Erstellt am: 12. 1. 2011 - 19:24 Uhr
Journal 2011. Eintrag 10.
Das Jahr 2011 bietet wieder ein Journal, ein fast tägliches, wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009.
Da werden schon an die 300 Einträge zusammenkommen, vielleicht auch mehr. Dazu komplettieren die wohl wieder 65, 70 Einträge ins Fußball-Journal '11 die diesjährige Blumenau-Show im Netz.
Meist wird es hier Geschichten/Analysen geben, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo gefunden habe; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute mit der Würdigung einer der Größten: der Frau, die mir das vertiefende Lesen und vernetztes Denken beigebracht hat: Erika Fuchs, Donald Duck-Übersetzerin.
Anlaß: das Buch "Nur keine Sentimentalitäten – wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte" von Ernst Horst, erschienen bei Blessing.
blessing
Hier im übrigen die Ö1-Geschichte von Michael Freund, mit dem ich damals gemeinsam nach München gefahren bin um die große alte Dame zu besuchen.
Es ist erst seit ein paar Jahren üblich: dass Übersetzer und Übersetzerinnen genannt werden, wenn von nicht-deutschsprachigen Büchern die Rede ist, medial. Früher war das nicht so: die Übersetzer, egal ob von Literatur, Trivialem oder Sachbüchern, waren unsichtbar, gerademal auf Seite 7 oder so einmal klein erwähnt. Ein paar waren in Fachkreisen bekannt (Carl Weissner etwa für Bukowski oder Dylan) und manchmal übersetzten bekannte Autoren Kollegen die sie für wichtig hielten – dann wurde die Anonymisierung aufgelöst.
Die einzige große Ausnahme war Erika Fuchs, die Chef-Übersetzerin der Micky Maus-Hefte. Ihre Übertragung, besser: ihre Nachdichtung, noch besser: ihre Neu-Kreationen bescherten dem Entenhausener Universum um Donald Duck eine generationenübergreifende Bedeutung, die es sonstwo nie bekommen konnte.
ehapa
Ohne Fuchs, Sprachtalent, Kunstgeschichtlerin, Chefredakteurin und Frau eines Ingenörs hätte Entenhausen im deutschprachigen Raum eine Wichtigkeit wie in Großbritannien (keine), Frankreich oder Spanien (kaum eine). So aber wurden seit den 50ern ganz Generation mit Sprachspielen und Spaß an der gepflegten Formulierung gefüttert.
Herr Horst würdigt Frau Fuchs
Ernst Horst (ein Name wie aus einer Sprechblase!) hat nun mit „Nur keine Sentimentalitäten – wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte“ eine frische Würdigung verfasst, die zwischen Wissenschaftlichkeit, Subjektivität und Ironie schwingt, und den Fuchs’schen Spaß an der Sprache mitnimmt.
Horst hat Frau Fuchs nach eigenen Angaben zweimal getroffen, aber nie ein Interview geführt – weil sie, so sagt er, in Interviews immer so viel Unsinn geredet habe, ganz bewusst. Ja, der Fuchs und die Trauben, oder wie Donald sagen würde: Mir deucht ihn treibt der Neid.
Ich hab nämlich. Ein Interview geführt, vor Jahren, als die Grande Dame des Donaldismus (2005 ist sie gestorben, mit 99) in ihren 80ern war. Und sie hat gerne erzählt - und gerne relativiert, ihre Rolle bescheiden heruntergespielt.
Luther, Schiller und die anderen
Autor Horst sieht das anders, er scheut sich nicht, große Beispiele zu finden. Er vergleicht etwa Luthers Neufassung der Bibel, die den zuvor künstlich blöd gehaltenen Menschen eine neue Sprache gab (gut, Gutenbergs Erfindung der Druckerpresse hatte geholfen...), mit Fuchs‘ den deutschen Sprachraum auf eine angenehm unaufgeregte Art vereinendem Idiom, einer Art alltäglicher Hochsprache mit ununterbrochen eingestreuten Zitaten (meist von Schiller, Fuchs Lieblingsautor) und gezielt verwendeten seltenen und verschrobenen Worten (mir dünkt, mir deucht, das edle Borstenvieh...), die so wieder den Weg zurück aus der Verbannung fanden und durch gebrochene Ironie von der Verstaubtheit befreiten.
ehapa
Als Erika Fuchs in den 50ern den Job übernahm die Donald-Geschichten einzudeutschen, war sie bereits über 40: also eine gefestigte Persönlichkeit, nicht mehr leicht zu verbiegen.
Für den wichtigsten US-Zeichner und Autor des Donald-Universums, den großen Carl Barks (der starb übrigens auch mit 99) galt in den 40ern dasselbe. Weshalb Fuchs auch instinktiv die Barks-Stories besonders gefühlvoll in den anderen Kulturraum transponierte, mit Respekt vor der offensichtlichen Qualität dahinter.
Herr Barks und der 99er-Klub
Barks und Fuchs haben einander spät, in den 80ern, weit nach beider aktiver Karriere kennengelernt. Aber das sind Dinge, die man als Kenner weiß, die in Ernst Horsts Buch nicht vorkommen – der analysiert fleißig und gewitzt: die Einflüsse von Literatur, Musik, die Namensgebung, den Alltag (Ernährung und andere Banalitäten), das Menschenbild (Erziehung), Ideologien oder den Umgang mit dem Fremden.
dpa
Wie es Barks vorgab, wie es Fuchs, die die Macht über die Sprechblasen hatte, weiterentwickelte. Was sich vor allem in der Sprache der Kinder, der drei Neffen Donalds, niederschlug: die redeten nicht wie die Kinder, die sonst in Medien oder Literatur ganz anders dargestellt wurden, die agierten antiautoritär, ehe es diesen Begriff gab.
Außerdem sind und waren die Ducks keine Enten, sondern Menschen – das stellten die Fuchs-Texte schnell klar.
Herr Scheck und die tollsten Geschichten
Wo Fuchs‘ Umgang mit der Sprache ihre mediale Entsprechung hat, stellt Ernst Horst auch schnell klar: im Radio. Aber das wissen wir schon vom feinen deutschen Buchjournalisten Denis Scheck, der stolz drauf ist, dass die alte Dame zu seinen Hörerinnen zählte – und auch in einer Geschichte (als Name einer Spielwarenhandlung) verewigt wurde. Was auch auf Ernst Horst zutrifft, der das Beweisbild auf Seite 90 seines Buches mitliefert. Eh. Wer wäre da nicht stolz.
Keine Ahnung wie und ob die Qualität in Sprache und Storytelling den für solches Zeug empfänglichen 10-15% der Jungen nach, sagen wir 1990 bis jetzt, noch etwas bedeutet. Ob und wie das Blättern in zunehmend zerschlissener werdenden Heftln noch dieses Kribbeln bringt wie in einer medial und unterhaltungselektroniktechnisch eher schwach durchdrungenen Gesellschaft.
Gestern in "Comix retten die Welt, Teil 1": Batmans neuer Assi ist ein Muslim.
Ich weiß nur, dass Hefte wie die "Tollsten Geschichten" oder vor allem die Klassik-Alben immer noch durchdrungen vom Fuchsschen Geist sind – sofern sie nicht eh alte Barks-Stories mit den alten, brillianten Fuchs-Übersetzungen liefern.
Und dass gewitzt verfaßte Bücher wie „Nur keine Sentimentalitäten“ das Entenhausen, das Erika Fuchs sprachlich erfunden hat, auch für später Dazugekommene erlebbar macht.
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Ein paar Ausschnitte aus dem alten Erika Fuchs-Interview.