Erstellt am: 8. 1. 2011 - 13:07 Uhr
Der blutige weiße Baron
Im Epilog von "Der blutige weiße Baron" erzählt Palmer von seiner Unterhaltung mit einer Mongolin. In ihrer Familie werde Baron Ungern-Sternberg wie ein Gott verehrt. Sie hätten ein paar von Ungerns Haaren und Kleidungsstücken auf einem Stück Ödland vergraben, das daraufhin fruchtbares Weideland geworden sei. Diese Anekdote verdeutlicht einerseits, dass der Baron in der Mongolei immer noch eine bekannte, sagenumwobene Person ist, und andererseits, dass auch der Glaube an die Übermenschlichkeit des Barons nicht nachgelassen hat.
Palmer beschreibt in seinem Erstlingswerk Aspekte des Buddhismus, die nicht mit dem übereinstimmen, wie diese Religion heute allgemein rezipiert wird, nämlich als friedlichste aller Glaubensrichtungen. Palmer erzählt von buddhistischen Dämonen, die genüsslich Sünder foltern und von Kriegsgöttern, die sämtliche GegnerInnen des Buddhismus grausam niedermähen.
Als so ein Kriegsgott wurde Baron Ungern Sternberg bereits zu Lebzeiten verehrt, da er so unbezwingbar schien wie ein Gott und ebenso furchtbar.
Schnee von gestern oder Neuschnee?
eichborn verlag
In der russischen Revolution 1905 verlor Ungerns aristokratische Familie ihren Besitz an die Bolschewiken. Von da an setzte Ungern alles daran, die Roten zu bekriegen. Das Buch schildert seinen militärischen Werdegang, der in die Aufstellung einer Armee mündete, mit der Ungern ein panmongolisches Reich gründen wollte. Von 1910 bis 1921 entwickelte sich Ungern vom einfachen, zaristischen Soldaten zum von Wahrsagerei besessenen Heerführer, von dem sich sogar die Großmächte Russland und China kurzzeitig bedroht fühlten.
Der Schnee fällt in
Graz, wo Ungern geboren wurde, Estland, wo er aufgewachsen ist, Russland, für das Ungern als Soldat gekämpft hat und in der Mongolei, wo Ungern schließlich Städte eroberte und ein Reich aufbauen wollte.
Darum geht’s
Baron Ungern-Sternberg kämpfte erst für die Weißen gegen die bolschewistischen Roten und stellte schließlich selbst eine Armee auf die Beine, die eigentlich mehr einer riesigen, gut bewaffneten Räuberbande glich. Sowohl seinen Opfern als auch seinen eigenen Männern gegenüber war er unfassbar grausam und blutrünstig, motiviert von seinem Hass auf Kommunisten und Juden, sowie seiner Begeisterung für die kriegerischen Aspekte des Buddhismus. James Palmer erzählt die Geschichte des Aufstiegs und Falls eines Mannes, der als Inkarnation von Dschingis Khan und als Kriegsgott galt.
Der erste Satz mit Schnee
fällt auf Seite 29:
"Sophie Charlotte [Anm.: Ungerns Mutter] heiratete 1894 ein zweites Mal, und die Familie zog auf den Besitz des Stiefvaters in Jerwakant in Estland, etwa sechzig Kilometer entfernt von Reval, der Hauptstadt Estlands. Dort bewohnten sie ein beachtliches Herrenhaus, das tief im Wald lag und im Winter im Schnee versank, als wäre es ein Märchenschloss."
Weiße Pracht oder Weiße Gefahr?
Gefahr. Ungern-Sternbergs Männer waren schlecht gegen die Kälte des mongolischen Winters gewappnet. Manche von ihnen trugen nicht einmal Schuhe, sondern hatten nur Lumpen um ihre Füße gewickelt. Ungern nutzte die Kälte außerdem, um Männer zu bestrafen, wenn er sie beispielsweise eine Nacht lang nackt auf einem zugefrorenem See verbringen ließ.
So liest sich das
"Auspeitschen war die direkteste von Ungerns Bestrafungsmethoden. Seine Grausamkeit verfügte jedoch über eine ganze Bandbreite von Mitteln, etwa eine besondere Lust an Folterungen, die mit Bäumen zu tun hatten. Eine solche Strafe bestand zum Beispiel darin, den Missetäter zu zwingen, auf einen hohen Baum zu steigen und dort die ganze Nacht zu bleiben. Diejenigen, die diese ‚akrobatische Farce‘ nicht durchhielten und herunterfielen, brachen sich Arme und Beine und wurden erschossen, da sie nun nur noch überflüssige Esser wären."
Ewiges Eis oder Tauwetter?
Ewiges Eis. Ungern-Sternberg und seine Männer waren furchtbar und grausam, und doch stellt sich im Buch heraus, dass sie nur die Vorboten der Grausamkeiten waren, die das kommunistische Regime noch über die Bevölkerung bringen sollte.
Hugo Pratt
Und das lernen wir daraus
In der Geschichte gab es noch vielmehr Verbrechen und Gemetzel, als wir ahnen. Viele davon sind in Vergessenheit geraten oder werden in unseren Geschichtsbüchern beiseitegelassen.
Ist wärmstens zu empfehlen für
Leserinnen und Leser, die sich für Geschichte oder für Biographien interessieren. Allzu zart besaitet sollte man allerdings nicht sein, bei all den Quälereien und Foltermethoden, die James Palmer in "Der blutige weiße Baron" beschreibt.