Erstellt am: 18. 12. 2010 - 19:00 Uhr

Die FM4 Charts vom 18. Dezember 2010

Ranglistitis.

Ich weiß nicht ob es daran liegt, dass ich wöchentlich im Rahmen der Charts mit einer Rangliste beschäftigt bin, die im Prinzip genau gar nichts über die "Qualität" von Musik aussagt, sondern mehr einen obskuren Anachronismus - der im vorliegenden Fall eine schöne dramaturgische Klammer für eine wöchentliche Sendung - darstellt.

Nicht mehr aber auch nicht weniger.

Richtig dramatisch wird es aber wenn an diese nicht falsifizierbaren Ranglisten auch noch reale Folgen (etwa Geldströme) geknüpft werden. Und hier kann ich nicht umhin mich erneut dem Kanon der PISA-Erschütterten zu entziehen, leider fehlte mir bei der Debatte Anfang Dezember die wissenschaftliche Grundlage diese Kritik zu formulieren.
Nun, die gibt es längst und findet eine brilliante Überhöhung in Konrad Paul Liessmanns Werk "Theorie der Unbildung" aus dem Jahr 2008.

Ein kurzer Auszug zum Ranglisten-Wahn und PISA:

"Der Stand von Bildungspolitik heute ist durch einen einfachen Satz zu beschreiben: Sie erschöpft sich in Schielen auf Ranglisten(...) Nicht einmal ein diffuser Bildungsbegriff, schon gar nicht ein gesellschaftspolitisches Konzept von Bildung zeichnet sich hinter gegenwärtiger Bildungspolitik ab, sondern diese lässt sich auf einen einzigen Satz reduzieren: Wo stehen wir? Die Standortfrage, selbst ideologischer Ausdruck einer Ökonomie der Erpressung, gewinnt in der Bildungspolitik eine zusätzliche, mitunter unfreiwillig komische Bedeutung. (...)
Es geht um eine Nationenwertung. Ohne diese wäre PISA eine Sache der Experten geblieben. Der Schock über die vermeintliche Bildungskatastrophe speist sich aus dem Ungeist der Sportberichterstattung und bestätigt so das, was er beklagt.
(„Theorie der Unbildung“ von Konrad Paul Liessmann, PIPER Verlag 2008)

Die Frage ist eben, ob die Erpressung durch die ökonomischen Verhältnisse, befeuert durch Wirtschaftsprüfer, Berater und Ratingagenturen – wenn sie schon als geschaffene Elite ganze Volkswirtschaften erpressen können – nicht wenigstens vor dem Verwandeln der Bildungs-Gesellschaft in eine Wissensmanagement-Gesellschaft gebremst werden kann. Oder ob es dafür längst zu spät ist, bei der festzustellenden Geilheit auf Ranglisten lässt sich dies befürchten, denn ein oststeirischer Schüler steht mit einem aus Seoul genauso wenig in realer Konkurrenz wie Caribou mit Hot Chip.

Wenn sie fesch sind könnten sie sich sogar später gegenseitig remixen statt bekämpfen.

A propos Hot Chip

Bevis Martin and Charlie Youle

In der FM4 Welt halten Dreamend ihr hohes Niveau, "Magnesium Light" schafft es diesmal auf Platz 3.
Die Franzosen von The Bewitched Hands kommen mit "Happy With You" auch ohne übertriebene Englisch Kenntnisse diesmal auf Rang 2.
Und die neue Nummer 1 von FM4 heißt wieder einmal "Not In Love" von den Crystal Castles, featuring Robert Smith.

Schönes Wochenende und Frohe Weihnachten!