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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

28. 3. 2011 - 13:01

China

Into the great wide unknown, Teil 2

China Teil 1: Anreise und erstes Zurechtfinden

Meine erste Interviewpartnerin ist Zoe Zhang. Sie ist die Kuratorin einer Ausstellung die sich mit den Transformationsprozesse in der Stadt auseinandersetzt.

Die Austellung und das Buch tragen den Namen Double Act, da im Sinne einer Mehrdimensionalität Künstler mit Architekten, Musikern oder Stadtplanern zusammenarbeiten. Jedes Duo setzt sich in seiner Arbeit mit einem spezifischen Ort in der sich permanent verändernden Stadt Shanghai auseinander. Das Werk an sich ist auch etwas temporäres, prozesshaftes.

Wang Jiangqiang und Chen Hangfeng haben für ihre Arbeit "Invasive Species" Chen Hangfengs Eltern besucht und dokumentiert, wie sie gemeinsam mit ihren Nachbarn die kleinsten Grünflächen in ihren Wohnkomplexen in Gemüsefelder verwandelt haben. Seine Arbeit ist ein Kommentar zum Verhältnis von öffentlichem und privatem Raum in Shanghai, wo der Überlebenskampf immer härter wird und armen Menschen sukzessive der Lebensraum entzogen wird, erklärt Zoe. Auch Fragen über das Verhältnis von privatem und allgemeinem Wohlstand, Sozialgefüge und Solidarität werden angerissen. Die gleichen Gemüsebeete, die seine Eltern aus Not angelegt haben, hat Chen Hangfeng vor der Galerie angelegt, die sich in einem Kunstpark befindet in dem Geld in Hülle und Fülle vorhanden zu sein scheint.

studio zoezhangbing

Der aus Shanghai stammende Kulturkritiker Zhu Dake hat mit dem elektronischen Musiker B6 zusammengearbeitet. Ihr Beitrag zur Ausstellung Double Act heißt "Shanghai Cussin´" und ist eine Soundinstallation. Umstrukturierung der Bevölkerung, Migration, Konsumkultur und allgemeine Veränderungen des Alltags sehen sie reflektiert in Veränderungen der Aussprache und der Terminologie des in Shanghai gesprochenen Dialekts .

studio zoezhangbing

Als ich B6 am nächsten Tag treffe, ist er sehr müde. Er hat den Tag mit Field Recordings verbracht. Der Platz, an dem er heute aufgenommen hat, erzählt er mir, ist ein Ort der viel Energie schluckt. Blumen wurden niedergelegt an dem Schauplatz der größte Katastrophe in jüngster Stadtgeschichte: Ein Feuer ist in einem Wohnhaus ausgebrochen und über hundert Menschen sind gestorben. Die Regierungsfirma hat bei Renovierungsarbeiten gepfuscht und das billigere, entflammbare Dämmmaterial verwendet. Eine weggeworfene Zigarette hat das Haus zwischen den Wänden in Brand gesetzt. Heute ist das Hochhaus ein schwarzes hohles Skelett.

"Bei der Blumenhinterlegung war alles voll mit Polizei damit die Menschen nicht zu randalieren beginnen, aber zu Zorn war niemand fähig. Es war ein sehr trauriger Moment", erzählt B6.

natalie brunner

B6 hat zwei, wenn nicht sogar drei parallel laufende Karrieren. Er arbeitet in Kunstkontexten, als DJ und Producer von elektronischer Undergroundmusik und produziert chinesische Popstars. Er erzählt mir, dass auch China nicht von der Casting-Popsuperstarsuche verschont geblieben ist. Die Fernsehkanäle sind staatlich und so sind automatisch sämtliche neuen chinesischen Popstars bei staatlichen Labels unter Vertrag, die Partei stellt die Helden von Morgen auf. Der Mann ist einer der besten Gesprächspartner die man sich wünschen kann.

Im Radio:
Natalie Brunners Serie über Shanghai gibt es ab Montag, 28.3. in FM4 Connected (15 - 19) und Homebase (19 - 22) zu hören.

"Im Westen glauben viele, wir sind auf dem Stand von Nord Korea. Das stimmt nicht, wir sind bereit für kulturelle Innovation, es ist nur alles sehr neu. Die Rezeptionsgeschichte von Popkultur musste nach der Kulturrevolution Mitte der 80er Jahre von einem neuen Punkt Null starten, aber es entwickelt sich alles rasend schnell.“

Wie schnell, sehe ich am nächsten Abend, als er mich in einen Club in einem ehemaligen Bombenschutzkeller mitnimmt. Es ist ein guter Ort, der überall sein könnte in der globalen Welt geprägt durch das Netz von elektronischer Musik. Yardcore von The Bug läuft und etwas später mischen die DJs Chicago Juke mit Dubstep. In zwei Wochen spielt Das Racist. Nach Wien kommen sie wahrscheinlich und mit etwas Glück nächstes Jahr.