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6. 12. 2010 - 14:34

Protest der Wissenschafter

Demonstration mit Kettensäge: Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen protestieren gegen den "Kahlschlag in Wissenschaft und Forschung".

Christoph Weiss, Radio FM4

Die außeruniversitäre Forschung ist ein wichtiger Teil der österreichischen Wissenschaft. Trotz ihrer - im internationalen Vergleich - bescheidenen Förderung, kann sie große Erfolge in der Grundlagenforschung, im Wissenstransfer an die Wirtschaft, in der Erwachsenenbildung oder in der Politikberatung vorweisen. Auch die internationale Vernetzung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist vorbildlich. SORA etwa, ein renommiertes internationales Forschungsnetzwerk für Sozialwissenschaften mit Sitz in Wien, forscht hauptsächlich in den Bereichen Wahlen und Politik sowie Arbeit und Organisation. Das Institut kooperiert mit europäischen Forschungsinstituten wie der European Association of Political Consultants EAPC. Bekannt ist SORA auch für seine Hochrechnungen und Wählerstromanalysen an Wahlabenden beim ORF. Mit dem Budgetentwurf der Bundesregierung entzieht das Wissenschaftsministerium den außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie SORA jedoch fast alle Fördermittel. Die Forscher sollen sich, so hat es die Regierung bei ihrem Beschluss in Loipersdorf festgelegt, in Zukunft Firmen als Sponsoren suchen.

Christoph Weiss, Radio FM4

Bei Minusgraden haben sich deshalb vor dem Wissenschaftsministerium in Wien heute, 6. Dezember 2010, etwa 200 Menschen versammelt. Darunter Günther Ogris von SORA, jetzt auch Sprecher der aus aktuellem Anlass gegründeten Wissenschaftskonferenz Österreich: "In Loipersdorf ist die Wissenschaftspolitik verrückt geworden. Was wurde da beschlossen? Den Instituten die Basisförderung zu streichen. Die Kofinanzierung der EU-Projekte zu streichen. Die Anbahnungsfinanzierung für EU-Projekte zu streichen. Die Stipendien für internationale Mobilität zu kürzen. Das Budget für Veranstaltungen zu kürzen. Und es wurde der Ausstieg aus allen sozialwissenschaftlichen Infrastrukturprojekten beschlossen. In Lopiersdorf ist die Wissenschaftspolitik verrückt geworden." Den letzten Satz wiederholte Günther Ogris während seiner Rede noch öfter.

Weiss

Im Hintergrund standen ein Dutzend künstlicher Bäume, genauer gesagt Holzplatten in Form von Bäumen. Auf den Bäumen Begriffe wie "Internationale Vernetzung", "Nachwuchsförderung" oder "Wissenstransfer in die Wirtschaft". Mit einer Motorsäge wurden die Bäume dann, unter Buhrufen der versammelten WissenschafterInnen, umgesägt. Der "Kahlschlag gegen die Forschung", wie die Protestierenden die Sparpläne nennen, beträfe auch die regulären Unis, denn: Die Regierung empfiehlt einen Zusammenschluss der kleinen unabhängigen Forschungseinrichtungen mit Unis, erklärt eine Wissenschafterin vom Institut für angewandte Genderforschung in Graz: "Uns wurde vor zwei Wochen gesagt, wir sollen binnen drei Wochen schauen, dass wir uns an irgendeine Uni in Österreich andocken. Ich sehe das als eine Verstaatlichung. Und es wird damit die Uni weiter ausgehungert. Es gehen sehr viele Arbeitsplätze für junge WissenschafterInnen verloren. Und es geht auch die gesamte Nachwuchsförderung verloren, die wir machen."

Demonstration "Kalhlschlag gegen Forschung "

Christoph Weiss, Radio Fm4

Deshalb solidarisieren sich mit dem Protest der ForscherInnen auch die Studierenden: "Die Art, wie unsere Lehrenden behandelt werden, spiegelt auch die Qualität unserer Lehre wider", sagt ein Student auf der Demo. "Es ist wichtig, dass wir den Druck gegen dieses Sparpaket weiter aufrechterhalten."

Demonstration "Kalhlschlag gegen Forschung "

Christoph Weiss, Radio FM4

Die Studierenden der #unibrennt-Bewegung, die ÖH, die Wissenschaftskonferenz und auch die Gewerkschaft der Privatangestellten fordern eine Erhöhung der Budgets für außeruniversitäte Forschung. Außerdem wollen sie mehrjährige Leistungsvereinbarungen, damit die Wissenschafter an den unabhängigen Einrichtungen stabilere Arbeitsbedingungen haben. Die Regierung hat wegen der anhaltenden Proteste bisher zwei Millionen Euro Föderung - anstatt der völligen Streichung - zugesagt. Den Wissenschaftern ist das zuwenig und sie wollen weiter protestieren.