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Anna Masoner

Anna Masoner

Anna Masoner

Erkundet als digitale Migrantin Vorzüge und Abgründe der Informationsgesellschaft

19. 12. 2010 - 12:29

Buchkultur adé?

Vom Verhältnis des E-Books zum gedruckten Buch.

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Ende Oktober lässt Amazon mit einer Meldung aufhorchen: in den USA würden inzwischen mehr Bestseller-Bücher in digitaler Form verkauft als in Buch- oder Taschenbuchform. Wer hat schon Lust eine kiloschwere Tasche durch die Gegend zu schleppen, wenn es handlicher und leichter geht? Lieber herunterladen, als auf das Paket warten. Glaubt man dem Marketinggeschnatter rund um Kindle, iPad und Co, hat es für das fünfhundert Jahre alte Kulturgut Buch noch nie so düster ausgesehen wie heute.

Im deutschsprachigen Raum spielt das E-Book im Verhältnis zum klassischen Buch noch eine kleine Rolle. Das Interesse der User wächst zwar, allerdings nur im Schneckentempo. Schätzungsweise 50.000 bis 80.000 E-Reader sind derzeit in Deutschland in Umlauf. Und die Zahl der verkauften klassischen Bücher wächst. Werden also E-Books und ihr gedruckter Gegenpart in Zukunft friedlich nebeneinander existieren?

Doch allen Unkenrufen zum Trotz hat das gedruckte Buch dem E-Book gegenüber einige Vorteile. Gedruckte Bücher kann man jederzeit und überall unabhängig von Batterie- und Akkulaufzeit oder möglichen Pannen eines technischen Geräts lesen. In der Straßenbahn weiß man, in welchem Schmöker sein Gegenüber gerade vertieft ist und verleihen kann man sein Lieblingsbuch auch jederzeit ohne Probleme.

Ich lese also bin ich

Richard Nash

Richard Nash

Dass das gedruckte Buch nicht tot ist glaubt jedenfalls der irische Verleger Richard Nash. Er hat sechs Jahre lang den New Yorker Independent Verlag Soft Skull Press geleitet, bevor er sich mit einem Start-Up selbstständig machte, das den Verleger durch eine Autorencommunity ersetzen will.

Nash hat eine spezielle, eine sinnliche Beziehung zu Büchern. "Ein Buch begleitet einen im Schnitt fünfzehn Stunden seines Lebens. Fünfzehn Stunden, in denen einem eine Person ins Ohr flüstert. Das ist ein sehr intimer Akt", meint Nash. "Bei einem Gespräch über gelesene Bücher verläuft die Kommunikation häufig über das physische Objekt, das auf einem Tisch herumliegt oder im Bücherregal steht. Ich kann das Buch also digital lesen, aber um anderen Menschen zu zeigen, welche Arten von Büchern ich lese, werde ich es auch als gedrucktes Buch kaufen; oder um es zu verschenken."

Goodbye Taschenbuch

Richard Nash ist ein E-Book Leser der ersten Stunde. Er begann schon 2002 auf seinem Palm Pilot Manuskripte von Autoren und Agenten zu lesen. Bücher kaufte er sich damals wie heute kaum, nur sofern sie durch ihre Gestaltung hervorstechen. Das billige Taschenbuch, das Mitte des 19. Jahrhunderts als preiswerte Alternative zum teuren Hardcover entstanden ist, wird seiner Meinung nach die nächsten Jahrzehnte nicht überleben und durch das E-Book ersetzt werden. Das Taschenbuch sei in den USA heute nur mehr ein Wegwerfprodukt. "Wenn die billigen Taschenbücher nicht verkauft werden, schickt das Geschäft nur das Cover als Beweis der Unverkäuflichkeit an den Verlag zurück. Der Rest wandert noch im Geschäft in den Müll. Ich denke nicht, dass wir Bäume so behandeln sollten."

Zukunft des E-Books?

Man müsse aus dem Buch ein ästhetisch gestaltetes Objekt machen, das eine Person schätzt und lange aufbewahrt, eventuell den Kindern oder Enkeln vererbt. Was die Zukunft des digitalen Buches anbelangt, so glaubt Nash, dass E-Reader die ästhetischen und sozialen Qualitäten des gedruckten Buches übernehmen müssen. Das zeige sich bereits an Musikabspielgeräten. Die iBook-Software auf iPhones und iPod Touch, mit denen man digitale Bücher lesen und verwalten kann, ähnelt zum Beispiel einem echten Bücherregal mit Büchern inklusive Buchcover und Seiten zum Umblättern. Für Richard Nash wird in Zukunft eine wesentliche Funktion von digitalen Medien oder Abspielgeräten darin bestehen, dass sie anderen Leuten anzeigen, was man gerade hört oder liest.