Erstellt am: 2. 12. 2010 - 10:38 Uhr
Junglistic Sista
1998. Als Spätzünder erarbeite ich mir erst im Alter von knapp 20 die grundlegenden Schritte im gezielten Wahrnehmen von Popmusik, im Sortieren von Clubkultur. Damals, Ende der 1990er Jahre, ist in Österreich gerade die Hochzeit der experimentellen Elektronik. Jazz wird statt mit weichgespülten Lounge-Sounds nun mit Gefrickle aus dem Laptop gepaart und damit zur einer Art neuen Avantgarde. Das konzentrierte Starren auf die Maschine wird zum Synonym für die neue musikalische Ersthaftigkeit.
Ganz entgegengesetzt zu dieser eher introvertierten Euphorie ist das schweißtreibende Rollen und Knallen von Jungle und später Drum'n'Bass, das zur selben Zeit passiert. Noch eher scheu gegenüber der wilden Parties beschränke ich mich beim Weggehen zunächst mal auf die intellektuelle Revolution und höre LTJ Bukem und Co. nur auf CD. Doch die Partyankündigungen fallen mir schon damals auf. Shroombab ist ein Name, der immer wieder in meiner Inbox auftaucht. Es sind Infos zu Veranstaltungen, Aufforderungen, sich zu vernetzen, News über die zur damaligen Zeit noch sehr junge, vibrierende Drum'n'Bass-Szene.
Wer ist Shroombab?
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Wicked
1997. Die damals 18-jährige Barbara Wimmer zieht von Oberösterreich nach Wien, hängt zunächst mal Querflöte und Grunge-Gitarre an den Nagel und stattdessen lieber im "Wicked" im Flex ab. Club-Sounds und vor allem schnelle Breakbeats faszinieren Barbara im Speziellen. Bald wird sie von der Partygeherin zur DJ. Bei ihrem ersten öffentlichen Gig im Alten AKH in Wien gibt es zunächst noch wenig Drum'n'Bass-Einflüsse, das Set ist aus Big Beat- und Funk-Stücken zusammengesetzt. Die Liebe zum gebrochenen Rhythmus ist aber schon klar erkennbar. Binnen weniger Monate wird aus Barbara Shroombab, und dem verspielten Big Beat weichen die dunklen, wabernden Synthie-Sounds des Drum'n'Bass.
2002. Shroombab setzt den nächsten Schritt und wird zur Produzentin. Sie tut sich mit dem Mannheimer Musiker Polarity zusammen und veröffentlicht mit ihm gemeinsam ihre ersten 12-Inch-Maxis auf ihrem eigenen, neu gegründeten Label "High Tension Recordings". Für die Bühne holt sie sich Verstärkung von der Kollegin MC Terra und gründet das Netzwerk "Junglistic Sistaz" für Frauen in der Drum'n'Bass-Szene. Shroombabs eigene Erfahrungen in der männerdominierten Clubszene und beim Leiten von DJ-Workshops sind ernüchternd.
- Shroombab im FM4 Soundpark
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high-tension-rec.com
"Eine Workshop-Teilnehmerin habe ich zwei, drei Jahre später wieder getroffen. Und was war sie? Sie war leider kein DJ, sondern nur die Freundin eines DJs. Ich habe ihr gesagt, dass sie das auch drauf hätte. Ich versuche, gerade junge Frauen zu motivieren - manchmal gelingt es, aber meistens eher nicht."
Barbara Wimmer ist als international erfolgreiche Produzentin und Plattendreherin in den darauf folgenden Jahren immer wieder eine gefragte Interviewpartnerin. Ihr selbst, sagt sie im FM4 Interview, gehe es aber weniger um Ego und Namen als um gute Tracks und eine lebendige Szene. Drum'n'Bass bleibt über die Jahre hinweg die große Leidenschaft von Shroombab. Obwohl der Vorwurf des Stillstandes und der fehlenden Weiterentwicklung immer größer wird, bleibt das Interesse in einigen Ländern - vor allem Großbritannien, Österreich und in Osteuropa - weiterhin groß. Das sorgt für Motivation und Euphorie, auch wenn sich musikalisch nur mehr wenig weiterentwickelt.
Dubstep
Der wichtigste Einfluss auf Drum'n'Bass in den letzten Jahren war eindeutig Dubstep. Obwohl diese Stilrichtung sehr eigenständig ist und von sich aus andere Clubmusik-Genres prägt, ist die Nähe von Dubstep zu Drum'n'Bass nicht zu überhören. Nach Jahren des Hypes ist laut Shroombab die Luft aber heute fast schon wieder draußen.
"Dubstep hat eine rasante Entwicklung hingelegt und in wenigen Jahren das geschafft, was Drum'n'Bass in 15 Jahren geschafft hat. Im Dubstep sind in fünf Jahren alle Stile, die im Drum'n'Bass jemals existiert haben, runtergenudelt worden - böse gesagt. Das heißt, es ist schon wieder an einem Punkt angelangt, wo rein musikalisch, von der Entwicklung her, nicht mehr viel Spielraum ist."
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high-tension-rec.com
Splendid!
Radiotipp:
Ein ausführliches Interview mit Shroombab sowie eine Listening Session durch "Splendid!" gibt es in der kommenden Nacht von Sonntag auf Montag im FM4 Soundpark zu hören.
Ihren Enthusiasmus lässt sich Barbara Wimmer aber auch zwölf Jahre später nicht nehmen. Sie ist dem Drum'n'Bass und seinen wichtigsten Subgenres Neurofunk und Techstep weiterhin treu und hat nach einigen Maxis und EPs nun ihr erstes Album veröffentlicht. Auf Shroombabs Debüt "Splendid!" sind nicht nur eigene Tracks von Barbara vertreten, sondern auch einige Remixes von Freunden und Kollegen, denen sie eine Plattform bieten möchte. Der Sound ist einigermaßen puristisch, wird aber im zweiten Teil des Albums auch etwas mit Dub, Dubstep, Nu Breaks und sogar Anleihen von Reggae-Beats aufgelockert.
Die Frage, ob das Album nun eine Art Endpunkt nach Shroombabs beeindruckender Musikkarriere - über 800 DJ-Gigs in 26 Ländern! - darstellt, wird von Barbara Wimmer heftig verneint. Nochmal zwölf Jahre werden es vielleicht nicht werden, aber müde ist die Königin des österreichischen Drum'n'Bass noch lange nicht.