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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

3. 12. 2010 - 11:06

Dümmer als die Polizei erlaubt

In "Kottan ermittelt: Rien ne va plus" feiert eine der legendärsten heimischen TV-Figuren ein Kino-Comeback.

Begonnen hat alles an einem Tag lange vor der FM4-Zeitrechnung. Am 8. August 1976 strahlt der ORF ein Fernsehspiel mit dem Titel "Hartlgasse 16a" aus. Ein bitterböses Stück Sozialsatire ist das, rund um einen Mord in einer Wiener Altbauwohnung. In der Hauptrolle ermittelt Peter Vogel als zynischer Polizeimajor Adolf Kottan unter den gehässigen Mietern.

Der schnauzbärtige Kieberer, der sexistische Bemerkungen ebenso kultiviert wie diverse Vorurteile, lässt noch in der selben Nacht die Telefone heißlaufen. Es hagelt Proteste gegen Autor Helmut Zenker und Regisseur Peter Patzak, vor allem auch von Seiten der Polizei, die sich schwer verunglimpft fühlt.

Ein Jahr vergeht, bis eine weitere Folge von "Kottan ermittelt" auf dem Programm steht. Spätestens da wird klar: Hier treffen damals beliebte TV-Krimi-Versatzstücke auf eine rabenschwarze Wiener Sarkasmustradition, als deren kongenialster Vertreter wohl Helmut Qualtinger gilt.

Das Dreamteam Zenker und Patzak hält dem muffigen Österreich der späten Siebziger einen Spiegel vor. Meilenweit weg von jeder moralistischen Zeigefingerhaltung funktioniert "Kottan" aber auch einfach als großartige Fernsehunterhaltung, die halt gleichzeitig ein bisserl weh tut. Zumindest am Anfang.

Kottan ermittelt

ORF

Nach dem tragischen Selbstmord von Peter Vogel übernimmt Franz Buchrieser in weiteren Episoden die Hauptrolle. Für manche Fans, zu denen sich auch der Schreiber dieser Zeilen zählt, ist sein lakonischer Kottan im zerknautschten Trenchcoat die perfekteste Verkörperung.

Unverändert bleibt das Team an seiner Seite: Der wahnwitzige Curt A. Tichy agiert zunehmend hysterischer als übereifriger Volltrottel Schrammel, Walter Davy legt als einbeiniger Dezernatsleiter Schremser eine unglaubliche Lässigkeit an den Tag und setzt seine Krücke auch gerne als Waffe ein.

Während der Major Kottan - weil: Inspektor gibt’s kan! - zunehmend wurschtiger und abgeklärter durch die Wiener Unterwelt stolpert, aber auch weniger misanthropisch der Umwelt gegenüber, ändert sich auch der Humor der Serie. Absurde Pointen nehmen zu, die Witze werden lockerer, aber die Bosheit bleibt eine Grundkonstante.

Kottan ermittelt

ORF

1980 kommt es zu einer weiteren Mutation. Lukas Resetarits ermittelt von nun an als flotterer, jugendlicher Kottan in Latzhose und Lederjacke. Ab jetzt hagelt es groteske Einfälle, der Tonfall wird infantiler, auch die deutschen Fernsehzuschauer schalten nun ein. Zenker und Patzak tauschen das grantige Herumgifteln à la Qualtinger gegen bizarre Schmähs, die an zeitgleiche Komödien-Geniestreiche aus England und den USA erinnern, siehe etwa die Arbeiten der Zucker-Brüder.

Immer jenseitiger werden die Abenteuer der Herren Kottan, Schrammel und Schremser. Unzählige Popzitate sausen durch die Sendungen, es geht selbstreferenzieller als bei Tarantino zu, für die Playback-Gesangseinlagen, die zum Running Gag werden, gründet man Kottans Kapelle. Beklatscht wird diese patscherte Rock'n'Roll-Combo von Kurt Weinzierl, der sich als manischer Polizeipräsident Pilch an neue Overacting-Rekorde wagt.

Irgendwann kippt das Ganze aber vollständig. Aus der anarchischen Polizeipersiflage ist ein surreales Kasperltheater geworden. Als der Kottan 1983 zu ermitteln aufhört, tut das angesichts der letzten Folgen gar nicht mal weh.

Peter Patzak wendet sich neben Kinofilmen überwiegend der Malerei und der Literatur zu, Lukas Resetarits wird zu dem Kabarettstar, als den wir ihn kennen. Der Autor Helmut Zenker, zuvor eine Ikone der engagierten Arbeiterliteratur, kreiert mit der TV-Comedy-Serie "Tohuwabohu" eine Nummernrevue der müden Gags.

Kottan ermittelt

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27 Jahre nach dem Ende der Serie kommt es nun zu einem Comeback, an das kaum jemand noch geglaubt hat. Peter Patzak bringt die legendäre Figur zurück, Jan Zenker hat nach einer Idee seines verstorbenen Vaters das Drehbuch für "Kottan ermittelt: Rien ne va plus" geschrieben.

Ruhiger ist er geworden, zurückhaltender, die trockenen Sprüche sind dem Major Adolf Kottan aber geblieben. Und auch die Typen an Lukas Resetarits Seite. Allerdings tragen sie neue Gesichter.

Ausgerechnet Robert Stadlober hetzt jetzt als strohdummer und radikal verjüngter Schrammel durch die Szenerie. Der aus "Revanche" bekannte Burgtheater-Mime Johannes Krisch gibt den Schremser als langhaariges Vorstadt-Bohemien-Klischee. Den irren Präsidenten Pilch erweckt der omnipräsente Udo Samel, derzeit auch als bundesdeutsche Variante von Bruno Kreisky zu sehen, zum Leben.

Und jetzt muss es wirklich raus: Leicht macht er es einem nicht, der Kottan anno 2010. Bei aller Sympathie für Peter Patzak und trotz einer immensen Liebe für die Serie: Der Film knüpft direkt an deren eher unrühmliches Ende an, an den überzogenen Klamauk, sogar die kläglichen Tohuwabohu-Scherze flackern auf.

Kottan ermittelt: Rien Ne va Plus

Thimfilm

Dabei würde sich die aktuelle österreichische Stimmungslage für ein Kottan-Kinocomeback bestens eignen. Reaktionäre Haltungen regieren wieder wie damals in den späten Siebzigern, vermischt mit einem aalglatten Neoliberalismus.

Patzak thematisiert das inhaltlich auch alles, aber ohne jede realistische Erdung. Wo die alten und mittleren Kottan-Folgen geniale Wiener Milieustudien waren, gibt sich der neue Film stellenweise so abstrakt, das einem quälende Regietheater-Experimente in den Sinn kommen.

Und so stolpern die Darsteller, teilweise bemüht, teilweise fehlbesetzt, durch stilisierte Kulissen, agieren vor Videoeinblendungen oder zusammen mit schlechten Computeranimationen. Steril und extrem digital sieht das alles aus, authentisches Lokalkolorit fehlt, einen Hauch vom originalen Kottan-Flair findet man wohl eher in den letzten Wolf Haas-Verfilmungen.

Nur bei manchen Dialogen stellt es sich ein, das lakonische und auch bissige Trademark-Feeling. Wenn Ernie Mangold oder auch Lukas Resetarits selbst manche straubtrockene Schmähs loslassen, möchte man über den restlichen Film hinwegsehen. Aber das gelingt leider nicht. "Rien ne va plus", selten war ein Untertitel so passend.

Kottan ermittelt: Rien Ne va Plus

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