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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

5. 1. 2011 - 13:52

Heiraten

Meine Mutter sagte mir neulich, dass es endlich Zeit wäre eine Österreicherin zu heiraten.

Schließlich sei ich schon vier Jahre in Wien und 24 Jahre alt. Ich müsse also einen Weg finden, um meiner Familie in Sofia Geld zu schicken, denn es sei mehr als unfair, von meinen Eltern finanzielle Unterstützung zu verlangen. Das Gehalt meines Vaters als Professor an der Sofioter Filmakademie sei dreimal niedriger als das eines österreichischen Supermarktverkäufers. Ich dürfe hier nicht legal arbeiten, deshalb solle ich schnell einen Weg finden, um Geld verdienen zu können. Viele bulgarische Männer und Frauen verlassen ihr Heimatland mit dem Ziel, durch das Heiraten zu den gleichen Rechten wie die Westeuropäer zu gelangen.

Ich bin nicht prinzipiell gegen das Heiraten. Vielleicht werde ich doch irgendwann einer der Idioten sein, die es im 21. Jahrhundert immer noch machen. Oder wer weiß, es könnte sogar ein Hobby von mir werden und ich werde zum Nachfolger von Elisabeth Taylor. Ich weiß aber nicht, wie ich eine Braut finden soll. Ich kenne mich mit Landwirtschaft nicht aus und werde bei „Bauer sucht Frau“ sicherlich nicht aufgenommen. Ich bin nicht außerordentlich stark und muskulös, also habe ich ziemlich schlechte Karten, wenn ich der Balkanlover einer österreichischen MILF werden will. Ich kann kein Auto fahren, besitze keine Immobilien, kann kein Musikinstrument spielen und bin auch kein exotischer Latino.

Ich habe mir noch nie in meinem Leben vorgestellt, dass ich irgendwann heirate. Ich war bisher auf einer einzigen Hochzeit in meinem Leben und so etwas will ich mir eigentlich nie antun. Mein Freund Peter aus Gabrovo, ein Städchen am Rande des Balkans, heiratete eine Halb-Amerikanerin/Halb-Kärtnerin in Wien. In dem Restaurant, wo die Hochzeitsfeier stattfand gab es zwei große Tische. Auf dem einen saßen wir, die Gäste des Bräutigams, alles dunkle Balkansubjekte. Auf dem anderen die Gäste der Braut, ihre Bio-Familie aus Kärnten. Das Familienoberhaupt, Onkel Christian, der bei der Hochzeit aus der Bibel vorlas, fragte mich aus, ob wir in Bulgarien Waschmaschinen haben. Dabei habe ich mein schönstes Hemd angezogen und alles getan, um nicht schlecht zu riechen. Nach dem dritten Glas Wein drehte Onkel Christian laute Schlagermusik auf und tanzte mit allen seinen Töchtern, Nichten und sämtlichen weiblichen Hochzeitsgästen. Dabei begrapschte er sie die ganze Zeit am Arsch.

Wenig später sind Peter und seine Frau nach Amerika gezogen. "Weißt du was", sagte mir Peter kurz vor ihrer Abreise: "In Amerika bin ich ein Europäer und in Österreich ein Tschusch".