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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

16. 12. 2010 - 14:45

FM4 Licht ins Dunkel Club im Flex

Tanzen mit Bratze, Schwefelgelb und Frittenbude: Eine Party für den guten Zweck ist eben die bessere Party!

FM4 für Licht ins Dunkel

Am Anfang war der Punsch, bzw. der Punschversuch. Der ist allerdings tatsächlich im Versuchsstadium stecken geblieben, denn nach nicht einmal zwei Stunden waren die Kessel des FM4-Standes bereits ausgetrunken. Mit so viel Andrang hatte man nicht gerechnet; wunderbar war auch die dementsprechende Spenden-Überraschung zugunsten des Freunde Schützen Haus.

Und dann folgte die Party. Wenn man so ein Tanzfest organisiert, gibt es zwei Möglichkeiten, das Booking anzugehen. Entweder bucht man stilistisch unterschiedliche Künstler und versucht so, mehrere musikalische Bereiche abzudecken, oder man entscheidet sich für einige Acts aus ähnlichen musikalischen Ecken, die einander perfekt ergänzen. Der gestrige Abend im Wiener Flex war definitiv letzteres, denn besser hätten die drei diesjährigen FM4-für-Licht ins Dunkel-Bands nicht zusammenpassen können. Mit Bratze, Schwefelgelb und Frittenbude gab sich die Speerspitze der jungen deutschen Electro-Rocker ein Stelldichein und führte wieder einmal vor, warum sie schon längst das Erbe von Deichkind angetreten haben.

Bratze und die Geister

Bratze

Daniel Eberharter

"Ich fühle mich wieder wie 17!" ruft Kevin von Bratze beim Anblick der bis an die oberste Garderobenstufe gefüllten Flex-Halle. Damit meint er keineswegs den Altersdurchschnitt der Besucher, sondern die ausgelassene Energie, die in der Luft liegt und die sich kontinuierlich zu entladen scheint. Angeheizt durch die knalligen Cuts des vorangegangenen DJ-Sets von Madchen Brunner, gibt das Publikum vom ersten Bratze-Beat an alles, Kollektiv-Hochsprung inklusive. Obwohl der Bandname anscheinend auf russisch "Bruder" oder in irgendeinem Dialekt "hässlicher Mensch" bedeutet, klingt er für mich immer wie die perfekte Stilbezeichnung ihres eigenen Sounds: Bratzl-Electro, das passt doch gut für den energetischen Electro-Rock des Duos, oder? Zwischen dem Krachen-Lassen und Springen muss aber auch Zeit sein, sich auf den Anlass des Abends zu besinnen: "Jeder Mensch sollte sich aussuchen können, in welchem Land er leben möchte!" Das findet das Publikum eindeutig auch. Die beiden diesjährigen Bratze-Singles "Die auswendigen Muster" und "Ohne das ist es nur noch laut" stehen ebenso auf dem Programm wie ihr Hit vom ersten Album, "Jean Claude" - "Ich warte nicht, ich verbinde" - dann geht´s weiter in die minikleine Umbaupause.

Bratze

Daniel Eberharter

Bratze: Nicht warten, sondern handeln, genau!

Von gelbem Rauch und Sternenmeeren

Schwefelgelb

Daniel Eberharter

Wenn Bratze in der Welt des waschechten Electro-Rock zuhause sind, so sind die nun folgenden Schwefelgelb eher im Bereich zwischen Techno und einer modernen Interpretation der Neuen Deutschen Welle unterwegs. Rocken tun sie natürlich genauso. Ihre Synthielines holen die Kühle des Achtziger-Synthiepops ins neue Jahrtausend, peppen sie mit einer ordentlichen Portion harter Electro-Beats auf und würzen mit einer Prise New Rave. Schön sind aber auch die romantischeren Momente wie bei "Zu Zweit": "Ich bin alleine, du bist allein, komm, gehen wir den Weg zu zweit". Übrigens haben sie auch wieder ihren eigenen menschlichen Roboter mit Tierkopf als Tänzer dabei (die Geister scheiden sich immer noch an der Frage: Eisbär oder Schaf?).

Schwefelgelb

Daniel Eberharter

Ich hab alle, alle, alle Sterne gezählt...

Die Reise ins Raveland

Wer vorher noch nicht im Raveland war, ist spätestens hingeflogen, als Frittenbude um kurz nach elf die Bühne entern. Das Trio wusste schon am Linzfest und beim letztjährigen Überraschungskonzert zu entzücken, und auch heute lassen sie keinen Zweifel daran, warum sie als die heißesten Anwärter auf die Deichkind-Nachfolge gehandelt werden.

Frittenbude

Daniel Eberharter

Frittenbude. Die Flexluft ist nun wirklich schon zum Schneiden dick.

Alle Fotos sind von Daniel Eberharter

Die bös schauende Frittenbude-Katze funkelt von der riesenhaften, neuerdings an die Bühnenrückwand transferierten LED-Tafel. Die an der Decke hängenden Lichterketten funkeln ebenso wie die Zuseher-Augen: "Raveland", "Hildegard", "Und täglich grüßt das Murmeltier", alle dabei, und wenn man die Texte mitsingen kann, macht das Hopsen ja auch gleich doppelt Spaß. Doch auch hier wird der Anlass der heutigen Feierei nicht aus den Augen verloren: "27%" ruft Johannes in die Halle hinein und bekommt sofort wütende Buh-Rufe aus dem Publikum zurück. Mit dieser Wählergruppe will sich niemand identifizieren und gemeinsam streckt man die Hände in die Luft "für eine Welt ohne Ausgrenzung, eine Welt ohne H.C. Strache!" Raven gegen Deutschland, oder eben, wie hier, gegen österreichische Verkehrtdenker.

Frittenbude

Daniel Eberharter

Das ist Kunst, mindestens in 1000 Jahren...

Kristian Davidek steht heute einmal ohne Discokugelhelm, dafür mit der gewohnten, ungebremsten Energie an und auf den Plattentellern. Irgendwie schafft er in seinen DJ-Sets immer diese bestimmte Mischung aus Superhits und Tracks, die wirken, als wären sie Superhits. Dass das live natürlich so toll kommt, wie es klingt, merken auch die Tanzenden und klauben ihre letzten Energiereserven zusammen für einige weitere Stunden Tanzspaß.

Kristian Davidek

Daniel Eberharter

You can dance but you can´t hide: Davidek takes control

Irgendwann übernimmt dann noch Jakob von der Frittenbude die Turntable-Kontrolle, da trinke ich allerdings schon mein letztes Getränk und massiere mir meine wundgehüpften Füße. Feiern für den guten Zweck und mit gutem Gewissen fühlt sich doch nochmal besser an als normal.

FM4 Club im Flex für Licht ins Dunkel