Erstellt am: 18. 11. 2010 - 11:01 Uhr
Sci-Fi Lullabies
1993, als Amerika mit lauten Grungegitarren und Slackerposen die alternative Popmusik dominierte, tauchte eine Band auf, die alle damals zeitgeistigen Attribute torpedierte und den englischen Indiepop mit einem energischen Energieschub und Selbstbewusstsein kickte.
Androgyne dramatische Posen. Düsterer Glamrock und eine musikalisch wie ästhetische Renaissance der Kunst von damals halbvergessenen Dandys wie Morrissey oder David Bowie. Triste aber trotzdem strahlende Sozialromantik. Ein gigantisches Aufbäumen und Ablehnung der ironischen Mittelmäßigkeit.

suede
Suede feierten ein Wechselspiel aus Melancholie und brutaler Obszönität. Sänger Brett Anderson erhöhte und romantisierte vermeintliche Banalitäten oder alltägliche Katastrophen und wurde damit zu einem großartigen Volkserzähler. Suede lieferten einen opulenten Soundtrack für das Drama und die große Geste des Alltags. Sogar Kurt Cobain war begeistert und klebte sich Suede-Sticker auf seine Gitarre.
Oh What Turns You On?
Nach dem zweiten Album Dog Man Star, einem Abgrund von einer Oper aus Sex, Drogen und verzweifelten Hedonismus, verließ Gitarrist Bernard Butler die Band. Ein schwerer Schlag für die Band, wurde Butler damals als Reinkarnation des noch lebenden Johnny Marr gehandelt. Aber Suede hatten unverschämtes Glück und rekrutierten den damals 17jährigen Suede-Fan Richard Oakes als neuen Mann an der Gitarre und der sollte sich als potenter Ersatz und Input für Suede auswirken. Mit neuem Line-Up und der Platte Coming Up gelang Suede der größte kommerzielle Erfolg.

suede
1997 sind Suede am Zenith ihres Erfolges und langsam fordert auch das berühmt-berüchtigte Image von Suede seinen Tribut. Unter allen Giften der Welt erscheint Head Music, Keyboarder Neil Codling datet ein Spice Girl nach dem anderen und muss dann aber wegen Burnout aus der Band aussteigen. Brett Anderson pflegt als Hobby Crack- und Heroinkonsum mit seiner Ex-Freundin, dem ehemaligem Suede-Mitglied Justin Frischmann. Die ist inzwischen mit Elastica ein Star geworden und hat sich gerade von Damon Albarn getrennt..
2002 hat sich der private Lebenstil von Suede stabilisiert und Suede versuchen mit der besinnlichen Platte A New Morning, die sich stark dem Folk zuwendet, weiter den Boden unter den Füßen zu behalten. Das Publikum allerdings will den gefährlichen Heroin-Chic.
Enttäuscht experimentieren Suede in Folge noch mit einer interessanten Spielart aus Electronic und pervertierten R'n' B aber aus diesen Sessions wird nur mehr die äußerst spannende Single Attitude ausgekoppelt. Die Band löst sich 2003 auf, allerdings mit der Klausel, wenn die Zeit reif wäre, würde man über eine Reunion nachdenken.
Alle Bandmitglieder widmeten sich Soloarbeiten. Besonders Sänger Brett Anderson veröffentlichte konsequent Soloplatten. Mit dem ersten Suede-Gitarristen Bernard Butler kommt es 2005 sogar zu einem Friedensschluss. Anderson und Butler produzieren unter dem Bandnamen The Tears ein Album, das die Suedefans zu trösten vermag.
Now yor animal's gone?

suede
Und nun ist es also soweit. Anfang des Jahres wurden Suede gebeten bei einem Benefiz für krebskranke Kinder eine einmalige Reunionshow zu spielen. Auf dieses Konzert wurde derart positiv reagiert, dass Suede noch eine Reihe weiterer spielten und sich dann endgültig ihre Wiedervereinigung zu verkünden trauten. Mit der wasserdichten Bandbesetzung aus der Coming Up-Zeit. Inzwischen erzählt die stille Post auch schon von einem neuen Plattenvertrag für Suede. Bevor nun aber eine neue Platte erscheint, erinnern Suede mit einem Best-Of an ihre bisherige Leistungen.
Bemerkenswert an dieser Doppel-CD und gleichzeitig ein Beweis für die hohe Qualität des Suedeliedguts ist der Umstand, dass ein Viertel der Trackliste von Songs dominiert wird, die als B-Seiten bisher nur Gourmets bekannt waren. Kompiliert wurde die Rückschau anders als die vor ein paar Jahren erschienene Singles-Compilation diesmal von der Band selbst mit Remasteringhilfe von Chris Potter und Bernard Butler. 35 Hymnen die den Alltag mit seinen Dramen erheben und heiligen.