Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Silent Night, Deadly Night"

Christian Stiegler

Doktor für grenzwertiges Wissen, Freak-Shows und Musik, die farblich zu Herbstlaub passt.

28. 12. 2010 - 13:18

Silent Night, Deadly Night

Wie der Weihnachtsmann die unartigen Kinderchen bestraft. Horrorfilme für und über das Fest der Liebe, Teil 2.

"Yes, Virginia, there is a Santa Claus. He exists as certainly as love and generosity and devotion exist, and you know that they abound and give to your life its highest beauty and joy."
(Francis P. Church: "Is There a Santa Claus?")

Weihnachtshorrorfilme auf fm4.orf.at:

Weihnachtshorrorfilme in FM4 Connected (15-19 Uhr):

  • 25.12.: Teil 1: Rare Exports
  • 27.12.: Teil 2: Euro-Schocker
  • 28.12.: Teil 3: Killing Santas
  • 29.12.: Teil 4: On A Christmas Eve

Ein großartiger Film wie "Bad Santa" ist ein wichtiger Gegenpol zum populären Mythos des Weihnachtsmannes. Die pöbelnde, zynische und ständig verärgerte Performance des Kaufhaus-Weihnachtsmannes Willie Soke (brilliant: Billy Bob Thornton), in der er kleine Kinder beschimpft, bespuckt und von seinem Schoß stößt, ist ein Klassiker der Ugly-Santa-Movies. Und für den Zuschauer ist es ein Riesenspaß, weil hier eine fast unnahbare Figur durch den Kakao gezogen wird.

Weitaus weniger spaßig geht der Horrorfilm mit Santa Claus um. Wie so oft ermöglicht dieses Genre, die tiefsitzenden gesellschaftlichen Mythen aufzubrechen und zu verkehren. Eine Figur wie der Weihnachtsmann bietet sich dafür perfekt an, ist sie doch mit einer Vielzahl kultureller, sozialer und nicht zuletzt psychologischer Faktoren verknüpft. Als Kind glaubt man entweder an das Christkind oder an den Weihnachtsmann. Aber wehe, einer davon kommt, um einem die Augen auszustechen.

Kindheitstraumata

Horrorfilme zu Weihnachten: Silent Night, Deadly Night

TriStar

Kindern kann man schon richtig Angst machen, wenn man ihnen androht, dass der Weihnachtsmann keine Geschenke bringen wird. Der Weihnachtsmann ist damit genauso viel Symbolfigur des weihnachtlichen Schenkens und der Nächstenliebe, wie er Repräsentant des Konsumismus ist.

Obwohl Santa Claus nicht, wie oft verbreitet, auf die Idee eines Getränkeherstellers zurückgeht, sondern vielmehr auf literarischen Überliefungen beruht, sieht man vor allem in Einkaufszentren und auf Einkaufsstraßen immer die gleiche Inszenierung: ein dicklicher, alter Mann mit langem weißem Bart in einer roten und mit weißem Pelz besetzten Kutte. Der Weihnachtsmann hat trotz regionaler Unterschiede einen extremen Wiedererkennungswert - wie kaum eine andere Figur des populären Mythos.

Menschen lassen sich aber allzu gern von Kostümen und Inszenierungen blenden und daher verwundert es nicht, dass in "Silent Night, Deadly Night" (1984) Familie Chapman auf der Heimreise von ihrem Opa anhält, um einem Mann im Weihnachtskostüm bei einer Autopanne zu helfen. Santa Claus führt Böses im Schilde: Er schlitzt den Eltern die Kehle durch. Den kleinen Billy lässt er unberührt, jedoch ist dieser ab nun schwer traumatisiert. Wer könnte es ihm verübeln: Schon sein Großvater hat den Weihnachtsmann so richtig schlecht geredet.

Als Billy Jahre später als Jugendlicher selbst als Weihnachtsmann in einem Kaufhaus arbeiten soll, dreht er vollends durch. Er wird wie der unbekannte Santa Claus seiner Kinderheit zum Serienkiller, um die "naughty children" zu bestrafen. "Silent Night, Deadly Night" löst in den Achtzigern eine wahre Protestwelle aus, weil der Killer in der Gestalt des Weihnachtsmannes auftritt. Die Filmkritiker Siskel und Ebert sprechen sogar von Blutgeld, das mit so einem Film verdient wird. Dem Erfolg des Films schadet es nicht: Es folgen vier Fortsetzungen.

Horrorfilme zu Weihnachten: Christmas Evil

Christmas Evil

Interessanterweise ist "Silent Night, Deadly Night" nicht der erste Film, der die Figur des Weihnachtsmannes als furchterregenden Killer präsentiert. Bereits 1980 wird in "You better watch out" aka "Christmas Evil" eine ganz ähnliche Geschichte erzählt. Der kleine Harry beobachtet seine Mutter beim Liebesspiel mit dem Weihnachtsmann. Was Harry allerdings nicht mitbekommt: Der lüsterne Santa ist eigentlich sein verkleideter Vater.

Vom Gesehenen hochgradig traumatisiert, flüchtet Harry in sein Zimmer und schneidet sich mit den Scherben einer Schneekugel in die Hand. Dieses Trauma verfolgt ihn (wie auch den kleinen Billy) noch Jahre später. Als Erwachsener lebt Harry einen utopischen Traum: In seiner Wohnung verkleidet er sich als Weihnachtsmann, späht Kinder mit einem Fernglas aus und bestraft die unartigen unter ihnen.

Horrorfilme zu Weihnachten: Christmas Evil

Christmas Evil

Das Liebesspiel mit Santa Claus

Regisseur Lewis Jackson legt mit "Christmas Evil" einen Film über ein Kindheitstrauma vor. Und zwar ein weitaus glaubwürdigeres, als es "Silent Night, Deadly Night" einige Jahre später tut. Der kleine Harry macht das, was kein Kind tun sollte: Er will dem Weihnachtsmann auflauern, wenn dieser seine Geschenke bringt. Damit bricht er eine Regel, wofür er auch prompt bestraft wird. Die eigene Mutter beim sexuellen Akt zu beobachten, hat tiefenpsychologische Folgen, deren Ausführung hier zu weit führen würde, aber nur soviel: Das alles in Verbindung mit den Hoffnungen, Träumen und Wünschen, die die Figur des Weihnachtsmannes evoziert, und die unschuldige Kinderseele wird ernsthaft beschädigt. Und in diesem Fall sogar doppelt.

Mythen und Legenden aus aller Herren Länder

Horrorfilme zu Weihnachten: Rare Exports

Agnès b. Productions

Dabei schwingt ohnehin immer eine gewisse Furcht mit, wenn es um den Weihnachtsmann geht. Es ist allerdings eine kalkulierbare Furcht: Wenn man unartig ist, bekommt man von Santa keine Geschenke. Von Augen ausstechen oder Kehle durchschneiden ist da allerdings noch nicht die Rede.

Ähnliche Dinge befürchtet der kleine Pietari im kürzlich erschienenen finnischen Film "Rare Exports: A Christmas Tale" (2010). Dieser basiert auf der finnischen Legende eines Ur-Weihnachtsmannes, den es nach Menschenfleisch dürstet. Als in einem kleinen finnischen Dorf Kinder vermisst und Rentierherden tot aufgefunden werden, blickt nur Pietari durch. Der gehörnte Geselle aus der finnischen Folklore muss zurück sein. Als man dann einen nackten Mann im Wald fängt, scheint das Problem gelöst. Bis man sich entscheidet, diesen Mann den Amerikanern zu verkaufen.

Der finnische Jungregisseur Jalmari Helander hat in den vergangenen Jahren mit seinen YouTube-Filmen "Rare Exports" für Aufsehen gesorgt. Darin sind Männer auf der Jagd nach frei laufenden Weihnachtsmännern: einmal eingefangen, werden sie als rares Exportgut um die Welt geschickt. Ähnliches passiert nun in Kinofilm-Form in seinem Christmas Tale, übrigens endlich auch einmal in einem europäischen Film über den Weihnachtsmann.

Bereits 1989 erzählt etwa der französische Schocker "3615 code Père Noel" von einem kleinen Jungen, der allein im Haus gegen einen psychopathischen Weihnachtsmann kämpfen muss. Ein aktuelles Beispiel kommt aus den Niederlanden: Regisseur Dick Maas erzählt in seinem altmodischen Slasher "Sint" (2010) vom niederländischen Nikolaus Sinterklaas, der zombifiziert und mit monströsen "Black Petes" als Begleitung, durch Amsterdam zieht.

Horrorfilme zu Weihnachten: Santa's Slay

Media 8 Productions

In Amerika geht man mit Santa anders um. Weniger anrührend und poetisch kommt etwa "Santa's Slay" (2005) daher. Dafür erschafft der Film seinen eigenen Mythos. In David Steimans pechschwarzer Horrorkomödie ist Santa eigentlich der einzige Sohn Satans, der sich auf eine Wette mit einem Engel einlässt, und verliert. Nun muss Santa für tausend Jahre den Menschen zu Weihnachten Geschenke bringen und Freude verbreiten. Jetzt sind die tausend Jahre endlich um und Santa darf wieder ein Dämon sein. Passend zum Schauspieler (dem Wrestler Bill Goldberg) schlägt Santa mit derbem Witz um sich und bringt in einem apokalyptischen Gemetzel alles und jeden um, das oder der sich ihm in den Weg stellt. Hasta la vista, baby. Herrlich übrigens die erste Sequenz, in der Santa ein Weihnachtsessen mit prominenter Besetzung stürmt. Es müssen u.a. dran glauben: Fran "die Nanny" Drescher, James Caan, Chris Kattan und Rebecca Gayheart.

Bei so vielen Gräueltaten verwundert es nicht, dass sich mal jemand an dem Mann in der Kutte rächen will. So gesehen in "Don't Open Till Christmas" (1984). In dem britischen Horrorfilm läuft ein Verrückter in den Straßen Londons Amok und bringt alle verkleideten Weihnachtsmänner um, die ihm über den Weg laufen. Wenn Scotland Yard nichts dagegen unternimmt, soll dieser Wahnwitz auch durch Nachahmer zur jährlichen Tradition werden. Killing Santas als Extremsportart sozusagen.

Die Verkehrung einer positiv besetzten Figur, die repräsentativ nicht nur für eine gewisse Zeit im Jahr steht, sondern für ein gesamtes gesellschaftliches Modell, ist im Falle des Weihnachtsmannes im Horrorfilm ganz besonders stark ausgeprägt. Kinder (und ihre Traumata) sind zumeist immer Teil davon. Das gilt sogar für Horrorfilme, die nur am Rande mit dem Weihnachtsmann zu tun haben. Denn selbst Kate aus "Gremlins" trägt ein dunkles Trauma, ausgelöst durch den Tod eines Weihnachtsmannes, mit sich herum. Dass jemand durch das Christkind so einen Schaden genommen hat, ist mir nicht bekannt.

Zum Glück finden solche Weihnachtsmann-Adaptionen nicht nur im Horrorfilm statt. Trotzdem haben sie aber immer irgendwie mit Morden zu tun. Alles nur Zufall? Better be good for goodness' sake.