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Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

6. 12. 2010 - 18:51

Cyber Hate

Über die Grenze zwischen Geschmacklosigkeit und Verhetzung, zwischen einem Witz und Bullying.

Sie wirken wie Karrikaturen ihrer selbst. Wenn von der "Systempresse" oder der "Gossenpresse" die Rede ist, wenn das Parlament als "Quatschbude" bezeichnet wird und die Demokratie als "Minuswelt": Naziseiten gibt es zu Hauf im Netz, auch aus Deutschland und Österreich. Die bekannteste ist wohl die Alpen-Donau-Seite, auf der gegen "Stänkerjuden" gehetzt wird, die Demokratie abgelehnt und eine Art Endzeit-Rassen-Abwehrkampf unter dem Motto "Nationalismus oder Untergang" geplant wird. Alles mit einschlägigen Symbolen, Flaggen, Büsten der "Herrenrasse" und Karikaturen von "Untermenschen" bebildert.
Und das, obwohl es doch in Deutschland wie Österreich entsprechende Gesetze gibt, nach denen das Verbreiten von NS-Ideologie verboten ist. Aber das Internet kennt halt nur wenige Grenzen und das First Amandment ebenfalls. Deshalb liegen viele dieser Seiten auf US-Servern und die Provider können nicht dazu gezwungen werden, ihre Kundendaten herauszugeben.

Cyber Hate ist der Fachausdruck für all diese virtuellen Widerlichkeiten, von Neonazis und militanten Homophoben bis zu opportunistischem Nachgeplapper populistischer Sprüche nach dem Strickmuster Ausländer raus. "Wir haben so zwischen 70 und 100 Meldungen im Jahr, die Rassismus im Internet betreffen," sagt Barbara Liegl von Zara, "wobei die meisten davon strafrechtlich nicht relevant sind." Grundsätzlich ist nämlich das plumpe Ausländer-raus-Gequatsche nicht strafbar, relevant wird es erst beim Verbotsgesetz, laut dem grob gesagt die Verherrlichung und Verfolgung der Ziele der NSDAP verboten sind. Medienanwalt Michael Pilz: "Wenn ich posten würde, dass ich einer NS-Gruppe beitrete, ist das strafbar." Ebenfalls wichtig in dem Zusammenhang: Verhetzung, das ist der Aufruf zu feindseligen Handlungen gegen zum Beispiel Religionsgemeinschaften, ethnischen oder anderen Gruppierungen.

Und dann ist da natürlich noch der große Bereich des Persönlichkeitsrechts. "Das sagt im Wesentlichen, ich darf über Personen nichts verbreiten, das geeignet ist, ihren guten Ruf zu beschädigen oder ihre wirtschaftliche Reputation zu beeinträchtigen." Jemanden des Diebstahls zu bezichtigen ist also keine gute Idee. Es sei denn, man kann diese Anschuldigung auch beweisen. Bei Gerüchten, die in die Privatsphäre eingreifen, nutzt auch der Beweis nichts: "Es geht niemanden etwas an, wie der Zustand meiner Gesundheit ist, welche sexuelle Orientierung ich habe, was ich in meinem privatesten Lebensbereich tue oder unterlasse," sagt Michael Pilz. Jemanden etwa öffentlich als homosexuell zu outen, auch wenn das stimmt, ist also strafbar. Auch wenn das "nicht böse gemeint" war. Diese Vergehen werden auch bestraft, denn sowohl auf Facebook als auch in Online-Foren hiesiger Tageszeitungen ist es relativ leich herauszufinden, wer hinter einem bestimmten Pseudonym steckt.

Ganz anders verhält es sich mit den Hintermännern der Alpen-Donau-Seite. Die verstecken sich hinter den Gesetzen der Vereinigten Staaten. Trotzdem ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Identität der Kameraden auffliegt und sie sich neben Verhetzung und dem Verbotsgesetz vermutlich auch wegen gefährlicher Drohung und dem berüchtigten Mafiaparagraphen verantworten müssen.