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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

14. 12. 2010 - 18:33

Therenect

Ein österreichischer Wissenschafter simuliert eines der ältesten elektronischen Musikinstrumente – mit Hilfe eines Hacks der Xbox-Spielsteuerung Kinect.

Viele kennen den Klang des Theremins aus den Soundtracks alter Gruselfilme, oder von Psychedelic-Rock-Alben der Sechziger. Jean Michel Jarre hat das Instrument auf der Bühne eingesetzt, und auf Marilyn Mansons Album "Portrait of an American Family" ist es zu hören: Auch 91 Jahre nach seiner Erfindung hat das Theremin nicht an Faszination verloren. Es ist eines der wenigen Musikinstrumente, die ohne jegliche Berührung gespielt werden. Hier demonstriert es sein Erfinder, der russische Physiker Lev Sergejewitsch Termen (1896–1993), der sich im Westen später Leon Theremin nannte:

Das Theremin wird heute noch gebaut und verkauft, hauptsächlich von der amerikanischen Synthesizerfirma Moog. Nun gibt es auch eine österreichische Neuentwicklung in diesem Bereich: Therenect ist eine Modifikation der vor einem Monat erschienenen berührungslosen Xbox-Steuerung Kinect.

Mit dem Zusatzgerät für die Xbox lassen sich Spiele allein durch Bewegungen des Körpers steuern. "Kinect" enthält mehrere Kameralinsen und kann dank neuartiger Software die räumliche Position einzelner Körperteile sehr präzise erfassen. Sofort nach Erscheinen von Kinect haben Hacker damit begonnen, das Gerät auch für den PC umzufunktionieren. Hunderte von Modifikationen gibt es mittlerweile. Therenect ist eine der spektakulärsten bisher und kommt aus Oberösterreich.

Das Theremin mit Xbox Kinect zu simulieren war naheliegend, sagt Professor Martin Kaltenbrunner vom Studienlehrgang Interface Culture der Kunstuniversität Linz. Das Originalinstrument wird ohne Berührung gespielt, die Entfernungen der Hände zu zwei Antennen bestimmen Tonhöhe und Lautstärke – und auch Xbox Kinect ist für die berührungslose Bedienung vorgesehen. "Die Idee hinter Therenect ist, dass man es genauso spielen können soll, wie ein normales Theremin", sagt Kaltenbrunner, "aber ohne das eigentliche Instrument zu sehen. Man spielt das Therenect anhand zweier virtueller Punkte im Raum, anstatt der Antennen. Ein Punkt ist für die Lautstärke, einer für die Frequenz."

Schwierig zu spielen sind sowohl das echte, wie auch das simulierte Theremin. Nicht schwer gefallen ist Martin Kaltenbrunner, der im Bereich der Interaktion von Mensch und Maschine forscht, die Programmierung der Theremin-Simulation: Der Forscher hat früher schon andere Musikinstrumente designt. Für sein Instrument Reactable hat er 2008 den Prix Ars Electronica erhalten, eine von 20 KäuferInnen des über 9.000 Euro teuren Gerätes war die isländische Musikerin Björk. Den Prototypen von "Therenect" hat der Wissenschafter in wenigen Tagen erstellt. Jetzt will er ihn perfektionieren – in Zusammenarbeit mit professionellen Theremin-Spielern: "Momentan läuft es schon ganz gut, ich möchte aber noch warten, bis es perfekt ist - damit es ein trainierter Thereminist entsprechend spielen kann."
Keinen Feinschliff mehr benötigt der Klang des Therenect. "Der Ton des echten Theremin ist einfach zu erzeugen", sagt Kaltenbrunner. "Es ist eine Sinuswelle, die einfach um die Achse gespiegelt wird."

Sobald auch noch die Spielbarkeit seines virtuellen Instruments perfektioniert ist, will Martin Kaltenbrunner den fertigen Quellcode des Programms online stellen. Die erste Version des Programms gibt es auch jetzt schon als Download (derzeit nur für MacOS, später auch für Windows und Linux) – denn die Xbox-Kinect-Hackerszene schwört auf das Open-Source-Prinzip. Wer ein Xbox Kinect Gerät zuhause hat, kann das "Therenect" also gratis runterladen, es spielen oder selbst weiterentwickeln. Die Kinect-Hacker-Szene ist mittlerweile weltweit und tauscht auf verschiedensten Websites Hunderte Ideen miteinander aus. Ideen für die Bedienung unserer Computer in Zukunft.

Zum Download der aktuellen Therenct-Version