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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

28. 12. 2010 - 08:42

Rewind 2010: Gadgets

Mehr mobile Technik denn je inklusive neuer Geräteklassen - das Jahr der elektronischen Helferlein.

Als dem Winter eher abgeneigter Mensch versuche ich, wenigstens in den dicken Jacken, die man um diese Jahreszeit trägt, einen Vorteil zu sehen: Da können wir mp3-Player, Smartphones und sonstige Spielzeuge besser einstecken. Einige der Apparate, die 2010 den Markt (und das Leben des einen oder anderen) verändert haben, spalteten die Meinungen schon Monate vor ihrem Erscheinen.

Tablets

Apple, Meister der Gerüchtekampagne und Guerillawerbung, weckt schon im Jänner 2010 die Gier der Macintosh-Klientel: Grafikdesigner zum Beispiel wollten am liebsten einen Mac in Tablettform sehen. Stattdessen präsentiert Apple einen überdimensionalen iPod Touch. Enttäuschung bei den einen, Begeisterung bei den anderen: Das stiftlose Gerät ist intuitiv bedienbar, Apple verkauft während des Jahres 2010 zwanzig Millionen Stück davon. Andere Tablets mit Fingerbedienung werden präsentiert und wieder zurückgezogen, erst das Samsung Galaxy Tab im Herbst scheint ernstzunehmende Konkurrenz zu sein: Es ist kleiner, ein Mittelding zwischen Handy und Computer. Die eigentlich gar nicht neue Geräteklasse Tablet-PC (das Konzept stammt aus den sechziger Jahren) erfährt eine neue Berechtigung: Als Konsumgerät für Wohnzimmercouch und Wartezimmer. Lesen, surfen, spielen, Videos ansehen - bei geschmalzenen Preisen von 500 bis 800 Euro fürs Gerät. Den Verkäufen von Netbooks, die ja ein Jahr zuvor der große Hype waren, setzt der Run auf das Tablet trotzdem zu. Allerdings ist die Schlacht jetzt eröffnet: Gegen Jahresende ist eine neue Generation von Netbooks erschienen, die dank neuer Multicore-CPUs leistungsfähiger ist als die frühere Generation.

Gadget-Flops 2010

dpa

WePad: Ein deutscher Gegenentwurf zum iPad war schon bei der ersten Präsentation suspekt: Statt dem versprochenen Linux lief nur ein Video am Bildschirm. Nach Monaten Wartezeit enttäuschte das Gerät mit schlechter Bedienbarkeit und vielen Bugs.

Peek

TwitterPeek: Ein Gerät, das nichts anderes kann, als auf Twitter zuzugreifen. Die wenigen Menschen, die Notiz davon nahmen, fragten sich: Wozu?

Apple

iPhone-Headset: Apples misslungenster Schmalzbohrer verursachte verstopfte Ohren und klang miserabel.

Microsoft

Kin: Die Microsoft-Handys mit umfangreichen Social-Networking-Fähigkeiten waren gut gemeint, starben aber einen frühen Tod - hauptsächlich aufgrund von Doppelgleisigkeiten im Konzern: Personelle und finanzielle Ressourcen für Kin wurden schon während der Entwicklung von Kin auf Windows Phone 7 umgeleitet.

failblog

Not macht erfinderisch: Dokumente auszudrucken war mit dem iPad zuerst gar nicht möglich. Seit dem letzten Betriebssystem-Update geht es nur mit einer kleinen Auswahl an Druckern.

E-Reader

In den Charts der auf Google meistgesuchten Gadgets führt 2010 allerdings der iPod Touch noch vor dem iPad. An dritter Stelle liegt Amazons E-Book-Reader Kindle. Dessen Verkäufe verdreifachte Amazon gegenüber dem Jahr 2009: Acht Millionen Stück gehen über den virtuellen Ladentisch. Aber auch Sony, Thalia, Barnes & Noble - zahlreiche Verlagshäuser, Buchhändler und Elektronikhersteller - haben ein eigenes Lesegerät im Repertoire. Im deutschsprachigen Europa hält sich die Popularität von E-Books noch in Grenzen, letztlich wird hier aber das gleiche geschehen wie im Musiksektor: Es macht Sinn, Dutzende oder gar Tausende Bücher in einem Gerät von der Größe eines Taschenbuchs mit sich herumtragen zu können – und viele der Bücher nicht einmal kaufen zu müssen, weil es genügend Gratisangebote (legale wie illegale) gibt. Der Kindle bietet dank WLAN und 3G eine Verbindung zum Amazon-Shop und auf ein eingeschränktes Web-Angebot (Wikipedia etc.). Andere Hersteller kopieren das Online-Konzept mittlerweile.

Alle Geräte verfügen über die auf der E-Ink-Technologie basierenden Bildschirme - sie sind im Gegensatz zu jenen von Tablets auch im Sonnenlicht gut betrachtbar. Der Akku eines E-Readers hält im Lesebetrieb mehrere Wochen lang. Aufgrund der Marktmacht von Amazon ist der Kindle derzeit das populärste Lesegerät, andere Produkte wie Sonys neue "Touch"-Reader sind dank berührungsempfindlicher Bildschirme angenehmer zu bedienen und können eine größere Zahl an Dateiformaten anzeigen, kosten aber auch mehr. Die Sony-Reader, 2009 noch von mehreren Medien zum "schlechtesten Produkt des Jahres" gekürt, verfügen mittlerweile nicht nur über bessere Bedienung als der Kindle, sondern auch über Internetanbindung zum Buchhändler oder zu Google Books. Und nicht nur der Funktionsumfang der E-Reader wurde 2010 rasant größer: Immer mehr Autoren haben 2010 Bücher ausschließlich in elektronischer Form veröffentlicht.

Windows Phone 7

Apple erleidet Mitte der Jahres einen Imageschaden: Eine Fehlkonstruktion der Antenne führt beim iPhone 4 zu schlechterem Empfang, wenn man das Gerät an einer bestimmten Stelle berührt. Die schnoddrige Ansage Steve Jobs, man solle das Telefon eben einfach "anders halten", steigert die Hysterie. Verkaufserfolg wird das iPhone 4 schließlich trotzdem, die meisten User stecken das elegante Gerät in eine Plastikhülle, die das Empfangsproblem löst.

Microsoft veröffentlicht im Herbst 2010 Windows Phone 7 . Der ehemalige Marktführer im Bereich der Software für PDAs und Smartphones hat sich nun der Apple-Philosophie angepasst: Ein zentraler Marktplatz für Software, weniger Freiheit zur eigenen Konfiguration des Geräts, dafür einfachere Bedienung. Die Verkäufe kommen nur langsam ins Rollen. Praktisch an Windows Phone 7 sind die Verbindung mit dem Cloud-Service Windows Live (das SkyDrive dort bietet mittlerweile gratis 25 Gigabyte Speicherplatz) und mit dem Xbox-Live-Service der Spielkonsole.

Apropos Xbox: Die Körper-Steuerung Xbox-Kinect hat sich innerhalb eines Monats vier Millionen Mal verkauft – und die Hacker-Szene ist begeistert. Tausende Programmierer modifizieren Kinect so, dass man mit dem Körper nicht nur Xbox spielen, sondern auch den PC bedienen kann. Meistens sind diese Modifikationen nur Konzepte, praktisches ist aber ebenfalls bereits zu finden: Virtuelle Musikinstrumente zum Beispiel, hier das Therenect des österreichen Kunstprofessors Martin Kaltenbrunner.

Anon

Android und ChromeOS

Google kümmert sich 2010 gleich um zwei Betriebssysteme für mobile Geräte: Zum einen werden erste Netbooks mit einer fertigen Version von ChromeOS an ausgewählte Testpersonen verteilt. ChromeOS ist das erste Computerbetriebssystem, bei dem die Applikationen fast nur noch online verfügbar sind – und auch die eigenen Daten. Ob man das will? Der Vorteil: kein Datenverlust, wenn das Netbook gestohlen oder zerstört wird.

Zum anderen ist 2010 das Smartphone-Betriebssystem von Google, Android, erwachsen geworden: Einige Geräte von HTC oder Samsung erweisen sich als genauso praktisch wie iPhones, bei größerer Offenheit. Die fehlende Kontrolle bedeutet aber auch weniger Sicherheit – und die wird 2010 ein immer wichtigeres Thema.

Sicherheit

Auf Smartphones werden immer mehr Anwendungen genützt, die höchste Datensicherheit erfordern. Hunderte Millionen User, die ihre E-Mail-Adressen und Telefonkontakte speichern, Social-Networking-Services wie Facebook oder Xing benützen und sogar ihr Netbanking am Mobiltelefon erledigen, sind sie ein lohnendes Ziel für potentielle Angreifer. Vorsicht ist also angesagt beim Installieren von Applikationen auf Android-Geräten oder auf iOS-Geräten mit Jailbreak.

Zum zweiten großen Sicherheitsrisiko sind 2010 offene WLAN-Netze in Kaffehäusern und Fastfoodrestaurants geworden. Unsicher waren diese eigentlich schon immer, doch 2010 sind im Internet populäre Tools aufgetaucht, mit denen auch Menschen ohne jegliche Hacking-Erfahrung den Datenverkehr unvorsichtiger Websurfer bei offenen Hotspots mitlesen können. Die unangenehmen Folgen: Gestohlene Passwörter, gehackte Facebook-Accounts, im schlimmsten Fall finanzieller Schaden. Mit mobilen Geräten ohne Verschlüsselung und VPN im Starbucks-WLAN zu surfen, sollte spätestens seit dem heurigen Jahr ein Tabu sein. Die beste Sicherheitslösung für unterwegs ist wohl, den "eigenen" WLAN-Hotspot mit dabei zu haben.

Entweder, indem man ihn mit einem Android-Handy aufsetzt, oder mit einem eigens dafür gekauften Gadget: Die kleinen Geräte gibt es mittlerweile für fast alle Handynetze - und die Netzbetreiber sind auch die großen Gewinner des Gadget-Jahres. Der mobile Datenverkehr hat sich 2010 dank Smartphones, Tablets und Netbooks um satte 25% gesteigert. Bis 2015 rechnet die Branche sogar mit einem zweiunddreißigfachen Anstieg des mobilen Datenverkehr.