Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Song Zum Sonntag: Destroyer"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

5. 12. 2010 - 16:17

Song Zum Sonntag: Destroyer

Man kann nicht weg: Chinatown

Cover vom Destroyer Album "kaputt"

mergerecords.com

Idylle, Zartheit, Watte. Und doch kein Ausweg. Wir "kennen den Soundtrack" deshalb "können wir nicht weg", weg aus Chinatown. Hier trinkt man Wein aus Porzellanschalen und hört dem Meer zu. Was für ein Film gemeint ist, weshalb wir nicht weg können, wo Chinatown liegt, all das wird nicht gesagt: Man wird nur aufgefordert zuzuhören, wie schön der Wind zum Meer spricht. Bescheiden und rätselhaft wie in einem (ausgerechnet) japanischem Haiku. Wer das Rätsel nicht als solches akzeptiert, wer zu erklären versucht, warum imitten dieses Dialogs von Wind und See eine ganze Regierung von einem Windstoß weggespült wurde, dem soll es zum Nachteil sein. Also schauen wir bescheiden zum Himmel und fallen zu Boden.

Portrait Dan Bejar von Destroyer neben einer Skulptur

destroyersongs.com

Destroyers Musik hat schon immer rätseln lassen, warum die Band diesen doofen Metalnamen für ihre schwelgerische, leicht düstere Musik gewählt hat. Warum er ihn gewählt hat, denn Destroyer ist das ambitionierte Solo-Hauptprojekt des sonst als Sänger der New Pornographers arbeitenden Dan Bejar. Seine Musik schreibt und spielt Bejar meist alleine, live sind die völlig anders gearteten Frog Eyes als Band dabei. Destroyers Musik war auf seinen letzten acht (!) Platten nicht selten düster und elektronisch, wenn auch immer erhaben-melodisch, seine Texte rätselhaft und introspektiv, seine Stimme - obwohl nicht im geringsten "gewaltig" - oft genug an einer (wenn auch eben "stillen") Variante von Soul angelehnt.

Über Destroyer macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.

"Chinatown", der Vorbote auf das neue Destroyer Album "Kaputt", führt Dan Bejar von der Fußgängerzone in der Einkaufsstraße in die Hotelhalle. Dort wurde er hereingebeten und spielt er leise, leicht jazzige Gitarrenakkorde mit Flageolett-Effekten, ihn begleitet eine Harfe und - meines Wissens zum ersten Mal- eine Frauenstimme (sie gehört der Sängerin Sibel Thrasher). Sie verleiht "Chinatown" eine zusätzliche Leichtigkeit und Süße, die einen unweigerlich an Prefab Sprout denken läßt. Dazu zwirbelt das Hotelband-taugliche Trompeten- und Saxophonsolo, wie man es seit den hässlicheren Tagen der 80er und Grover Washington nicht mehr mag - wie es aber Van Morrison, Kevin Ayers und sogar - jawohl - Joe Jackson in ähnlichen Stimmungen schon schön einzusetzen wussten. Softrock, nennt das Thomas Kramar, vielleicht kann sogar dieses Genre noch gerettet werden - wenn dann von jemandem, der sich Destroyer nennt und Wein aus Porzellanschüsseln trinkt.