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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

18. 12. 2010 - 12:53

Schönes Dahinplätschern

In "The Tourist" kann man Angelina Jolie und Johnny Depp zusehen, wie sie an sich und dem Zuschauer vorbeispielen.

Ich weiß nicht, ob mein grundsätzlich etwas marodes Gedächtnis schuld ist. Oder ob meine innere Festplatte wegen ständigem Overload einfach alles löscht, was nicht wirklich essentiell ist.

Aber viele Filme, die mir beim Ansehen gar nicht mal schlecht gefallen, die mich teilweise sogar faszinieren, verblassen schon nach kürzester Zeit völlig.

"Das Leben der Anderen" fällt genau in diese Kategorie. Ich erinnere mich vage, dass ich die erste Hälfte des gefeierten Stasi-Dramas als durchaus fesselnd empfunden habe, mir der Schluss aber etwas zu sülzig war. Bestimmte Details oder spezielle Szenen sind mir aber entfallen, wie bei hunderten anderen Streifen auch.

In jedem Fall hat mich der Hype um den dazugehörigen Oscar, den sich Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck gleich mit seinem Debütwerk holte, recht wenig berührt. Auch die Meldung von einer bevorstehenden Hollywoodkarriere des in Interviews ein bisserl schnöselhaft wirkenden deutschen Filmwunders ließ mich relativ kalt.

Weil ich mich dann auch immer gefragt habe: Für welches Kino steht Henckel von Donnersmarck eigentlich? Ist er der Mann für engagierte Politaufarbeitungen? Für gediegene Mischungen aus Anspruch und Entertainment? Hat man es hier wirklich mit einem Ausnahmetalent des europäischen Kinos zu tun? Nach dem komödiantischen Thriller "The Tourist", der neuen Arbeit des adeligen Regie-Shootingstars, wird die Antwort auf all diese Fragen wohl eher negativ ausfallen.

The Tourist

Kinowelt

Man nehme zwei der bestaussehenden Superstars der Welt, ein fabelhaftes Ensemble an Nebendarstellern und die idyllische Kulisse Venedigs. Eine unwiderstehliche Mischung, dürften sich die Produzenten gedacht haben.

Dazu die Story einer geheimnisvollen Femme Fatale namens Elise, die einen unschuldigen Ami-Touristen im Zug anspricht und ihn in gefährliche Geheimdienst-Intrigen verwickelt. Zumindest in der Theorie ist das der Stoff, aus dem Altmeister wie Alfred Hitchcock verführerische Suspense-Klassiker bastelten, in denen wahlweise Grace Kelly oder Eva Maria Saint mit Cary Grant auf der Flucht vor sinistren Ganoven waren.

Ansätze von Spannung sucht man in "The Tourist" nun wirklich vergeblich. Das Problem beginnt schon bei der Vorlage, dem höchst mittelmäßigen französischen Thriller "Anthony Zimmer", der es auf wundersame Weise schaffte, das Interesse der Hollywood'schen Remake-Maschinerie zu wecken.

The Tourist

Kinowelt

Mehrere Regisseure wagten sich kolportierterweise an das Projekt, auch verschiedenste Schauspielernamen, von Charlize Theron bis Tom Cruise oder Sam Worthington, machten die Runde.

Letztlich landete "The Tourist" bei Florian Henckel von Donnersmarck, der die diversen Drehbücher noch einmal umschrieb und sich für die Hauptrollen zwei ganz spezielle Akteure holte, die jetzt erstmals gemeinsam vor der Kamera stehen: Angelina Jolie und Johnny Depp.

Und so sitzen, stehen und liegen sie sich gegenüber, die Göttin aus der "Gala"-Welt und der Typ, auf den sich Jim-Jarmusch-Fans, Tim-Burton-Jünger und die breiten Cineplex-Massen einigen können. Funken sprühen dabei aber keine auf der Leinwand, das Verhältnis der beiden Ikonen zueinander glimmt auf kleiner Flamme.

Angelina Jolie beschränkt sich, noch entschieden mehr als in "Salt", auf das pure Angelina-Jolie-Sein, in ihrem zunehmend knochigeren Gesicht finden sich wenige Regungen. Und der arme Johnny Depp spielt beinahe sediert, wie auf Autopilot, als ob ihm alles recht herzlich egal wäre. Und so ergeht es bald auch dem Zuschauer, trotz dieser schönen Menschen und der schön gefilmten Lagunenstadt.

Ernsthaft böse konnte ich diesem Romcom-Thriller trotzdem nie sein. Ein paar sentimentale Sätze aus dem Mund der tollpatschigen Depp-Figur haben mich milde lächeln lassen, gegen Ende flackert sogar ein Hauch von Chemie auf. Knisternde Dialoge oder gar aufregende Actionszenen hab ich mir an diesem Punkt aber gar nicht mehr erwartet.

"The Tourist" ist noch beim Ansehen selbst verblasst.

The Tourist

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