Erstellt am: 6. 1. 2011 - 14:29 Uhr
"Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche"
Die 32-jährige Autorin Alina Bronsky, die für ihr Debüt "Scherbenpark" - eine Coming-Of-Age Geschichte - vor zwei Jahren von der Kritik hoch gelobt wurde, führt ihren Erfolgskurs mit ihrem zweiten Roman fort. "Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche" erzählt unterhaltsam und flapsig von drei Frauen auf der Suche nach Glück und Unabhängigkeit. Rezepte finden sich in dem Buch, das 2010 für den Deutschen Buchpreis nominiert war, aber keine.
KiWi Verlag
Der Schnee fällt in:
Zuerst in Russland, dann in Westdeutschland.
Der erste Satz mit Schnee:
„Ich ließ das Pulver einrieseln und verrührte es mit dem abgebrochenen Stiel einer Schneeschippe.“ (Seite 11)
Darum geht’s:
Um die Ich-Erzählerin Rosalinda und ihre kleine Familie, die im Russland der 70-er Jahre lebt - in einer Zeit, die von Wohnungsknappheit und Versorgungsengpässen, Schlangestehen und Korruption geprägt ist. Die unbarmherzige Frau herrscht wie ein Diktator über ihre Tochter Sulfia, die ihr nichts recht machen kann, über ihre Enkelin Aminat, die sie zu erziehen und formen versucht und ihren kleinlauten Ehemann Kalganow, der sie schließlich verlässt, um dann doch wieder zu ihr zurückzukehren. Psychoterror und grausame Abhängigkeiten dominieren die Geschichte, die nach knapp zweieinhalb Jahrzehnten im Nachwende-Deutschland endet. Dort soll ein pädophiler Kochbuchautor den drei Generationen an Frauen als Sprungbrett in ein besseres Leben herhalten. Doch statt Luxus und Familienglück wartet auf Rosalinda nur noch die Einsamkeit.
So liest sich das:
"Ich zog mich an, nahm meine Skier und ging allein zum Lift. Ich war genauso elegant und sicher wie die arroganten Weiber, die jedes Jahr hierherkamen und sich ihre verspiegelten Sonnenbrillen in die Stirn schoben. Oben angekommen, glitt ich mit sicheren Parallelschwüngen dem Vordermann hinterher. Unter mir war alles weiß, um mich herum auch. Dann merkte ich, dass auch über mir alles weiß war."
Ewiges Eis oder Tauwetter?:
Neuschnee - Bücher wärmstens zu empfehlen. Alle auf einen Blick.
Eindeutig ewiges Eis. Die Beziehungen zwischen den drei Frauen sind stets von Gefühlskälte geprägt, dass es einem beim Lesen immer wieder kalte Schauer über den Rücken jagt. Die Ich-Erzählerin ist so unerbittlich, dass man selbst, als sie einen Hauch von Menschlichkeit erkennen lässt, keine Sympathie mehr für sie empfinden kann.
Und das lernen wir daraus:
Es ist nicht alles Gold was glänzt. Obwohl Rosalinda nach außen hin immer gut gekleidet, gepflegt und überaus freundlich wirkt, ist ihr Herz kalt wie eine Eisscholle in der Antarktis.
Ist wärmstens zu empfehlen für:
Hungrige LeserInnen mit starkem Magen und einer Vorliebe für verkorkste Familien. Und LeserInnen, die auf Sowjet-Tristesse und DDR-Charme stehen.