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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

5. 12. 2010 - 16:00

Mind in a Box

Österreichs prominenter Grufti-Export ist in der Schwarzen Szene von Leipzig bis Moskau gerne gesehen. Auch darüber hinaus macht die fünfköpfige Futurepop-Band eine gute Figur.

Die Wiener Futurepop-Band mind.in.a.box zu fünft, schwarz gekleidet, auf einem alten Holzboden im Freien stehend.

mindinabox.com

mind.in.a.box

"Es ist die einzige Szene, in der es auch solche Bands gibt, wie wir es sind." antwortet mind.in.a.box-Gründer Stefan Poiss auf die naheliegende Frage über das Eingebettetsein in den elektronischen Arm der Schwarzen Szene. Weder Musikprogrammierer und Sänger Stefan noch Texter Markus Hadwiger tragen schwarze Ledermäntel und dicke Stiefel mit vielen Schnallen. Doch sie wertschätzen das große Interesse und die Anerkennung, die ihnen aus dem Publikum von Leipzig über Kanada bis Moskau entgegenweht. "Interessanterweise sind jene Leute, die extra wegen uns kommen, meist keiner konkreten Szene zugeordnet." fügt Stefan Poiss hinzu.

Keine Luft zwischen Dodel- und Distinktionstechno

Handelt es sich hier um eine bewusste Abgrenzung von der üblichen Pop- und Clubwelt? Ein bisschen bestimmt. Denn in der vielfältigen Welt der elektronischen Musik gibt es verblüffend wenig Platz für Bands wie mind.in.a.box. Die Luft ist dünn zwischen einfältigem Dorfdiscogewummere und schnöseliger Intelligenz-Elektronik, bei der man zu jeder Tanzbewegung idealerweise immer auch gleich die gesamte Detroit-Techno-Geschichte mit rausschwitzen sollte. Möglich ist das Flüchten in neu aufgekommende Subgenres oder der Kunstgriff, das (scheinbar) Dumme als Ventil auch in intellektuellen Kreisen salonfähig zu machen. Die aktuellen Beispiele dafür reichen von Deichkind bis Frittenbude, von einem viralen Video zum nächsten. Doch die Möglichkeiten, ohne Anspielung, Sarkasmus, Proll und Distinktion geradlinige elektronische Musik zu produzieren, die in Bezug auf Genre und Klangfarbe vielleicht auch noch tiefes Stirnrunzeln bei der DJ-Geschmackspolizei hervorruft, sind rar gesät.

Markus Hadwiger und Stefan Poiss von der Wiener Futurepop-Band mind.in.a.box.

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Markus Hadwiger (links) und Stefan Poiss

Verständlich also, dass mind.in.a.box sich nicht um Vernetzung innerhalb der geschmäcklerischen Clubszene kümmern und stattdessen lieber konsequent und kompromisslos ihren Sound machen und ihn dort auf die Bühne bringen, wo er geschätzt und gehört wird. Bereits seit dem Debüt-Album "Lost Alone" (2004) pendeln die Stücke der Band zwischen Elektro- und Synthpop, Techno und Trance. Die Vocals werden wahlweise wild mit Pitchfiltern verfremdet oder in düster-mysteriöser Stimmlage eingesungen. Album für Album erzählt mind.in.a.box eine zusammenhängende Science-Fiction-Geschichte, die neben den Songtexten auch vom Artwork in den CD-Booklets und aufwändig abgefilmten Videoszenen bei Livekonzerten unterstützt werden.

R.E.T.R.O.

Das Cover des vierten Albums der Band mind.in.a.box: Eine C64-Datasette auf schwarz-blauem Hintergrund im Design von Leiterplatinen.

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Der ursprünglichste Einfluss für ein ehemals kleines Zwei-Mann-Musikprojekt sind aber die Klänge alter Homecomputer- und Videospielsysteme - vornehmlich jene des Commodore 64. Der dort integrierte SID-Soundchip war für Markus und Stefan - heute beide in ihren späten 30ern - ein erstes musikalisches Erweckungserlebnis. Die in mühsamer Kleinarbeit minutiös und gewissenhaft zusammenprogrammierten Musikstücke von heute in der Retro-Gaming-Szene als Helden gefeierten Komponisten wie Rob Hubbard oder Martin Galway werden auch von ungeübten Ohren als originär und herausstechend wahrgenommen.

Die Ehrfurcht der Fans war groß. Erst nach drei Alben, einem erfolgreich umgesetzten Live-Konzept und beachtlichem internationalen Zuspruch, wagen sich Stefan Poiss und Markus Hadwiger 2010 daran, die Lieblingsmusikstücke ihrer Kindheit anzugreifen und ihnen gebührend zu huldigen. Das vierte Album von mind.in.a.box wurde "R.E.T.R.O."getauft und zu einem Konzeptalbum, das C64-Klassiker wie die Soundtracks zu Games wie "Last Ninja 3" oder "Lightforce" neu aufleben lassen. Dazu gibt es eigene, neue Stücke der Band - Elektropop-Songs wie etwa "8 Bits".

As made famous by ...

Das Retro-Album ist nicht die erste Verbindung mit Videospielkultur, die die Band vorweisen kann. Mind.in.a.box waren davor bereits mit jeweils einem Song in Soundtracks zu drei Xbox-360-Games vertreten: "Crackdown" und "Project Gotham Racing", Teil 3 und 4. "Wir dürften einen Fan bei Microsoft haben, der für das Kompilieren der Soundtracks zuständig ist." meint die Band dazu bescheiden. Neben einer Inkludierung in einer Vielzahl an Goth-Compilations ist ein Song der Band übrigens auch im Soundtrack des Films "Saw II" zu finden.

Neuer Start nach der Winterpause

Derzeit stehen keine Konzerte und Touren an. Die letzte ist im August gemeinsam mit der prominenten kanadischen EBM-Band Front Line Assembly durchgeführt worden. Gigs in Österreich sind rar, meistens spielen mind.in.a.box bei Festivals in Skandinavien und Russland. "Wo es lange dunkel ist, mögen die Menschen unsere Musik besonders gerne." merkt die Band amüsiert an.

Der FM4 Soundpark mit Robert Glashüttner, in der Nacht von Sonntag auf Montag von 1-6 Uhr. Den gesamten Ablauf gibt es im Radioprogramm zum Sonntag.

Ob Konzerte oder nicht, schon in der kommenden Nacht werden mind.in.a.box in einem ausführlichen FM4-Soundpark-Interview Rede und Antwort stehen. Stephan sowie die Livemusiker Roman, Adam und Gerhard werden im Studio zu Gast sein und über ihre Bandgeschichte, ihre Zusammenarbeit im Studio und auf der Bühne und ihr neues Album sprechen. Nach der Sendung gibt es das Interview eine Woche lang als Stream zum Nachhören, darüber hinaus wird in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch von 3 bis 5 Uhr Früh eine Wiederholung ausgestrahlt.