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Nina Hochrainer

Sweet Indie Music, Kleinode globaler Alltagskultur, nachhaltiges Existieren. And New York.

14. 1. 2011 - 10:36

Bilderbuch. Eine Band wie aus dem?

Aufwiegelnder Gitarrenrock heimischer Natur, zu bewundern am FM4 Geburtstagsfest.

Ob die vier Anfangszwanziger bei der Bandnamensfindung all die zweifelhaft originellen Wortspiele mitbedacht hatten, mit denen sie spätere Rezensenten ihrer Musik in Versuchung bringen würden? Zuzutrauen wäre es den in Wien lebenden Oberösterreichern, die sich seit einiger Zeit dazu anschicken, tatsächlich eine kleine Bilderbuch-Karriere (aha!) hinzulegen.

Das FM4 Geburtstagsfest am 22. Jänner 2010 in der Arena, Wien

Laut Biografie rührt der Name jedenfalls von einem, dem kremsmünsterlichen Klosterschulalltag entsprungenen Zeitvertreib – dem Vertonen von Märchen. Nett, in Wahrheit jedoch Teil einer verschlagenen Irreführungsstratgie, die das Quartett spätestens seit Erscheinen ihres Debütalbums "Nelken und Schillinge" 2009 verfolgt.

Bilderbuch Band

Nikolaus Ostermann

So höflich und adrett die vier jungen Herren erscheinen, so wenig glattgebügelt ist ihr Sound: Schnittiger, schräg-melodischer und beabsichtigt nerviger Gitarrenrock, der zum Hinhören zwingt und das Weghören anschließend schwierig macht.

So geht das nicht

Schuld daran sind vor allem auch die aufmüpfigen, cleveren, ironisch bis absurden Texte in deutscher Sprache. "Joghurt auf der Bluse, eine Katastrophe, so geht das nicht", singe ich seit erstmaligem Hören der Songzeile nun jedes Mal gerne, wenn sich irgendwo ein Fleck auf einem Kleidungsstück manifestiert. Und eine Frau zuerst als "Baum im Garten" zu bezeichnen und dann zu behaupten "Sie ist Liebe, sie ist stolz, wenn ich sie fälle, hab ich Holz" ist eine herrliche Reimunverschämtheit, die erfolgreich Tiefsinnigkeit suggeriert.

Was die als Newcomer-Überraschung gehandelten Bilderbuch außerdem für sich verbuchen können sind ihre herausragenden Live-Performance-Qualitäten, zuletzt beobachtet am FM4 Frequency Festival 2010: Dort schafften sie es, um halb drei Uhr nachmittags bei unerträglicher Hitze eine beachtliche Menschenmenge vor die große Bühne zu holen, sich auf dieser mit beeindruckender Alte-Hasen-Souveränität zu bewegen, und selbst den Partyleichen vom Vortag rhythmische Zuckungen zu entlocken. Es ist zu übrigens erwarten, dass Bilderbuch mit ihrem Gig beim anstehenden FM4-Geburtstagsfest in der Wiener Arena ähnliches vollbringen werden.

Bilderbuch

Ebenfalls attestieren muss man den Herrschaften eine gewisse Neigung zur Blutrünstigkeit – wenn man sich die ebenfalls so gar nicht aus Bilderbüchern entsprungene visuelle Ästhetik der Band anschaut: Im Video zu "Kopf ab" lebt Sänger Maurice seine Gewaltfantasien aus, indem er seinen Bandkollegen im Wald auflauert und einzeln hinterrücks zur Strecke bringt. Und wenn man nach "Karibische Träume" – der Vorabsingle zum im März erscheinenden zweiten Album – geht, sind von Bilderbuch auch in Zukunft keine seligen Inselmelodien zu erwarten. Das Single-Cover ist ebenfalls schön-schaurig, auch wenn das rot "nur" vom Granatapfel kommt.

Zum Abschluss gibt's jetzt hier noch als Geschenk das brandneue, soeben fertig gewordene Video zu "Karibische Träume", gedreht von Werbefilmregisseur Antonin Pevny und gefilmt bei Extremwitterungen von minus 20 Grad unter Mitwirkung von Schlittenhunden. Also fast doch wie aus dem … genau.