet. Ja, sicher verachtenswert, aber noch mehr: traurig. Und auch: nicht zwingend ewig. Deshalb jedoch: besonders traurig.

Kein einziges Leben, dem ich noch zustimmen könnte.

Da wären wir auch wieder beim Thema: Wie ein blasser Stricherjunge kommt sich unser Held gerade vor. Aber nicht nur das, denn das Geschäft läuft noch dazu ganz miserabel, keine Freier nirgendwo, nur Stricherjungen und Strichermädchen en masse. Das einzige, das ihm um den Hals fällt, ist immer wieder diese Schwere, dieses bleierne Etwas, das er sich, wie eine verblühte Liaison, jedes Mal aufs Neue schöntrinken muss. Und da sind wir auch bei einer wichtigen Frage angelangt: sich ausschalten oder sich einschalten, um klar zu kommen? Wenn ausschalten nicht funktionieren und einschalten funktionieren bedeutet, müsste man ja fürs Ausschalten plädieren. Nur kann man sich dann gleich selbst umbringen. Das sage ich ganz wertfrei, wohlgemerkt. Wenn sich nicht umbringen, dann aber sich unweigerlich in Widersprüche verstricken und mit der Traurigkeit leben lernen, ihr Platz geben, sie als Symptom einer Krankheit, aber nicht als die Krankheit selbst begreifen.

Also wird er erstmal bleiben, wo er ist, in der Stadt. Er wird das Essen essen, er wird den Menschen zum Freund haben, er wird manchmal den Film schauen, manchmal den Satz sagen, manchmal abends das Getränk mit dem Menschen trinken, manchmal das Gefühl haben und öfter eher nicht. Und er wird das Lied singen, er wird es singen, wie man es eben singt, und es wird nichts daran zu rütteln geben. Er wird das Lied mit dem Ton und den Text mit dem Wort singen. Der Gedanke wärmt den kalten Buben und ein Lächeln stirbt in seinem schönen Gesicht.

Es hilft alles nichts: noch 92 Tage bis DMD KIU LIDT

Andreas Spechtl, müde lächelnd mit in die Kamera gehaltenem erhobenem Daumen

Andreas Spechtl