Erstellt am: 14. 12. 2010 - 14:10 Uhr
Afrika - 50 Jahre Musik in einer CD-Box
Wie soll man 50 Jahre Musikgeschichte eines so großen und kulturell vielfältigen Kontinents wie Afrika in einer CD-Compilation versammeln? Ein Unterfangen, das scheitern muss? Ja und Nein.

Discograph
Die Macher von "Africa - 50 years of Music, 50 years of Independence" beweisen auf jeden Fall Mut. Denn es ist eine Mammut-Aufgabe, der sie sich gestellt haben. Und das Endergebnis kann sich durchaus sehen bzw. hören lassen. 183 Titel von ebenso vielen Künstlerinnen und Künstlern aus so unterschiedlichen Ländern wie Ägypten, Sudan, Kenia, Nigeria, Simbabwe oder Südafrika. Aufgeteilt in 18 CDs, die wiederum in Regionen (Nord-, Ost-, West-, Süd-, Zentral- und Lusophon-Afrika) und chronologisch geordnet sind.
Menschen mit detaillierten Kenntnissen zur Musikgeschichte einzelner afrikanischer Länder werden anmerken, dass Künstler fehlen und die getroffene Auswahl nicht vollständig ist. Das ist richtig. Im Grunde verdient jedes Land eine eigene CD-Compilation (die gibt es zum Glück mittlerweile in Hülle und Fülle, wenn man sich die vielen Afrika-Sampler der letzten Jahre anschaut). Doch der Anspruch war nicht, ein lückenloses Bild zu zeichnen, vielmehr dient "Africa - 50 years of Music" als akustischer Kompass. Besonders wertvoll für Menschen, die musikalisches Neuland betreten und so einen Einstieg finden können.

Fela Kuti
Die Spuren des Kolonialismus
Die Geschichte Afrikas ist von Imperialismus, Sklavenhandel und Ausbeutung geprägt. Der lang anhaltende Einfluss von Ländern wie England, Frankreich, Holland oder Italien hat tiefe Spuren hinterlassen. In der Gesellschaft, der Architektur, der Sprache und natürlich in der Musik. Das wird beim Hören der 18 CDs mehr als deutlich.
Traditionelle afrikanische Rhythmen und Erzählformen treffen auf europäische Instrumente. Das Ergebnis: Neue Stile und Genres wie Afrobeat, Ethio-Jazz oder Highlife.
Im umfangreichen Booklet der Compilation findet man neben schönen Fotos wertvolle und zum Teil kuriose Informationen: So erfährt man zum Beispiel, dass es der russische Zar Nikolaus II. war, der Ende des 19. Jahrhunderts ein Geschenk in Form von Blechblasinstrumenten nach Äthiopien geschickt hat. Die neuen Instrumente sollten die Musik des Landes nachhaltig verändern und die Basis für die Entstehung von Ethio-Jazz sein. Mulatu Astatke gilt neben Mahmoud Ahmed als wichtigster Vertreter des Genres.
Sein Titel "Yegelle Tezeta" ist einer der 183 Tracks, die auf "Africa - 50 years of music" zu finden sind. Er sorgt für ein Aha-Erlebnis, denn eben dieser Track wurde heuer für den Hit "As We Enter" von Nas & Damian Marley gesampelt.
Unabhängig?
Sind viele der afrikanischen Länder bis heute nicht. Offiziell ist die Kolonialherrschaft vorbei. Und das seit knapp fünf Dekaden. Man kann sich vorstellen, wie groß die Freude und Hoffnung der Menschen damals gewesen sein muss, endlich unabhängig zu werden.
Doch die Freiheit war oft Illusion. Anstelle der Kolonialmächte wurden viele Staaten von korrupten, autoritären und teils religiös geprägten Regimen übernommen. Viele Musiker, die mit ihren Liedern jahrelang für die Freiheit gekämpft hatten, mussten ins Exil gehen. Ihre Musik und Konzerte wurden verboten. Ein Grund, warum viele algerische Musiker heute in Frankreich leben.
Das Booklet zu "Africa - 50 years of Music, 50 years of Independence" ist voller Anekdoten. Es empfiehlt sich, die CD-Box mit den Liner-Notes in der Hand in Etappen durchzuhören, nur so kann man den enormen Input an Musik bewältigen und sich bisher ungehörte Künstler mit teils komplizierten Namen merken.
Die komplette Playlist der Compilation würde den Rahmen dieser Geschichte sprengen. Ebenso unmöglich ist es, hier auf alle Regionen einzeln einzugehen. Ein paar Namen von Musikern, deren Titel zu finden sind, sollen aber doch genannt werden: Fela Kuti, Slimane Azem, Amadou & Mariam, Touré Kunda, Manu Dibango, Cheikha Remitti, Tabu Ley, Abdhulah Ibrahim, Os Kiezos, uvm.
Wer sich für die Weihnachtsfeiertage noch nichts vorgenommen hat, kann sich hier musikalisch für die kommenden Wochen eindecken.