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Roland Gratzer

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30. 11. 2010 - 06:00

Kleine Gitarrenkunde

Heute: Hannes Duscher und ich erklären das Gewaltpotential von Popmusik und die naturgetreue Nachahmung von Schusswaffen auf einer Akkustikgitarre.

"Gewalt ist derzeit in aller Munde" - eine wahnsinnig windschiefe Metapher aber trotzdem nicht ganz falsch. Der Unmut über die Budgetpläne und Bankenrettungspakete der europäischen Regierungen treibt immer mehr Menschen auf die Straße. In Paris brennen immer wieder die Autos und Fouls am Fußballplatz landen ob ihrer Härte immer öfter beim Anwalt. Das seltsame Buch "Der kommende Aufstand" ruft zum gewaltvollen Widerstand gegen das System auf. Solange sich das deutsche Feuilleton allerdings nicht einigen kann, ob das Buch jetzt eher links oder rechts ist, muss sich das Establishment noch nicht im Keller verstecken.

Maskierte beim Cafetrinken

FM4

H.A.N.N.E.S. D. and R.O.L.I. G. im Untergrund.

Auch die Popmusik ist voller Gewalteinflüsse. Bestes Beispiel dafür ist M.I.A., die am 4.12. ein Konzert in Wien spielt. Ihr Vater war Mitglied einer paramilitärischen Organisation auf Sri Lanka und sie hat es sogar gewagt, in einem Lied das Kürzel "PLO" zu verwenden. Im Video zu "Born free" jagen Polizisten eine Schar von Rothaarigen durch die Wüste und knallen sie ab, ihre Hit-Single "Paper Planes" beinhaltet sogar echte Pistolenschüsse. Also Samples.

Handfeuerwaffen

Trotzdem ist dieser Song sehr leicht auf der Gitarre nachzuspielen. Die Akkorde wären zwar eigentlich D und G, die hatten wir aber schon in früheren Folgen. Deshalb nehmen wir einfach H und E und lernen damit wieder was Neues:

Gitarrengriff

FM4

E-Dur, ein alter Freund der Klampfe.
Gitarrengriff

FM4

H-Dur, ganz oben gespielt.

Den akustischen Schusswaffeneinsatz erzeugen wir durch schnelles Schlagen oder einfaches Klopfen auf den Korpus. Wahlweise noch ein bisschen mit ein paar Münzen shaken, und fertig ist das Soundsetting für M.I.A. am Kachelofen.

Maschinengewehr

Handliche Revolver sind aber nicht das einzige im Repertoire. In "Cop Killer" von Bodycount kommt gar ein vollautomatisches Maschinengewehr zum Bühneneinsatz. Dafür einfach das gleiche wie bei M.I.A. machen, nur halt ein bisschen schneller. Dieser Song eignet sich hervorragen für eine Bossa-Nova-Interpretation. Cocktail und Kalaschnikow, Karibik-Sozialismus quasi. Der Song beginnt mit einem Ab-Akkord. Laut Hannes Duscher ist das aber ein alter Nirvana-Schmäh. Die faulen Gitarristen stimmen einfach alle Saiten einen Halbton runter und spielen dann das altbekannte A. Wir nicht. Wir spielen Ab. Schließlich haben wir einen Bildungsauftrag:

Gitarrengriff

FM4

Ab-Akkord. Wir stimmen nicht runter, wir können auch anders. Den Akkord spielen wir übrigens als Power Chord. Das klingt härter und ist wiederum ein bisschen leichter.

Peitsche

Doch nicht nur Schusswaffen gehen auf der Gitarre. In "Gaybar" von Electric Six kommt eine waschechte Peitsche zum Einsatz. Aber auch das ist kein Problem, nicht einmal in unterschiedlichen Schlagintervallen. Einen neuen Akkord gibt es auch noch:

Gitarrengriff

FM4

A Dur
Gitarrengriff

FM4

Und auf vielfachen Wunsch vom letzten Mal: Das elitäre G

Setting

Letztes Mal beim Gitarrenkurs: Lady Gaga für melancholische Couch-Hocker

Die Akkorde sitzen, die Waffen klingen täuschend echt. Zum Schluss brauchen wir jetzt noch eine gute Aufmachung, damit die musikalische Gewalt auch authentisch wirkt. Dazu empfehlen wir einfach Strumpfhosen. Auf den Kopf damit und dann einfach vor eine öffentliche Einrichtung ihrer Wahl stellen. Oder in die Kantine. Denn Widerstand betrifft uns alle.

Maskierte vor dem österreichischen Parlament

Francisco Antunes unter Creative Commons Lizenz, Montage: FM4

Ob blickdicht oder transparent, wichtig ist der Hintergrund.

Zum Nachhören:

Gitarrenkurs Web