Erstellt am: 5. 1. 2011 - 11:02 Uhr
Zurück in die Zukunft
Transformers: Dark of the Moon - US-Start: 1. Juli 2011
Wer jetzt meint, alles wird anders, der hat wie immer Unrecht. Allen Bleigießungen und segensreichen Versprechen an sich zum Trotz, wellt das Leben und damit auch das Kino weiterhin vor sich hin. Alle Jahre wieder, stellen dann die großen Filmindustrie-Gazetten einen Menüplan für die Zukunft zusammen und bebildern ihn hübsch großflächig: Aber, zum Glück für uns und die Kunst im Allgemeinen, wird sich das Kino auch 2011 allen medienstrategischen Feuchtträumen zum Trotz nicht an dummdreistem Maschinenkino der Marke Transformers: Dark of the Moon messen lassen müssen. Zwischen den vorgefertigten Release-Rastern, da schlummern wieder zukünftige Klassiker, Filme, die uns mitreißen, durch die Luft schleudern, an Wänden entlang schleifen, insgesamt also brutzelnd unterhalten werden. Und dann wird es auch wieder die geben, die man trotz penibler Recherche zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausfindig machen kann, weil das Kino, aller langzeitlichen Planung, Finanz- und Risikooptimierung zum Trotz, so launenhaft bleibt wie alles andere auch: eine unruhige See, aus der urplötzlich und unerwartet die schönsten und schrecklichsten Monster kriechen können. Das ist vielleicht das Aufregendste an jedem neuen Kinojahr: das Wissen um die Schlummernden, das Nichtwissen, wer oder was sie sind.
Them! (Again!)
Battle: Los Angeles - US-Start: 11. März 2011
Vorerst kümmern wir uns aber mal um die Vorhersehbaren; und ich will mich bemühen, einige Bewegungsabläufe der Filmindustrie im Jahr 2011 darzustellen. Ein Genre jedenfalls, das wird sich zurück in die Gegenwart und mitten ins Aufsmerksamkeitszentrum katapultieren: die Science-Fiction. Nachdem es außerhalb von Emmerichs autark gesteuertem Desasterraumschiff und allfälligen Neuverfilmungen still geworden ist um die unzähligen Universen da draußen, feiert das Kino im kommenden Jahr einen Weltenkrieg der Sorte „Boah Ey!“ So meine ungefähre Reaktion auf die bisher veröffentlichten zwei Trailer zu Jonathan Liebesmans Battle: Los Angeles, einem Actionthriller, der die hinreichend bekannten Invasionsbilder von außerirdischen Fortbewegungsmitteln in der Erdatmosphäre mit der Wackelkameraintensität von Neil Blomkamps District 9 zu kreuzen scheint.
ET
Super 8 - US-Kinostart: 10. Juni 2011
Paul - US-Kinostart: 18. März 2011
Während ich mir die Frage, ob ich mich tatsächlich auf den neuen Film des Regisseurs von The Texas Chainsaw Massacre: The Beginning freuen soll, noch auf der Zunge zergehen lasse, schüttet mein Körper schon nostalgische Glückshormone aus. Super 8: so nennt sich das neue Geheimprojekt (what else?) von Hollywoods verspieltem Wunderknaben J.J. Abrams: nach seiner geglückten Wiederbelebung von Star Trek hat sich Mr. Lost jetzt mit seinem erklärten Vorbild Steven Spielberg verbündet, um ein Tribut an dessen Frühschaffensphase zu fertigen. Von der Geschichte ist natürlich noch kaum etwas durchgesickert: allerdings beobachtet man im von Schatten überwältigten Trailer einen Zug beim Entgleisen, woraufhin die Kamera auf die Ladetür eines Waggons hält, die von innen ausgebeult wird. Was genau darin transportiert worden ist, wird man erst nach Kinostart erfahren, aber es wird mit ziemlicher Sicherheit kein Paul sein. So heißt der neue Film von Greg Mottola, in dem der Adventureland-Regisseur die britischen Kult-Geeks Simon Pegg und Nick Frost als SF-Fans nach UFOs suchen und ein sympathisches Alien namens Paul (mit der Stimme von Seth Rogen) finden lässt.
www.flicksandbits.com
Geek Central
The Green Hornet - US-Start: 14. Jänner 2011
Green Lantern - US-Start: 17. Juni 2011
Cowboys & Aliens - US-Start: 29. Juli 2011
Nachdem sich die vormalige Außenseitergemeinschaft der orthodoxen Comic-Fans im Verlauf der letzten fünf Jahre erfolgreich und unumstößlich ins Herz der einst so überheblichen Traumfabrik vorgearbeitet hat - oder von derselben aufgesaugt worden ist -, lauern auch 2011 etliche Adaptionen von Graphic Novels auf die Zuschauer. Während mich The Green Hornet, der erste Blockbuster vom französischen Eigenbrötler und Handarbeiter Michel Gondry und Green Lantern kaum anrührt, verzaubert mich der angewandte Anachronismus von Cowboys & Aliens durchaus. Wie geil Hollywood auf dieses High Concept-Abenteuer, in dem Mitte des 19. Jahrhunderts Cowboys gegen einfallende und durchaus totalitär gestimmte Außerirdische kämpfen müssen, ist, lässt sich so veranschaulichen: zum einen sind die Rechte an der Graphic Novel gute 10 (!) Jahre (!) vor deren Veröffentlichung, basierend auf einer Konzeptskizze, gekauft worden. Und zum anderen schmücken teure Edel-Akteure von Daniel Craig bis Harrison Ford die Produktion.
Hammer & Hunde
Thor - US-Start: 6. Mai 2011
The Adventures of Tintin: The Secret of the Unicorn - US-Start: 28. Dezember 2011
Shakespeare-Exeget Kenneth Branagh hingegen will in seiner Adaption von Thor Feingeist mit Spektakelgewalt versöhnen und verspricht eine mit Kalibern von Anthony Hopkins bis Natalie Portman bestückte, sehr wahrscheinlich mythenschwangere Erzählung des antiken Marvel-Helden und wie er die Erde vor ihrem drohenden Untergang bewahrt. Das größte Comic-Spektakel des Jahres, das verantwortet allerdings niemand geringer als Steven „The Beard“ Spielberg: Seitdem vor vielen, vielen Äonen durchgesickert ist, dass der mitunter einflussreichste Filmemacher des Gegenwartskinos Hergés ganze Generationen prägende Tintin-Comics fürs Kino adaptieren will, gingen die Wogen hoch. Und seitdem vor ungefähr zwei Jahren bekannt geworden ist, dass das Ganze (danke James Cameron!) als Motion-Capture-Animationsabenteuer, einmal gesteuert von Kapitän Spielberg, ein zweites Mal von Maat Peter Jackson, über die Bühne gehen soll, schlug den Kreativen eine Welle der Entrüstung entgegen: von Kindheitsvergewaltigung (hallo, George Lucas) hin zu künstlerischem Ausverkauf reichten die Anschuldigungen. Spielberg scheint das Projekt hingegen gut zu Gesicht stehen: obwohl er als Regisseur für gewöhnlich altmodische Trickkisten bevorzugt, vereinen sich in The Adventures of Tintin: The Secret of the Unicorn viele seiner Leitmotive, vom "Follow your Dreams!"-Schmalzteppich über die Abfeierung ungewöhnlicher Schicksalsfreundschaften hin zur "Tongue in Cheek"-Kinetik seiner früheren Abenteuerschinken.
Amblin
Something old, something new
Pirates of the Caribbean: On Stranger Tides - US-Kinostart: 20. Mai 2011
Harry Potter and the Deathly Hallows Part 2 - US-Kinostart: 15. Juli 2011
The Twilight Saga: Breaking Dawn Part 1 - US-Kinostart: 18. November 2011
Rise of the Apes - US-Kinostart: 24. Juni 2011
Dass man aus Versatzstücken der Vergangenheit etwas Neues baut, oder dass man besonders erfolgreiche Vergangenheiten wieder aufleben lässt, ist eine etablierte und für gewöhnlich erfolgreiche Strategie im künstlerischen Schaffen. Auch 2011 lässt Hollywood sein Fortsetzungs- und Remake-Fließband in Höchstgeschwindigkeit weiterlaufen und serviert uns neben dem aller Voraussicht nach unnötigen vierten Pirates of the Caribbean-Abenteuer, dem finalen Duell zwischen Harry Potter und seiner Nemesis Voldemort und dem Anfang vom Twilight-Ende noch etliche weitere Restlessen-Gänge. Als Appetithappen empfiehlt sich Rise of the Apes, der mittlerweile zweite Rebootversuch der so außergewöhnlichen wie wechselhaften SF-Filmreihe aus den Siebziger-Jahren. Niemand geringerer als der erhabene James Franco gibt darin einen Wissenschaftler im gegenwärtigen San Francisco, der mit den Auswirkungen der menschlichen Gen-Forschung zu kämpfen hat – was dann wiederum, so munkelt man, die Geschichte der alten Filmreihe in die Gänge bringt.
Shock & Awe
Fright Night - US-Kinostart: 19. August 2011
The Thing - US-Kinostart: 14. Oktober 2011
Scream 4 - US-Kinostart: 15. April 2011
Happy Feet 2 - US-Kinostart: 18. November 2011
Komödienregisseur Craig Gillespie reicht mit Fright Night die Vorspeise: seine Neuverfilmung der großartigen Mittachtziger-Horrorkomödie, in der ein Fanboy von seinem vampirischen Nachbarn drangsaliert wird, ist bestückt mit Anton Yelchin, Christopher Mintz-Plasse und Toni Collette. Der Hauptgang schließlich, der kann nur einer Produktion gehören: der bis dato unauffällige Niederländer Matthijs van Heijningen Jr. spendiert John Carpenters mit Bahn brechenden Spezialeffekten von Guru Rob Bottin ausgestattetem SF-Horrorthriller The Thing (der wiederum auf Howard Hawks’ und Christian Nybys 50er-Jahre-Schocker The Thing from Another World basiert) eine Vorgeschichte, die, um die Verwirrung komplett zu machen erneut The Thing heißt. Für mehr Klarsicht empfiehlt sich ein Grappa namens Scream 4, in dem sich Horrormeister Wes Craven ein viertes Mal seiner ikonischen, postmodernen Serienkillerreihe widmet, gefolgt von einem Dessert, wie es süßer und besser nicht sein könnte: bevor der australische Wunderregisseur George Miller seine ikonische Mad Max-Reihe rebootet, erzählt er die Geschichte der tanzwütigen Pinguine in Happy Feet 2 weiter.
Meisterklasse
The Tree of Life - US-Kinostart: 27. Mai 2011
Hugo Cabret - US-Kinostart: 9. Dezember 2011
Don't Be Afraid of the Dark - US-Kinostart: tba
The Cabin in the Woods - US-Kinostart: tba
Alle, die ob der generischen Qualitäten fast aller oben genanten Filme erschaudern, dürfen sich auch auf etliche Arbeiten von etablierten und verehrten amerikanischen Autorenfilmern freuen. Allen voran steht The Tree of Life der eigentlich schon im letzten Jahr erwartete neue Film von Renegat Terrence Mallick, den er für seine Verhältnisse fast schon beunruhigend rasant fertig gestellt hat. Die Handlung ist in den USA der Fünfziger Jahre angesiedelt und erzählt die Geschichte dreier Brüder. Nicht weniger bilderstürmend wird es in Martin Scorseses Romanverfilmung Hugo Cabret zugehen: nicht nur wendet sich der vielleicht außergewöhnlichste amerikanische Regisseur der Gegenwart damit erstmals dem Genre des Kinderabenteuers zu, nicht nur schwelgt er in opulenten Kostümen und einer verzückenden Ausstattung, nicht nur werden uns darin wieder Kamerafahrten das Staunen lehren, nein, es ist der erste Film des Maestros seit guten zehn Jahren ohne Leonardo DiCaprio und sein erster überhaupt in 3D. Dass auch Produzenten im übertragenen Sinne Autoren eines Films sein können, das sollte spätestens seit den Mittvierziger-Schattenspielen von Val Lewton bekannt sein: Im neuen Jahr serviert Geek-CEO Guillermo Del Toro den von ihm produzierten Schocker Don’t Be Afraid of the Dark, während sein Kollege Joss Whedon die Horror-Gemme The Cabin in the Woods nicht nur übersieht, sondern auch verfasst hat.
Absurdistan
The Beaver - US-Kinostart: 8. April 2011
Spy Kids 4: All the Time in the World - US-Kinostart: 19. August 2011
The Three Musketeers - US-Kinostart: 14. Oktober 2011
The Smurfs - US-Kinostart: 03. August 2011
A Very Harold & Kumar Christmas - US-Kinostart: tba
Filmen soll man für gewöhnlich mit Ernsthaftigkeit und Respekt begegnen. Immer wieder aber kredenzt die Traumfabrik so verstiegene Ausgeburten der menschlichen Vorstellungskraft, dass man sich davor unter dem Bett verstecken will. Oft ist es aber besser, sich zwecks Bewusstseinserweiterung derartigen Halluzinogenen auszusetzen: den Anfang macht gleich „Ze Führer“ (wie ihn Brüno nennt) vulgo Mel Gibson (wie wir ihn nennen), der nach seinem letztjährigem Imagedesaster in Jodie Fosters jüngster Regiearbeit The Beaver einen psychisch angeschlagenen Mann (check!) spielt, der sich zwecks Autotherapie eine Biber-Handpuppe über den Arm stülpt: fortan kommuniziert er via Plüschprothese mit seiner Umwelt. Wenn das mal keine guten Aussichten sind. Ähnliches Demenzpotenzial orte ich im vierten Teil von Robert Rodriguez’ knatterbunter Spy Kids-Reihe sowie in Paul W.S. Andersons 3D-Neubearbeitung von The Three Musketeers, immerhin mit Christoph Waltz und Mads Mikkelsen außergewöhnlich besetzt. Den Vogel schießt allerdings der ehemalige Doogie Howser und nunmehrige How I Met Your Mother-Star Neil Patrick Harris ab: nicht nur spielt er neben Hank Azaria (Where have you been!?), Alan Cumming (als Gargamel!) und Katy Perry (!) in der bevor stehenden 3D-Realfilm-Adaption von The Smurfs (WAH! WAH!), sondern auch noch – erneut! – sich selbst im dritten Teil der Harold & Kumar-Stonerfilme – und das, obwohl er im zweiten Film gestorben ist!
Hollywood Ending
So weit, so viel Hollywood. Eh klar, dass das nicht alles gewesen sein kann und dass der geneigte cinephile Leser auch über den Tellerrand blicken will und muss. All das und noch viel mehr wird uns jedenfalls 2011 beschäftigen: Es sollte kein allzu schlechtes Jahr werden.