Erstellt am: 25. 12. 2010 - 18:12 Uhr
Bloody Christmas
Die Bescherung ist vorüber, die Geschenke ausgepackt und nun sitzt man gemütlich bei einem Glas Wein zusammen. Man genießt die Ruhe nach den turbulenten Weihnachtsvorbereitungen. Auf einmal klingelt das Telefon. Der Weihnachtsfrieden scheint durch das Klingeln unterbrochen. Wer ruft bitte gerade an Weihnachten an? Ungeheuerlich sowas. Allerdings ist man bereit für die Fortführung des Weihnachtsfriedens nachzugeben und geht ans Telefon, schließlich erwartet man sich vom Anrufer Glückwünsche zum frohen Fest. Stattdessen hört man etwas ganz anderes.
Weihnachtshorrorfilme in FM4 Connected (15-19 Uhr):
- 25.12.: Teil 1: Rare Exports
- 27.12.: Teil 2: Euro-Schocker
- 28.12.: Teil 3: Killing Santas
- 29.12.: Teil 4: On A Christmas Eve
In "Black Christmas" (1974) steigt ein Unbekannter unbemerkt in ein Wohnheim für Studenten ein, in dem gerade Weihnachten gefeiert wird. Er versteckt sich in einem der Zimmer und ruft in dem Haus an, in dem er sich gerade befindet. Während er am Telefon stöhnt und Obszönitäten von sich gibt, erstickt er eine der Studentinnen mit einem Plastiksack. Die anderen Studenten haben keine Ahnung, dass sie am Telefon gerade Zeuge eines Mordes werden und dass der Täter sich sogar in ihrem Haus befindet. Und das alles gerade an Weihnachten.
"Black Christmas" von Regisseur Bob Clark ist ein Klassiker des Slasher-Films. Dass der Streifen gerade zu Weihnachten spielt, ist die Verkehrung von gesellschaftlichen Mythen und Traditionen, wie sie nur der Horrorfilm zustande bringt. Vom 25.12. bis 29.12. stellen euch Kollege Markus Keuschnigg und ich in FM4 Connected (15-19h) die blutigsten Filme über und für die Weihnachtszeit vor. A bloody X-Mas everyone!
On a Christmas Eve
Weihnachten ist ein Fest des Familiären, des Privaten, des Rückzugs. Anders als etwa der Jahreswechsel, den man mit möglichst vielen (sogar teils unbekannten) Personen als meist großes Massenevent feiert, ist Weihnachten dem eingeschränkten Kreis der Familie vorbehalten. Eindringlinge von außen werden bei der genau ritualisierten Tradition nicht gern gesehen, daher wirkt auch bereits der Telefonanruf in "Black Christmas" wie ein ungeheuerlicher Affront.
Black Christmas
Das Eindringen in private Sphären kennen wir im Slasher-Film durch das Öffnen des Körpers nur allzu gut. Die Anfangssequenz von "Black Christmas" steigert dies noch: In einer subjektiven Kamerafahrt nähert sich die Linse einem verträumten Häuschen, klettert über die Äste eines Baums, blickt verstohlen in ein Fenster im oberen Geschoss, öffnet dieses und dringt in das Haus ein. Die Kamera setzt ihre Fahrt fort, scannt die Wände und die aufgehängten Porträts und wandert die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Da durchleuchtet jemand all jene Elemente der Privatheit, die gerade an Weihnachten nur für ein eingeschränktes soziales Gefüge bestimmt sind. Eine Horrorvorstellung, die übrigens in "Black Christmas" auf einer Mordserie beruht, die sich in den 70ern in Quebec, Kanada um die Weihnachtsfeiertage zugetragen hat.
Die Tat schockiert umso mehr, weil hier die Weihnachtsruhe gestört wird. Mit wackeligen Kameraeinstellungen verunsichert Bob Clark seine Zuschauer und bricht mit den gesellschaftlichen Regeln weitaus erschreckender, als dies 2006 das mehr als schlechte Remake tut.
Bloody Presents
Um Regeln geht es auch in dem wohl berühmtesten Horrorfilm, der an den Weihnachtsfeiertagen spielt: Nicht dem Sonnenlicht aussetzen, nicht nass machen und keinesfalls vor Mitternacht füttern. Wenn man sich an diese Regeln hält, kann einem das flauschige Felltierchen Mogwai als Geschenk durchaus viel Spaß bereiten. Blöd nur, wenn man sich an keine einzige dieser Regeln hält. Und so passiert es in "Gremlins" (1984), dass Billy das Geschenk seines Vaters (das der übrigens aus den mysteriösen Untiefen Chinatowns hat) zwar zu schätzen weiß, die Regeln aber trotz größter Sorgfalt nicht einhalten kann. Weil der kleine Gizmo so süß und knuffelig ist, kann er sich nicht vorstellen, dass ein Regelbruch etwas Schreckliches auslösen könnte.
Warner
Warner
Tatsächlich wird in "Gremlins" auf die Besonderheit des Geschenkes rekurriert. Geschenke sollen von Herzen kommen, werden aber immer mehr zu einem Versatzstück des Konsumterrors, der inbesondere zu Weihnachten seinen Höhepunkt erreicht. Und so hört auch Billys Vater beim Kauf des Mogwais nur beiläufig hin, als ihm der alte Chinese die drei Regeln auflistet. Sein Sohn wirkt hier weitaus verantwortungsbewusster, kann aber auch nichts für die Tücken des Missgeschicks, etwa als Gizmo zum ersten Mal mit Wasser bespritzt wird. Unter Zuckungen platzen eine Vielzahl weiterer Fellknäudel aus seinem Pelz und entpuppen sich als weitere Mogwais. Es wird deutlich, dass es sich hier um eine weitere unbefleckte Empfängnis handeln soll, jedoch anders als das Jesuskind sind die Mogwais alles andere als sündenfrei.
Die unsozialen Tierchen knabbern die Kabel des Weckers an, um nach Mitternacht mit Hähnchen gefüttert zu werden. Auf diese Weise mutieren die flauschigen Zeitgenossen in schleimigen Kokons zu widerlichen, aber hochintelligenten Monstern, die fortan die Kleinstadt terrorisieren.
Warner
Joe Dante, der bereits mit "The Howling" sein Faible für Verwandlungen ausleben kann, gestaltet die Gremlins in seiner Horrorkomödie allerdings mit einem Augenzwinkern. Mehr als skurril wirkt die Szene, in der sich die mutierten Monster im Kino versammeln, um Disneys "Schneewitchen" zu sehen. Das Motiv des Phantastischen und die Naivität einer Kulturindustrie, die von Disney Productions geprägt wurde, wird in Gremlins verkehrt: Die lieben kleinen Tierchen, die man in jedem Disney-Film vorfinden kann (von Klopfer in "Bambi" bis Sebastian in "The Little Mermaid"), verwandeln sich hier in geifernde Gargoyles. Dass ein Gargoyle mythologisch christlichen Antisemitismus repräsentiert und Gargoylismus in weiterer Folge in der Medizin eine Erbkrankheit ist, sind weitere Verweise auf die mythologische Verkehrung des Weihnachtsfestes. Hier wird so ziemlich alles pervertiert, was wir von Weihnachten wissen.
Besonders auffällig ist in "Gremlins" außerdem, dass die beschauliche Kleinstadt fast unbemerkt ins Chaos gestürzt wird. Wo sind all die Leute, die das verhindern könnten? Richtig, sie alle feiern Weihnachten in der Zurückgezogenheit ihrer Familie. Dass diese Vorstellung allerdings nicht immer ganz unbemerkt vollzogen werden kann, zeigt "Gremlins 2" (1991), in dem zu Weihnachten in der Millionenstadt New York herumgewütet wird.
So richtig übel wird es allerdings, wenn der Horrorfilm jene Figur (im wahrsten Sinne des Wortes) "zerlegt", die für viele Kinder den Inbegriff des Festes darstellt: den Weihnachtsmann. Das Christkind kommt im Vergleich dazu noch glimpflich weg. Es folgen also noch so herrliche Filme wie "Silent Night, Deadly Night", "Christmas Evil" und "Rare Exports". Aber dazu mehr im nächsten Teil unserer FM4-Serie "Bloody Christmas".