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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

29. 12. 2010 - 01:33

Straße der Verdammnis

Hass, Angst, Liebe: Mit dem Endzeitepos "The Road" nähern sich Regisseur John Hillcoat und Komponist Nick Cave wieder einmal extremen Emotionen.

Komödiantische Brüche und ironische Oneliner findet man in den Filmen von John Hillcoat eher kaum. Den mittlerweile 49-jährigen Australier interessiert es nicht, dem Zuschauer mit auflockernden Momenten zu signalisieren, dass ohnehin alles nicht so schlimm ist.

Ganz im Gegenteil, die Lage in Hillcoats brutalen filmischen Szenarien ist meistens hoffnungslos. Menschen prallen in Extremsituationen aufeinander, in denen der Lack der Zivilisation schnell abblättert, bis nur mehr ein Fundament roher Emotionen übrig bleibt.

Im Gegensatz zu manchen Regiekollegen ist John Hillcoat aber weder ein intellektueller Sadist, der es genießt, seinen Figuren beim Scheitern zuzusehen, noch ein kühler Analytiker. Mit Empathie und in seinen späteren Filmen auch Anteilnahme blickt er den armen Seelen beim Sprung in den Abgrund zu.

Hillcoats Karriere startete in den achtziger Jahren als Musikvideoregisseur für befreundete Dunkelmännercombos wie Nick Cave & The Bad Seeds und Einstürzende Neubauten. Die Musiker dieser beiden Bands sorgten auch gleich für den minimalistisch-gespenstischen Soundtrack für sein gespenstisches Regiedebüt "Ghosts... Of The Civil Dead", anno 1988.

Ghosts...Of The Civil Dead

Outlaw Values

Abseits jeglicher Hollywood-Knastromantik zeigt John Hillcoat ein Hochsicherheitsgefängnis in der australischen Wüste als Sinnbild der modernen Hölle. Untermalt von Muzakklängen und weißem Rauschen vegetieren die Gefangenen in einer sterilen Monotonie dahin, nur ab und zu wird die bohrende Langeweile von harten Gewaltausbrüchen zerrissen.

Als amoklaufender Irrer, der rassistische Sprüche ausspuckt, ist in "Ghosts... Of The Civil Dead" der junge Nick Cave zu sehen, dessen damalige (und heutige) Musik konsequent um ähnliche Themen wie Hillcoats Filme kreist. Es geht um ein Gebräu aus Hass, Angst und Liebe, die inmitten der Düsternis aufblitzt, aber oft wieder erlischt.

Nach der eisigen Stimmung seines Erstlingsfilms erforscht der Regisseur im verschwitzten Dschungel-Melodrama "To Have And To Hold" (1996) obsessive Zuneigung. Natürlich löst sich bei der Story um einen älteren Mann, der ein Double seiner verstorbenen Frau trifft, nichts in Wohlgefallen auf, zu den Klängen von Cave, Blixa Bargeld und Mick Harvey versinken die Protagonisten in einem Strudel aus verheerenden Projektionen und zunehmendem Wahn.

Zwischen seinen Kinoarbeiten lässt sich Leinwandrebell Hillcoat viel Zeit. Er dreht Musikvideos für Acts wie Placebo, Suede, Depeche Mode, Alec Empire oder Muse, die oft eine dunkle Energie verstrahlen. Die Clips sorgen für ein regelmäßiges Einkommen und sind auch handwerkliche Fingerübungen für den Regisseur.

The Proposition

Tartan Films

Beinahe ein Jahrzehnt vergeht, bis 2005 Hillcoats bisheriges Meisterstück anläuft. "The Proposition" (2005) erinnert an die eindringlichen Anti-Western von Großmeister Sam Peckinpah.

Guy Pearce ("Memento"), und der britische Star Ray Winstone ("Sexy Beast") treffen als Outlaw und Gesetzeshüter in der australischen Wildnis aufeinander. Der Sheriff bietet dem gesuchten Kriminellen Charlie einen Deal an: Nur wenn er seinen durchgedrehten Bruder tötet, der vom Erdboden verschluckt scheint, entgeht er selber dem Henker.

Hinter den Kulissen treffen bei dem Projekt alte Freunde aufeinander: Nick Cave schreibt das Drehbuch und zusammen mit Warren Ellis auch die Filmmusik zu diesem bluttriefenden und existentialischen Epos um Schuld und Sühne.

Die beiden Musiker holt sich John Hillcoat auch an Bord, als er sich, durch das euphorische Feedback auf "The Proposition" angestachelt, an sein bisher aufwändigstes, schwierigstes Werk macht. Literaturverfilmungen sind an sich schon diffizile Unterfangen, aber wenn man wie im Fall von "The Road" eines der zwingendsten Bücher eines Ausnahmeschreibers in Bilder verpacken will, wird es richtig kompliziert.

The Road

Constantin Film

Der 1933 geborene Cormac McCarthy ist die Antithese zu gefälligen Gegenwartsautoren. Seine Romane bringen in lakonischen, oft auf das Notwendigste reduzierten Sätzen die menschliche Befindlichkeit schonungslos auf den Punkt.

In seinem bislang letzten Buch "The Road" erzählt uns McCarthy vom Untergang der Welt, verursacht durch eine ungenannt bleibende Katastrophe. Und er berichtet, wie die letzten Überlebenden im Kampf um Nahrung und Unterschlupf zu Bestien werden.

Trotz aller Härte und dauerhafter Finsternis geht es in "The Road" vor allem um Gefühle. Ein Vater und sein kleiner Sohn wandern durch die Ruinen der Zivilisation und klammern sich an winzige Hoffnungsschimmer. Was bleibt von all unseren Regeln und Gesetzen, fragt McCarthy den Leser, woran können wir uns in äußerster Verzweiflung noch anhalten?

The Road

Constantin Film

Die erschütternde Sprache des Buchs entzieht sich dem Kino. John Hillcoat wagt dennoch eine filmische Übersetzung und setzt dabei auf ein kongeniales Team. Viggo Mortensen, der in Filmen von David Cronenberg seine Intensität enthüllte, brilliert als sturer Vater, der sein Kind um jeden Preis beschützen will, an seiner Seite agiert der beeindruckende Newcomer Kodi Smit-McPhee, in Rückblenden taucht Charlize Theron als Mutter auf.

Trotz aller Ambition und dem persönlichen Segen des strengen Cormac McCarthy zeigt sich das uralte Buch-als-Film-Dilemma aber auch bei "The Road" schmerzhaft. Das unerträgliche Grauen der Vorlage lässt sich nicht in filmische Schreckensszenarien übersetzen, obwohl es John Hillcoat wirklich versucht.

Vergisst man allerdings den Roman zwei Stunden lang oder hat ihn ohnehin nicht gelesen, bleibt ein elegisches Apokalypse-Epos, das unter die Haut geht.

Wie schwierig die Situation these days für Filmemacher ist, die den Brückenschlag zwischen radikalen Ansätzen und einem breiterem Publikum versuchen, thematisiert John Hillcoat seither in vielen Interviews. Allerdings ohne zu jammern. Stattdessen versucht der Australier sein nächstes Projekt auf die Beine zu stellen, das Südstaatendrama "The Wettest County In The World". Es wird wohl wieder keine leichte Kinokost werden.

The Road

Constantin Film