Erstellt am: 5. 12. 2010 - 14:56 Uhr
Herz an Großhirn
Ich müsse jetzt endlich den Otto-Text schreiben, sage ich zu H. Hallo Echo, hallo Otto, meint der und ich gluckse. Zum ichweissnichtwievielten Male in meinem Leben gluckse ich über den gleichen Witz. Wie so viele, deren Kindheit in die 80er Jahre fällt (und das gilt für die 70er Jahre Kindheiten ebenso), ist Otto Waalkes ein Trigger für Erinnerungen an Nachmittage, an denen die Otto-Platten in Wohn- oder Kinderzimmern ertönten, man sich vor Lachen am Boden kugelte oder Schulpausen, in denen man sich Otto-Witze erzählte; da es gab es in jeder Klasse immer einen, der die Stimme, die von ganz hinten im Mundraum zu kommen schien, am besten nachmachen konnte. Otto war unser kleinster gemeinsamer Nenner und manchmal sogar Waffenstillstand-Initiator. Wenn wir uns am Heimweg von der Schule Otto-Witze erzählten, haben die Trottelbuben glatt darauf vergessen, die Pia/Bier-Witze zu machen, die mich damals so getroffen haben.
Der Würger von Wolfenbüttel
rüssl räckords
Als der 24jährige Otto Waalkes 1972 die Bühne betritt, schlägt er die Scheiben des deutschen Humorhauses ein, der Mief kann entweichen. Im deutschen Kino der 70er Jahre läuft sich die "Lümmelreihe" tot, Ilja Richter, Theo Lingens und Hansi Kraus ersticken in biederen Pennälerpointen. Wie sich der deutsche Film Anfang der 60er Jahre von Papas Kino, dem Genrekino verpflichtenden Routinehamsterrad, das einen Winnetou- oder Edgar Wallace Film nach dem anderen ausspuckt, befreien muss, so muss auch die deutsche Humortradition einen Befreiungsschlag leisten. Otto wird der personifizierte Arschtritt für den verstaubten Herrenwitz. Zwar setzte auch der 1979 verstorbene Heinz Erhardt - auf den sich Otto in den Anfangsjahren stark bezieht - bereits auf Wortspiele und -verdrehungen, ist wohl aber auch gerade für jüngere Leute, aufgrund seiner Erscheinung und seinen Rollen in den krampfig gutgelaunten padauzfallera-Wirtschaftswunderkomödien, weniger reizvoll gewesen.
Schauen sie nach dem Baby
otto waalkes
Otto Waalkes versieht Erhardt-ähnliche Wortspiele mit ordentlich Tempo, wechselt Requisiten, Stimmen und Grimassen und wo die deutsche Komödie diffus immer noch von Backfischen und Beatmusik spricht, wird Otto zum popkulturellen Wurlitzer-Fleischwolf: Elvis, Beatles, Falco, Nena, Spider Murphy Gang, Udo Lindenberg und Trio. Werbung, Filme, Musik - Otto greift einfach nur auf, worüber ohnehin gerade geredet wird. Und wenig freut ja den normalverbrauchenden Komödienkonsumenten als das Entdecken von bereits Bekanntem. Da wird schon gelacht, bloß weil man weiss, um wen oder was es geht. (Dumpfkeulen-Comediens wie Michael Mittermeier oder Mario Barth bauen allein auf dieses Prinzip; die Pointe geht da schon längst stempeln, die braucht keiner mehr, hier gehts um reines Nacherzählen und Reizwort-Mechanismen).
Der Rächer mit dem Becher
Ewiges Highlight aus dem Waalkes-Oevre bleibt das eigentümliche "Dupschek", eine a-capella Nummer bestehend aus Politikernamen (und King Kong), ein bizarres, einzigartiges Kleinod. Das bleibt auch eine der wenigen Ausnahmen, in denen Politik - wenn auch nur in einer Namensaufzählung - Platz in Ottos Programm findet; ein zweites Beispiel "Der Weiher trüb, die Luft ist rein - Franz-Joseph muss ertrunken sein", das sich auf Franz Joseph Strauss bezieht, klingt wieder fast nach Heinz Erhardt und wird wohl aus Robert Gernhardts Feder stammen. Der 2002 verstorbene Gernhardt, Mit-Begründer der Neuen Frankfurter Schule, lernt Waalkes in den 70er Jahren kennen und er wird bis in die 80er Jahre wichtiger Gagschreiber und Drehbuchautor für ihn sein. Gernhardt ist für manche der Schlüssel zu Ottos Erfolg, die graue Satire-Eminenz hinter dem hyperaktiven Friesenkasper. Gemeinsam mit Bernd Eilert und Peter Knorr schreiben sie das Drehbuch zu "Otto- der Film". Die Komödie wird zum Kassenschlager und erfolgreichsten deutschen Film (bis er 2001 von Bully Herwigs "Der Schuh des Manitu" abgelöst wird). Gernhardt ist auch noch an den Drehbüchern der folgenden drei Otto-Filme beteiligt; der Erfolg dieser Filme bleibt weit hinter dem des ersten zurück. Ottos Stern beginnt zu verglühen.
tobis
Wo sind die Kinder von Frau Modern und Frau Talking?
Mitte der 80er Jahre wird Kabelfernsehen mit einer davor unbekannten Fülle an Inhalten zum Valium für das Volk; im deutschen Kino feiert die Beziehungskomödie große Erfolge; Gerhard Polt und Loriot widmen sich in Kino und TV deutschen Spleens und Spinnereien. Gib Gas, ich will Spaß, heißt es an an allen Ecken und Enden. Otto ist längst nicht mehr Chef am Platz der Heiterkeiten,
Er bleibt in seinem Hamsterrad, seinem Werkkatalog wird kaum Neues hinzugefügt; es grenzt an Verzweiflung wie er durch reine Wiederholung des einst so Erfolgreichen versucht, an alte Zeiten anzuknüpfen. Mehrere Fernsehserienversuche scheitern genauso wie 2001 "Otto - der Katastrofenfilm". Den hab nichtmal ich mir noch angeschaut. Geht er auf Tour, sind die Hallen weiterhin gefüllt. Seine Shows sind Zeitmaschinen, Nostalgie der Fluxkompensator.
Theo, wir fahren nach Lodz
Seit 2004 wird Otto nicht mehr als alleiniges Zugpferd vor den deutschen Komödienkarren gespannt, sondern ist nur mehr Teil eines Ensembles. Nach den beiden "7 Zwerge"-Filmen bringt Regisseur Sven Unterwaldt jetzt "Otto's Eleven" ins Kino. An der Seite von Rick Kavanian, Mirco Nontschwew und Max Giermann kalauert sich Otto durch einen müden, dem Sketch und der Biederkeit verpflichteten Film. Dass die Darsteller alle auf unterschiedliche Komik setzen, ist dem Film egal, aus Parodie, übertriebener Mimik, Kalauern, Wortwitz und Slapstick wird ein unausgegorener Fleckerlteppich des komödiantischen Scheiterns gewebt.
Otto wurlitzert sich durch den eigenen Werkkatalog, borgt sich Schmähs aus der "Nackten Kanone"-Reihe aus und selbst der rasende Reporter Harry Hirsch wird nochmal zum Einsatz bemüht. Sky du Mont gibt den eitlen Casinobesitzer Jean du Merzac, von dem Otto und seine Freunde von Spiegeleiland ein Bild zurückstehlen müssen. Der beste Witz des Films ist der Name des Ortes, in dem das Casino steht: Bad Reibach. Auch das ist allerdings Restlverwertung der good old days, bereits im ersten Otto-Film gab es die steinreiche Familie namend zu Kohlen und Reibach.
tobis
Ein Moment, in dem ein Funke überspringt ist eine Szene, die im Otto Oevre neu, aber eine Hommage an die Marx Brothers ist (deren Mutter übrigens auch aus Friesland stammt). Das Neue bei Otto ist also was Altes. Aua. Der anarchische Ansatz ist schon lange verpufft, der Stillstand macht Otto Waalkes inzwischen genauso miefig wie die "Lümmel-Filme", gegen deren Kleingeist-Klamauk er damals angetreten ist.
Ob ich denn schon fertig sei, mit dem Otto-Text, fragt H. Ja, sag ich und greife zum Kaffehäferl. Und gluckse schon wieder. Was los sei, fragt H. Mein Kaffe kann sprechen, sag ich. Wie heißts bei Douglas Coupland? Nostalgia is a weapon.