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Albert Farkas

Ein kühnes Kratzen an der Oberfläche von Hohlräumen.

13. 12. 2010 - 14:05

Rund und Xund!

Mit ihrem zweiten Album "Das Ende vom Kreis" avanciert das deutsche Elektro-Pop-Duo Schwefelgelb endgültig zur Möbius-Band. Am Mittwoch, den 15. Dezember, spielen sie beim FM4-Club für Licht Ins Dunkel im Wiener Flex.

Am Mittwoch, 15.12. findet der FM4 Club für Licht ins Dunkel mit Schwefelgelb, Frittenbude und Bratze und den DJ's Kristian Davidek vs. Ja!kob (Frittenbude), Madchen Brunner, Philipp L’Heritier, Eva Umbauer und Kid Q. im Wiener Flex statt.

Akademiker

Eddy studiert auch, an der Kunsthochschule Berlin, und zwar Visuelle Kommunikation. "Aber eigentlich geht es da schlicht um Grafik-Design. Aber so richtig international ist die Zusammensetzung der Studentenschaft da nicht. Auf der freien Kunst geht es ja viel internationaler zu, als bei der angefeindeten darstellenden Kunst."

Schwefelgelb

Albert Farkas

Netze

"da läst sich mal übels drauf apgehen", meint unterdessen youtube-User lokieson im Forum zum Video zu Schwefelgelbs "Pornoshow". "See you in Växjö at Halloween!" verspricht rasmus1984 unter dem Promo zu "Stein Auf Stein", und ebendort wendet sich aggressiva242 kryptisch an User KrushKarrok: "fand Sie gut auf dem Electric Tremor - wo warst Du denn?". Aber erstens sind das eher schon die älteren Songs - "wir binden aber nach wie vor auch ältere Songs in unsere Live-Shows ein, wenn wir finden, dass sie gut hineinpassen", sagt Eddy - und zweitens kümmern sich die beiden nicht besonders sorgfältig um ihre Präsenz auf sozialen Netzwerkseiten, und haben diese Kommentare deswegen vermutlich noch nicht gelesen. Keiner der beiden twittert, ein Facebook-Profil hat die Band zwar, lässt es aber bewusst verwaisen. Nur ihre Myspace-Seite füttert die Band ab und zu mit aktualisierten Botschaften. Eddy von Schwefelgelb sieht überhaupt das ganze web2.0 eher kritisch, "diese globalisierenden Tendenzen bringen, zumindest in meiner kreativen Sparte, eine Anhäufung von unterproportional wenig Know-How und überproportional viel an Modetrends mit sich, die man allerdings am Ende dann auch gar nicht mehr so einfach von einander unterscheiden kann. Also ich finde das ganze eigentlich ziemlich langweilig."

Zyklen

Aber solche Ansichten sind relativ wie die Position eines Punktes auf der Umlaufbahn eines Kreises. Womit wir andererseits auch schon wieder bei den Sternen wären. Denn die geometrische Eigenschaft, die es schon frühen Kulturen ermöglichte, "die relativ einfache Konstruktion genauer Sternkarten, Navigationskarten oder von Ziffernblättern astronomischer Uhren [zu konstruieren]", so heißt es, ist die Kreistreue. "Die kreisförmigen Sternbahnen am Himmel ließen sich mit Zirkeln auf ebene Scheiben gravieren, indem jeweils zwei gegenüberliegende Punkte des darzustellenden Kreises projiziert wurden." 10.120. Kaum vorstellbar. Man sieht also, "Das Ende vom Kreis" ist eine in sich runde Sache. Ein Trapez oder gar ein Enneagon ist diese Platte sicher nicht. Diese innere Schlüssigkeit ist auch nicht rein zufällig passiert; Sid und Eddy haben um ihre Hörerinnen ein Kabinett voller akustischer Illusionen aufgebaut, das bewusst eine gewisse Orientierugnslosigkeit hervorrufen soll, indem sie beispielsweise den Song "Regen Aus Rosenquarz" aus größtenteils dem selben kompositiorischen Gewebe zusammengesetzt haben wie "Unser Eigener Müll" vier Cuts vorher. Diese Verwandtschaft dämmert einem aber auf sich allein gestellt nur im Unterbewusstsein.

Gelbschwefel

Albert Farkas

Apollonios von Perge hat im dritten vorchristlichen Jahrhundert das Problem beschrieben, einen Kreis zu konstruieren, der drei beliebige andere Kreise berührt. Mit solchen Herausforderungen haben sich Schwefelgelb aber nicht ungebührlich lange herumgeschlagen. Schwefelgelb-Sid: "Die Betonung des Kreises soll auch keine Kritik an der Kkreisbewegung sein, sondern einfach nur das Bewusstsein verdeutlichen, dass unsere Entwicklung eben eine kreisförmige Entwicklung ist, aber natürlich wiederum über einen festgelegten Zeitstrahl hinweg, was dann halt ungefähr eine Spirale ergibt." Und Eddy: "Wenn man sich von der Vorstellung einer linearen Entwicklung verabschiedet, sind überhaupt erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, auf ein viel komplexeres System zu stoßen. Alles, was sich immer wieder von Neuem entwickelt, aber gleichzeitig das Potenzial sowohl der Wiederholung als auch der Zäsur in sich birgt, kann viel mehr hervorbingen als das immer gleiche, althergebrachte lineare Denken."

Mit diesem Postulat dringt die Band schon tief in unser tief verwurzeltes, orthodoxes Verständnis von Raum & Zeit vor und untergräbt so ziemlich alles an Plänen, die wir uns noch heute früh für morgen Abend gemacht haben. Und so könnte wohl auch Konrad Zindler (1866 - 1934), der Entdecker der Zindlerkurve, den beiden auch nach längerer Kontemplation zum Phänomen der Quadratur des Kreises nur zustimmen, wenn Sid bekräftigt: " Ich bin der Meinung, dass die Idee von der Quadratur des Kreises extrem an den Haaren herbeigezogen ist, und auch so klingt."

"Keine Pessimisten"

Viel belebender klingt da "Das Ende vom Kreis", von Schwefelgelb, die trotz dieses katzenschwanzbeißerischen Gestus "keine Pessimisten" (Eddy) sind, und auch schon mal Zeit für außerordentlich romantische Zeitvertreibe finden.

FM4 Licht Ins Dunkel unterstützt dieses Jahr das Freunde Schützen Haus in Wien.

Schwefelgelb

Albert Farkas

Himmelskörper

Sid hat beispielsweise alle Sterne am Himmel gezählt. [So heißt's zumindest im Lied "Alle Sterne". ] Das ist schon mal eine beachtliche Leistung, weil Sid nebenbei auch noch in Essen elektronische Komposition studiert. Und wahrscheinlich gerade in diesem Moment seine Diplomarbeit zum Thema "Die Rolle des Menschen in der Komposition elektronischer Musik" in die geforderte Formatierung zwängt. Da geht es, sagt Sid, im weitesten Sinne auch so um die pseudo-kybernetische Kraftwerkroboter-Ästhetik, aber auch um viel konkretere Dinge: "Es gibt selbstgenerative Systeme zellulärer Automaten, also programmierte Systeme, die sich selber fortpflanzen und entwickeln, und dann drückt der Komponist, nach der erfolgten Programmierung auf den Knopf und das System komponiert die Musik dann ganz von selbst. Und da frag ich mich schon, wo der Mensch im Musikschaffungsprozess übrig bleibt." Es sind 10.120 mehr, als man glauben mag. Sterne. Nicht Systeme. Noch hat Sid selbst keine wissenschaftliche Vorrichtung erfunden, die stellvertretend für ihn die ganze Diplomarbeit verfassen könnte. Oder Interviews geben, so wie dieses, auf einem überdimensionierten Ganzkörperlümmelkissen backstage beim Dockville-Festival in Hamburg. Oder die Sterne zählen.