Erstellt am: 18. 12. 2010 - 13:43 Uhr
Weihnacht im Event-Tower
Aber erst einmal zieht ja zum Glück ein Schneetief nach dem anderen über Berlin und es wird einem zunehmend weihnachtlich zumute, was ja kein Wunder ist bei den rund 50 Weihnachtsmärkten in der Stadt.
Christiane Rösinger / Radio FM4
Der größte Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz ist eigentlich gar kein Weihnachtsmarkt sondern ein riesiger Rummelplatz. Das bemängeln natürlich viele Weihnachtsmarktpuristen: "Wo bleibt bei dem Halli Galli, die Besinnlichkeit von Zimtduft und Lebkuchen?" Und doch ist es ein schöner Anblick wenn es auf dem Weg von Kreuzberg nach Mitte aus weiter Ferne schon glitzert und blinkt, wenn die etwa 300.000 bunten Glühlämpchen des weltweit höchsten mobilen Riesenrads und Kettenkarussels der Welt so heimelig ihr gleißendes Licht verstreuen. Während also die Weihnachtsromantiker den Markt geradezu verabscheuen, wird er von den jugendlichen Berlinern und Brandenburgern aus dem Umland sehr gut angenommen. Neu ist in diesem Jahr nicht nur die Doppellooping-Achterbahn "Teststrecke", sondern auch ein 32 Meter hoher Erlebnistower.
Und weil man sich als kulturell interessierter Mensch ja auch um die neuen Trends im Rummelgeschäft kümmern muss, hatten erste Internetrecherchen ergeben, dass in dem höchsten mobilen Eventcenter der Welt (32 Meter) lebendig gewordene Kunst, erstaunliche Raumeindrücke aus dem Reich der Fantasie, spektakuläre 3D–Effekte, eine insgesamt skurille Reise durch surrealistische Welten auf den Besucher warten.
Aber ach! Hinter der bunten Glitzerfassade wartete dann wie so oft nur die Enttäuschung. Der simple Laufparcour mit Rollen und Drehscheiben, war nicht halb so tricky wie die verschneiten und vereisten Treppenstufen, die einzelnen Themenräume wiederum waren so popelig ausgestaltet, dass man beim besten Willen nicht wissen konnte, ob es sich jetzt um die Arktis-, Vulkan-oder Erdbebensimulation handelte, und so erinnerte der ganze Event-Tower eher an ein Mittelstufen-Schulprojekt: Wir basteln eine Geisterbahn mit einfachsten Mitteln und Uralt-Effekten.
Immerhin aber bot "The Tower" ein einmaliges Trasherlebnis: LCD-Leuchten auf Pappmaché, Dalis zerflossene Uhren, eine Rockeroma, die zur Melodie von "Highway to Hell" auf einem Motorrad herumjockelt, dazu die autoritäre Stimme aus dem Off: "Setzen sie jetzt ihre Spektralbrille auf!" Aber auch mit Brille sah man nur verschwommene Lichter und stieß an Plastikstäbe, die von der Decke taumelten. Fremde seltsame Welt der Schaustellerei!
Christiane Rösinger / Radio FM4
Als man aber dann wieder so draußen im Schnee stand und den Hals reckte, ganz nach oben schautem sich die Schneeflocken ins Gesicht fallen ließ und zusah wie das Kettenkarussel "Star Flyer" auf 55 Meter hochgezogen wurde, wenn man dazu die mannigfaltigen Jauchzer und Schreie der vielen jugendlichen Scream Queens aus den anderen Fahrgeschäfte hörte und einige ADS-Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund belauschte, die überlegten ob sie zuerst Achterbahn und dann mit dem “Kotzrad” fahren wollten oder umgekehrt, da wurde es einem doch ganz poetisch zu Mute und warm und weihnachtlich ums Herz.