Erstellt am: 15. 12. 2010 - 14:34 Uhr
Kussi-Bussi
Ich habe ein großes Problem, was meine Integration in Österreich angeht. Ich komme mit diesem komischen Kussi-Bussi Gruß nicht zurecht. Ich werde rot, fange an zu schwitzen und gerate in Panik, sobald sich irgendjemand meinen Wangen nähert. Ich habe immer Angst, dass ich etwas falsch mache, denn mein Kussi-Bussi Partner sieht immer unzufrieden aus. Ob ich diese Person wirklich küssen oder nur berühren soll, hat mir keiner erklärt. Andauernd versuchen wildfremde Menschen ihre unglaubliche Zuneigung mir gegenüber zu zeigen, in dem sie mich auf diese Weise begrüßen und ich kann nichts dagegen unternehmen. Wenn ich zu meiner Rettung schnell die Hand ausstrecken will, wirkt das extrem unfreundlich. Anscheinend ist es normal, dass sich die Leute küssen, obwohl sie sich nur ein paar Mal gesehen haben.
Fast allen Bulgaren, die ich in Wien kenne geht es ähnlich, wenn sie damit konfrontiert werden. Sie verstehen diesen Drang zur körperlichen Nähe der Österreicher absolut nicht. Was ich auch nicht verstehe ist, warum mich Menschen, die mich anscheinend so toll finden, dass sie sich bei meinem Anblick sofort mit einer Umarmung oder eben Kussi-Bussi auf mich stürzen, nie anrufen. Das finde ich sogar noch merkwürdiger als die Aufforderung, am Klo nicht im Stehen zu pinkeln. Warum sollten die Gäste ins Waschbecken pissen?
Das Bedürfnis der Menschen in Österreich gegenüber allen körperliche Nähe zu zeigen, kann gefährlich enden. Mein Freund Emil war mal mit seinem österreichischen Arbeitskollegen Florian in Moskau, wo sie eine Ausstellung aufgebaut haben. Sie freundeten sich mit einem der Arbeiter in der Ausstellungshalle an. Sascha, so hieß der Arbeiter, trank jeden Tag einen halben Kanister Spiritus bei der Arbeit, den er mit einem komischen Pulver vermischte. So ist er besser in den Arbeitstag gekommen.
Die Idylle hatte ein Ende, Florian und Emil mussten zurück nach Wien. Da sie nicht gemerkt haben, dass es in Moskau zwei Flughäfen gibt, haben sie ihren Rückflug verpasst und mussten irgendwo übernachten, da sie ihr Hotel bereits verlassen und kein Geld mehr hatten.
Sascha war ihre einzige Übernachtungsmöglichkeit. Emil rief ihn an und Sascha lud die beiden zu sich nach Hause in seinen Plattenbausarg ein, irgendwo am Rande der russischen Hauptstadt. Der Gastgeber hatte selten Besuch und deshalb hat er zu diesem freudigen Anlass vier Flaschen Cognac gekauft. Nach ein paar Gläsern verstanden sich Florian und Sascha prima. Florian glaubte, dass sie schon die dicksten Freunde sind und wollte Sascha unbedingt auf die Wangen küssen und mit gekreuzten Armen auf Bruderschaft trinken.
Der Russe flippte aus. Er holte ein großes Jagdmesser und versuchte Florian zu erstechen. Nach einer langen Verfolgungsjagd durch die Wohnung und vielen Überredensversuchen meines Freundes Emil gab Sascha endlich auf und ließ sich erklären, dass die Menschen in Österreich nun mal so sind. So freundlich, dass sie nicht lange brauchen, um einem um den Hals zu springen und zu küssen. Deshalb Leute, das nächste Mal wenn ihr Kussi-Bussi mit mir machen wollt, denkt lieber erst einmal darüber nach. Ich habe vielleicht ein großes Messer in der Tasche.