Erstellt am: 24. 11. 2010 - 22:27 Uhr
Die digitale Videothek
Anfang September hat die beliebte Videothek "Alphaville" in Wien nach 13 Jahren Betrieb endgültig ihre Pforten geschlossen. Viele Fans und Cineasten haben sich darüber beklagt und diesen Umstand bedauert. Aber Hand aufs Herz: Wie viele Videos und DVDs haben wir uns in den letzten zwei Jahren aus Videotheken ausgeborgt? Filme und TV-Serien sind mittlerweile im Internet und auf unseren Computern angekommen. Das ist nicht nur traurig sondern eigentlich auch recht praktisch. Es öffnet viele Möglichkeiten für Zuseher und Chancen für Filmemacher und -vertriebe.
flickr.com / User: Joi
Doch es gibt derzeit noch ein Problem: Digitale Angebote von Indie- und Autorenfilmen sind rar. Auch Dokumentationen und Schwarz-Weiß-Streifen von Anfang des 20. Jahrhunderts sind online schwer zu finden. Eine bemerkenswerte Ausnahme dieser Regel ist die unkonventionelle Video-Streaming-Website MUBI. MUBI bringt seit Februar 2008 ein vielseitiges Angebot von Regisseuren aus aller Welt auf unsere Bildschirme. Gegründet wurde MUBI ursprünglich aus Frustration heraus. Der aus der Türkei stammende IT- und Business-Experte Efe Cakarel wollte sich 2007 auf seinem Laptop übers Netz "In the Mood for Love" von Wong Kar-wai ansehen. Aber woher nehmen? - "MUBI was born in that instant. A global online cinematheque."
The Auteurs
Im Februar 2008 geht MUBI unter dem ursprünglichen Namen "The Auteurs" erstmals online und baut nach und nach seine Filmesammlung auf. Einige vorwärtsdenkende Regisseure, Vertriebe und Archivierungsprojekte lassen sich früh als Partner gewinnen, darunter Martin Scorseses "World Cinema Foundation".
Gut zwei Jahre später startet Efe Cakarel zur nächsten Offensive. Zuerst wird die Facebook-Version von MUBI, "The Movie Theater", veröffentlicht. Anfang November startet das Service auf der PlayStation 3. Ein Video-Streaming-Dienst macht auf einer Konsole und in weiterer Folge auf einem Fernseher auch viel mehr Sinn als nur im Webbrowser. Cakarel hat schnell erkannt, dass MUBI für die Nutzung auf einer Spielkonsole perfekt geeignet ist.
Fragt sich nur, ob der typische Gamer auch ein Filmefeinschmecker ist. Einen Gus Van Sant, Roman Polanski oder Takeshi Kitano gleich nach einer zünftigen Partie "Killzone"? - Für Efe Cakarel kein Widerspruch.
"Generally, an entertainment enthusiastic crowd really likes content. And if you start introducing them the best films, you are going to create a meaningful audience."
MUBI besticht neben dem ungewöhnlichen Film-Content vor allem durch sein schickes und aufgeräumtes Design. Das Interface bietet auch einige Social-Networking-Elemente. So kann man etwa sein Profil ausfüllen, Lieblingsfilme taggen, Freude hinzufügen und eine Spielliste erstellen. Auch Chat-Funktionen sind eingebaut, die in der PlayStation 3-Version derzeit aber noch fehlen.
Vertragshürden
Filtert man das MUBI-Angebot nach Filmen aus Österreich, finden sich derzeit:
* "KOMA" von Ludwig Wüst
* "Home" von Patric Chiha
* "Meine Mutter" von Christophe Honoré
* zwei alte Kurzfilme des tschechischen Künstlers Jan Švankmajer
Dem MIT- und Stanford-Abgänger Efe Cakarel hilft seine Ausbildung sehr, wenn es darum geht, die komplizierte Rechtesituation für jedes Land individuell zu recherchieren und abzuklären. In Österreich sind derzeit nur rund 430 Filme von insgesamt knapp 18.000 verfügbar.
"Austria has been a rather challenging place for us to clear the rights of films because it's a very conservative country. But keep watching us there because we are going to be closing some very meaningful deals over the next two, three months."
Momentan steht MUBI bereits bei 800.000 Mitgliedern - bei einer Firmengröße von nur 18 Mitarbeiter/innen. Die Auswahl der Filme und Dokumentationen ist beeindruckend. Weder gut bestückte Videotheken noch schnelle Torrents können sich in Umfang und Zugänglichkeit mit MUBI messen. Das Service an sich ist frei, ebenso wie einige wenige Filme immer frei zugänglich sind. Pay-per-View ist mit 3,59 Euro pro Spielfilm/Doku (und 99 Cent für Shorts) etwas teuer, dafür gibt es bereits für knapp 13 Euro eine Monatsflatrate.