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Conny Lee

Prokrastinative Hinterstübchen des Alltags

30. 12. 2010 - 04:03

FM4 Jahrbuch - Menschen 2010

Im Proberaum von Sir Tralala, der mit bürgerlichem Namen David Hebenstreit heißt. Er spricht über seine Musik, existenzielle Nöte und die Grenze zwischen realer Person und Kunstfigur.

Diese Sendung ist 7 Tage als Stream on demand abrufbar.

Sir Tralalas Musik bewegt sich an Grenzen entlang und erforscht sie dabei. Auf seinem letzten Album „Escaping Dystopia“ findet man H.C. Artmann-ähnliche Texte, eine Franz Schubert-Bearbeitung, dunkle James Bond-Zitate oder ein Musikstück, das aus über 100 Tonspuren besteht und dem Begriff Opus genüge tut. Und als Rückenmark dieser Musik und der Texte dient Sir Tralalas Stimme, die in jedem Moment von rauh und rockig zu gefühlvollem Tremolo übergehen kann.

Auf der Bühne war Sir Tralala schon in japanischer Schulmädchenuniform zu sehen oder er tritt seinem Publikum mit Hörnern entgegen. Diese Auftritte komplettieren Sir Tralala als Figur. Hinter der Figur steht der aus Kärnten stammende Wahlwiener David Hebenstreit. Eigentlich hat alles ganz brav angefangen, mit Violin-Unterricht ab 7 und einer klassischen Musikausbildung. Irgendwann begann Hebenstreit dann allerdings auch Gitarre und Bass zu spielen und mit Bands in Bars und auf Biker-Treffen aufzutreten. Mit 19 zog es ihn dann nach Wien. Nach einiger Zeit brach er sein Studium an der Sozialakademie ab und beschloss, die Musik zu seinem Beruf zu machen.

Sir tralala vor einem regal

Conny lee

Von der Musik zu leben ist allerdings kein einfach zu meisterndes Kunststück, in Österreich vielleicht noch mehr als anderswo. Wie in seiner Musik hat Hebenstreit auch privat existenzielle Grenzen kennengelernt.

Diese Musik ist allerdings so schön, als würde sich in der Erde ein Loch auftun und einen mit samt dem Leiden dieses Lebens auf ewig verschlingen, vereinen in einer Apathie des Wunschlosen, vollständiges pränatales Glück, ein Morphium-Substitut für die Ohren.

Oder wie es Robert Zikmund, der das Gespräch mit Sir Tralala führt und eine zeitlang sein Bandkollege bei der Neigungsgruppe war, ausdrückt: „Nach Sir Tralala auf einer Bühne zu singen ist vollkommen zwecklos und wird immer nach hinten losgehen. Mehr Zenit geht nicht.“

Derzeit lebt Hebenstreit in einer kleinen Souterrain-Wohnung, die gleichzeitig auch Büro und sein Aufnahmestudio ist. Von dort aus produziert und komponiert er, veranstaltet einen monatlichen Club im Rhiz, ist DJ, spielt als Solomusiker oder mit diversen Bands zusammen.

Viele bezeichnen ihn als die beste männliche Stimme Österreichs, warum dieser Mann noch kein Superstar ist, können wohl nur die Götter oder Sir Tralala selbst erklären.

Die Grenzen und Unterschiede zwischen Sir Tralala und David Hebenstreit sind dabei schwer auszumachen.

Wir plaudern trotzdem darüber.