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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

29. 12. 2010 - 10:21

FM4 Jahrbuch - Menschen 2010

Florian Zuckerstätter, Jugendsekretär des ÖGB über Gewerkschaftsarbeit in der Wirtschaftskrise, soziale Absicherung und dringend nötige Veränderungen.

Diese Sendung ist 7 Tage als Stream on demand abrufbar.

"Hallo, ich bin der Flo von der Gewerkschaftsjugend." Florian Zuckerstätter begrüßt etwa 100 Jugendliche im Veranstaltungssaal des Österreichischen Gewerkschaftsbunds. Es ist ein großer Tag für Florian, den Jugendsekretär des ÖGB. Einer der jüngsten Verhandlungserfolge der Gewerkschaft wird gerade umgesetzt, die Einführung von JugendvertrauensrätInnen, BetriebsrätInnen für minderjährige Beschäftigte. In Österreich finden deshalb Jugendversammlungen statt, wo Lehrlinge über Aufgaben und Wahl der JugendvertrauensrätInnen informiert werden.

Für die Lehrlinge aus überbetrieblichen Ausbildungsbetrieben werden die Jugendversammlungen im ÖGB-Gebäude an der Donaumarina abgehalten. Viele von ihnen interessieren die Veranstaltung und die Wahlen aber nicht wirklich. Sie hören Florian Zuckerstätter nur mit halbem Ohr zu, wenn dieser versucht, die Gesetzestexte in eine verständliche Sprache zu bringen.

Heutzutage GewerkschafterIn zu sein, ist nicht einfach. Die Erfolge der Gewerkschaft erscheinen vielen als selbstverständlich, egal ob die Einführung von JugendvertrauensrätInnen, Lohnerhöhungen oder das 13. und 14. Monatsgehalt. Zudem steht in Österreich Gewerkschaftsbashing an der Tagesordnung, und das nicht erst seit der BAWAG-Affäre und der Beinahe-Pleite des ÖGB. Diese Entwicklung schlägt sich auch bei den MitgliederInnenzahlen nieder. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der gewerkschaftlich organisierten ArbeitnehmerInnen von 1,44 Millionen auf 1,22 Millionen Menschen gefallen.

Florian Zuckerstätter

Radio Fm4

Florian Zuckerstätter tritt diesem Trend am wahrscheinlich wichtigsten Schauplatz entgegen. Als Bundesjugendsekretär des ÖGB vertritt er die Anliegen von jungen Menschen, egal ob sie Lehrlinge, SchülerInnen, StudentInnen oder bereits im Berufsleben sind. Auch an diesem Tag versucht er die Jugendlichen zum Beitritt zur Gewerkschaft zu bewegen.

Zuckerstätter selbst, der mittlerweile 30 ist, hat sich schon während seiner Ausbildung zum Instrumentenbauer an der HTL Hallstatt für Gewerkschaftsarbeit interessiert. Nach der Schule wurde es ihm in Österreich aber zu eng und er ging für einige Zeit nach New York. Erst dort lernte er das soziale Netz, das in Österreich existiert, zu schätzen. Als er aus den USA zurückkam, begann er aktiv in der Gewerkschaft zu arbeiten. Mittlerweile ist Florian in eine leitende Position aufgestiegen. Als „stressig“ und „lang“ bezeichnen seine MitarbeiterInnen seine Arbeitstage. Abzuschalten fällt ihm schwer.

Das Berufliche vom Privaten zu trennen ist für Florian nicht so einfach. Er ist durch und durch ein politischer Mensch und er versucht auch in der Freizeit Menschen von seinen Werten und Standpunkten zu überzeugen, Gerechtigkeit steht dabei im Mittelpunkt. Eigentlich sollte er es dabei heuer nicht allzu schwer haben, hat doch gerade die Wirtschaftskrise die ungleiche Verteilung des Wohlstands in Österreich noch einmal verschärft. Doch in Zeiten der Globalisierung ist der Kampf um mehr Verteilungsgerechtigkeit international, und auf dem internationalen Parkett hätte das Kapital gegenüber dem Menschen einen Vorteil, wie Florian Zuckerstätter meint, es sei flexibler.

Doch Florian ist keiner, der gerne aufgibt. Was er aus den Vereinigten Staaten mitgebracht hat, ist der Wille, etwas in Angriff zu nehmen. In seinem Büro hat er ein weiß-rot-blaues Plakat aufgehängt, das ihm zur Inspiration dient. Es zeigt Barack Obama und trägt den Schriftzug „Change“. Passend dazu hängt an der gegenüberliegenden Wand ein Schaubild dessen, was es zu verändern gilt, das österreichische Schulsystem, das Ungerechtigkeiten erzeuge und Defizite festschreibe. Und damit kann sich Florian nicht abfinden, denn Chancengleichheit ist für ihn ein Muss.