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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

22. 12. 2010 - 14:50

Frohe Weihnachten

Das bulgarische Wort für Weihnachten – „Koleda“ stammt von dem Verb „kolia“- schlachten. Großvater Frost nennt man inzwischen aber auch in Bulgarien Weihnachtsmann.

Die Bulgaren sind gottlose Menschen. Weder die Christen, noch die Muslime, noch die Juden in Bulgarien glauben wirklich an Gott. „Gott ist zu hoch und der König ist zu weit“, lautet ein verbreitetes bulgarisches Sprichwort, das das Vertrauen der einfachen Menschen in höhere Kräfte und öffentliche Institutionen widerspiegelt. Diese Gottlosigkeit hat das Land vor größeren ethnische Konflikten bewahrt. Andererseits mögen die Bulgaren das Feiern und Anlässe zum Feiern sind immer gern gesehen. Das bulgarische Wort für Weihnachten – „Koleda“ stammt von dem Verb „kolia“, schlachten. Deshalb ist auch Weihnachten der Tag, an dem das Schwein geschlachtet und mit jeder Menge Alkohol verspeist wird. Normalerweise irgendwann Ende Dezember.

Seit einer Weile wurde die amerikanische Feierweise von Weihnachten übernommen. Der Weihnachtsmann kommt am 25. Dezember. Wahrscheinlich wird er nicht mehr so lange an der Grenze aufgehalten. Früher hieß er Großvater Frost und kam zu Silvester. Der neue Coca-Cola-Weihnachtswerbespot wurde in Bulgarien gedreht. Die Neongötter, die die ganze Menschheit anbetet, werden auch von den gottlosen Bulgaren verehrt. Die Bevölkerung stürzt sich gemeinsam mit allen auf der ganzen Welt in den Einkaufswahnsinn vor den Feiertagen.

Vor ein paar Jahren versammelte ich am 25. Dezember in meinem Haus in Sofia alle meine Freunde, die am größten Familienfest nichts mit ihrer Familie zu tun haben wollten. Wir tranken Rakija, hörten Heavy Metal und die Stimmung war superweihnachtlich. Mein Bruder war gereade von einem Ikonenzeichenkurs zurückgekommen. Er hatte einen Monat in einem Kloster verbracht, gefastet und sich erklären lassen, wie man einen Heiligen verewigt. Nach dem dritten Rakija wollte er noch mehr weihnachtliche Stimmung in unsere Runde bringen und holte die Ikone von Johannes dem Täufer, die er gemalt hatte. Mein Freund Sascho nahm die Ikone in die Hände und starrte sie an. Wir dachten, die Augen von Johannes dem Täufer hätten ihn so verzaubert, dass er in die Ikone eingetaucht wäre. Plötzlich sah er so aus, als ob er sich mit dem Heiligen auf der Ikone verbunden hätte. Wenig später übergab sich Sascho direkt auf die Ikone. Zu Weihnachten auf eine Ikone kotzen ist ziemlich die gottloseste Sache, die ich je gesehen habe.

Dieses Jahr feiere ich Weihnachten in Wien. Ich erwarte keine Geschenke. Mein Freund Marko hat einen Weihnachstbaum von irgendwoher geholt und wir haben ihn mit einer Vodkaflasche an der Spitze verschönert. Ich hoffe, dass heuer Weihnachten bei mir ohne Magensäfte verlaufen wird.