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Elisabeth Gollackner

Subjektivitäten, Identitäten und andere feine Unterschiede.

2. 12. 2010 - 14:04

Oh! Jetzt gibt's Klesch

Krampus oder Nikolo oder ein Abszess am Arsch.

Oh! - Irritationen im Alltag

Man klärt mich in der täglichen Gratisbroschüre darüber auf, dass in urbanen Gebieten Österreichs bereits mehr als 90% der Nikolausbesuche ohne Krampus stattfinden. Die Familien-Expertin, die dazu Stellung nimmt, findet diese Tatsache äußerst bedenklich: "Es entspricht nicht der Realität, dass es im Leben für Handlungen nur gute Konsequenzen gibt."

Comicstil; jemand denkt an eine Rute.

elisabeth gollackner, fm4

Als brave österreichische Staatsbürgerin kann ich der Expertin da voll und ganz beipflichten. Niemals hätte ich mich zu dem Menschen entwickeln können, der ich heute bin, wenn ich nicht beim leisesten Glockenbimmeln panisch vor Angst hinter Altglascontainer oder Wahlwerbungsständer hechten würde. "Daham statt Islam" lausche ich dann zusammengekauert und andächtig den bösen Konsequenzen, die meine Handlungen haben könnten. Vater Staat hat seine Freude an mir: Ich bin ein leicht zu lenkendes Subjekt, wenn man mit Kettenrasseln oder Almabtriebswerk hantiert.

Auch täglicher Überwachung in sämtlichen Lebensbereichen stehe ich demütig und gelassen gegenüber. Ich weiß, dass alles im großen Buch des alten Mannes steht. Und dass Videokameras und so genanntes "Security-Personal" inzwischen klar ersichtlich ausgewiesen werden, ist ein großer Fortschritt zum Nikolo'schen Geheimdienst meiner Kindertage, der scheinbar (wie nur?) Einblick in die intimsten Bereiche meines Lebens hatte.

"Es war ein Abszess auf meiner linken Pobacke, so groß wie ein Golfball", sagt A. zu mir am Weihnachtsmarkt. Nach dem dritten Punsch ist jeder Mensch soweit, der möglichen Bloßstellung durch den Nikolo gesprächig zuvorzukommen, und er erzählt mir in farbigen Details von Erbmasse, Hygiene, tagelangen unerträglichen Schmerzen, und vom erleichternden Aufplatzen des Abszesses, als er sich gemütlich auf einen Sessel flenzen wollte. Ich gaffe in meinen Marillen-Ingwer-Punsch, der in etwa die selbe Farbe haben dürfte wie eben erwähnte Flüssigkeit, und suche nach eigenen Krankheiten oder Unfällen, die seine Geschichte toppen könnten.

Und es fällt mir ganz leicht, ruhig und gelassen in den Punsch zu gaffen und Schmäh zu führen. Denn wenn die Glocken kommen, dann versteck ich mich einfach hinter A.s inzwischen wieder gut verheiltem Arsch. Nie alleine auf Weihnachtsmärkte, das ist die Regel. Am besten mit großen, starken Menschen an deiner Seite. Das könnte man noch anfügen: Der Besuch des Krampus fördert eindeutig den Gemeinschaftssinn. So als P.S. für die Familien-Expertin, falls sie noch Argumente braucht.