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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

4. 12. 2010 - 13:38

Menschen in Scheiß Hotels

Berlins neues Musikerhotel in Alptraumpink.

Berlin hat ein neues Hotel, das wäre nicht weiter verwunderlich oder ärgerlich, wäre es nicht das Musikerhotel "nhow", das direkt am umkämpften, gentrifizierten Spreeufer protzt und dem Passanten mit seinem riesigen Werbebanner "Check ein in die Welt der Musik!" tiefes Unbehagen verursacht.Vorbildlicherweise wurde dann am letzten Samstag auch gleich dagegen demonstriert.

Was Berlin gefehlt hat, ist ja ganz bestimmt ein Luxus- Musikerhotel mit Zimmerpreisen von 170 bis 2500 Euro. Aber das Spreeufer soll nun mal zum Standort der "creative industries" umgebaut werden, die Plattenfirma Universal, MTV und die O2 Arena - der Kotzbrocken der Berliner Hallen -sind ja schon da.

Nhow von innen

nhow

Da fällt einem unwillkürlich Rene Pollesch ein: Menschen in Scheiß Hotels

Der Innenbereich des Luxushotels ist ein Alptraum in Pink, eine blöd-futuristische Barbiewelt- so fühlen sich also Hoteldesigner in die Wohnwünsche der Musiker ein. Außerdem braucht der Musiker natürlich Tag und Nacht Musikkanäle und ein Tonstudio, damit er, falls ihn zum Beispiel beim Frühstück grade eine musikalische Eingebung überkommt, sofort alles aufnehmen kann. Auf Wunsch bringt der Zimmerservice eine Gibson-Gitarre ans Bett. Schon die Hotel- Homepage wirkt auf den sprachempfindlichen Menschen wie ein Brechmittel:

"Ein Erlebnis-Crescendo bietet auch das nhow Restaurant Fabrics mit internationaler Küche von Basic bis Fine Dining.Wer es lieber digital mag, findet auf den Zimmern State-of-the-Art-Technologie: iPod-Anschlüsse, über 30 TV- und 100 Radio-Musiksender".

Man wirbt damit, das erste Musikerhotel Deutschlands zu sein, eine dreiste Lüge. Berühmt-berüchtigt ist nämlich die "Kogge” in Hamburg - als Musikerin hofft man immer, dort nicht übernachten zu müssen. Aber die Logis wird im Tourgeschäft nun mal vom Veranstalter organisiert und ist ein echtes Glücksspiel. Die "Kogge” wird von ganz reizenden Menschen betrieben, aber leider erliegen auch sie dem Irrtum, man wolle als reisende Musikerin ein crazy lautes, nicht allzu gemütliches Hotel haben - und so sind die Zimmer zwar unschlagbar preiswert, aber immer ein bisschen kalt und klamm und in etwa so heimelig wie in eine leerstehende Jugendherberge. Dafür wird die Kneipe im Erdgeschoss stets gut besucht und bespielt und die Bässe wummern die ganze Nacht durchs Haus. Aber deshalb liegen auf dem Kopfkissen ja auch Ohrstöpsel als Betthupferl.

Themenzimmer im Kogge Hamburg

Kogge Hamburg

Themenzimmer "Punk Royal" in der Kogge

Wer hat bloß den Irrglauben in die Welt gesetzt, Musiker bevorzugten in Hotels einen "abgerockten" Stil und würden gerne in Themenzimmern schlafen? Trotzdem ist die Kogge legendär und auch Vorbild der "Rock’n Roll Herberge" in Berlin-Kreuzberg. Da die Berlinerin nach Konzerten in Berlin selten im Hotel übernachtet, ist über den dortigen Schlafkomfort wenig zu berichten. Sommers bevölkert jedenfalls das Kreuzberger Crossover-Punk-Proletariat mit vielen Halstattoos und lieben großen Hunden die Tische vor dem Haus, welches mit den Konterfeis von Falco, Joe Strummer und AC/DC verziert wurde.

Woher kommt bloß dieser Irrtum "Musikerhotel"? Empfindet man diesen Menschenschlag als so problematisch, dass man ihn kasernieren und von "normalen" Hotelgästen fern halten will? Sind es die alten, immer neuen Rockklischees von Drogenexzess und Hotelzimmerzerstörung? Chelsea Hotel? Denken die Hotelbetreiber, man würde sich über selbstgebastelte Pop- oder Punk-Art, wilde Kunst aus Neonlampen und Konservendosen, Schrottskulpturen oder Bilder von springenden Gitarristen an der Wand freuen und sich dann besonders wohlfühlen? Persönliche, repräsentative Umfragen haben ergeben, dass sich der reisende Musiker ein schönes, neutrales, warmes, ruhiges Zimmer wünscht, gerne mit TV, Minbar und Wlan, Frühstück bis 12 wäre toll. Wir Musiker sind so bescheiden.

Und ohne mich jetzt an das österreichische Publikum anschleimen zu wollen: Das beste Musikerhotel ist sowieso das Hotel Fürstenhof in Wien. Das bleibt seinem leicht zerschlissen-vornehmen Stil seit Jahrzehnten treu und muss das Haus nicht mit Themenzimmer verunzieren. Die Herren am Empfang tragen Anzüge und wirken überkorrekt, aber man kann sich dort noch so seltsam und wüst aufführen, man kann im schlimmsten, verstrahlten Zustand am frühen Morgen klingeln und Einlass begehren - stets wird man höflich und nett behandelt, wird die eigene Derangiertheit von den Portiers vornehm ignoriert.