Erstellt am: 24. 12. 2010 - 00:26 Uhr
Hier spricht Ilsa Gold
Techno hat im vergangenen Jahr so etwas wie einen runden Geburtstag gefeiert. Ziemlich genau 20 Jahre ist es her, dass kühle Percussions aus der Drummachine und futuristische Synthiesounds aus der TB-303 von Detroit nach Europa rübergeschwappt sind. In Deutschland findet 1989 die erste "Love Parade" statt und Szene-Magazine wie "Frontline" und "Groove" werden gegründet. Auch in Österreich regt sich etwas. Anfang 1993 formiert sich aus dem Plattenverkäufer Christopher Just und dem Partyveranstalter Peter "DJ Pure" Votava ein Hardcore-Techno-Duo namens Ilsa Gold, das erstmals keine Samples aus Horrorfilmen zu den übersteuerten Bassdrums mischt, sondern stattdessen hochgepitchte Vocals von Peter Cornelius und Karel Gott in ihre Tracks einbaut.

ilsa gold
Ein Jahr später wirbelt Techno in Deutschland heftig den Mainstream durch. In Berlin ruft DJ Westbam die "Raving Society" aus und Sven Väth stilisiert sich von Frankfurt aus zum Übervater eines neuen Lebensgefühls. Die beiden Ilsa Gold-Produzenten aus Wien haben zu dieser Zeit mit "Up" bereits einen veritablen Hit, der vom harten Underground-Sound abweicht und im zugänglicheren Genre "Happy Hardcore" angesiedelt ist. Der Track ist eine Art unfreiwillige Blaupause für die aufstrebende "Rave Generation", die auch in "Bravo" und den Single-Charts heimisch ist. Ilsa Gold würden am neuen Hype mitnaschen können, doch Just und Pure wollen keine unreflektierte Euphorie und setzen ab sofort lieber auf Konfrontation und Provokation. Auf die bierernste Jubelei der deutschen Rave-DJs wird mit plakativer Verarschung gekontert, das Techno-Hippietum führt man mit pubertär-sexuellen Witzen ad absurdum und die Raver selbst werden wegen ihrer verdrogten Matschbirnen ebenfalls ordentlich durch den Kakao gezogen. Subversion durch Hardcore-Techno-Tracks, Clownerie und Slapstick. Willkommen in der Welt von Ilsa Gold!
Next-Level-Watschn

Ilsa Gold
Als Ilsa Gold 1993 zur Rave-Riesenveranstaltung "Mayday" eingeladen werden, aber nur 15 Minuten Spielzeit bekommen, heißt das Motto: Widerstand. Nun fahren Christopher Just und Peter Votava vollständig ihre Krallen aus. Statt ein paar witziger Anspielungen kriegt die deutschsprachige "Raving Society" ab sofort nur noch heftige Watschn. Statt wie üblich von der Bühne zu jubeln, lassen sie bei der "Mayday" ihre Hits einfach nur durchlaufen und hantieren währenddessen an einer Joghurtmaschine. Im Jahr darauf gibt's gar keine Musik mehr. Just und Pure erzählen stattdessen die traurige Geschichte ihrer Songheldin Silke, die sich selbst innerhalb eines Jahres völlig im verravten Drogenrausch verloren habe. Statt des Zelebrierens von Happy-Hardcore-Tracks wird immer wieder das Sample "Ecstasy hilft, die Mayday besser zu ertragen" abgespielt.
Ilsa Gold sind zu brachialen Bullys geworden, die die Rave-Protagonisten mit offensiven Szene-Angriffen auf die Probe stellen und die Musikpresse mit ihren Pranks und Narreteien an der Nase herumführen. Ende 1994 wird Ilsa Gold eingestampft und dafür werden die Sons of Ilsa aus der Taufe gehoben. Die Sons of Ilsa treiben die beißende Persiflage auf die Spitze. Doch die Raver sind immer noch begeistert - die Dummen sind zu träge, um die Attacken zu verstehen und die Schlauen üben sich in selbstironischer Gelassenheit. Weniger amüsiert sind die Kollegen und Szenebegründer. Als der eitle Sven Väth, der zu dieser Zeit gerade spirituelle Rave-Harlekins tanzen lässt, von Ilsa Gold mit Penismütze verulkt wird, werden sogar Drohungen ausgesprochen. Die durchtriebenen Techno-Clowns haben ihr Ziel erreicht.

Sven Väth, Ilsa Gold
Das frühe Aus
Mit der Realisierung der ernüchternden Tatsache, dass die Subversion ohnehin ins Leere geht, werden 1996 sowohl Ilsa Gold als auch ihre Söhne aufgelöst. Eine kurze Rückkehr gibt es erst 2003, als beim österreichischen Experimental-Elektroniklabel Mego die Werkschau "Regretten? Rien!" auf zwei CDs erscheint. Darauf finden sich unter anderem auch bizarre Aufnahmen aus der Frühzeit von FM4s La Boum de Luxe.

Basstart
Christopher Just und Peter Votava gehen schon seit vielen Jahren getrennte musikalische Wege, doch die kurzen, aber heftigen Ilsa Gold-Jahre gehen trotzdem nicht aus dem Kopf. Die Nacht vom 25. auf den 26. Dezember wird deshalb eine spezielle Nacht werden, denn fürs Wiener Flex ist verblüffender Weise ein Konzert von Ilsa Gold angekündigt. Was dort passieren wird, ist nicht mal ansatzweise bekannt oder vorauszusagen. Insofern könnte es ein ganz gewöhnliches, heftiges Wiedersehen mit der beliebten Techno- und House-Freundin Ilsa Gold werden.