Erstellt am: 17. 11. 2010 - 11:16 Uhr
Big windows to let in the sun
Letztens hat mich schon wieder jemand gefragt wer Grant Hart ist. Vorsingen von "Diane" und "2541" und "Don't Want to Know If You Are Lonely" nützt bei meiner Stimmlage wenig, also tief einatmen und folgende zwei Zauberworte sagen: HÜSKER DÜ. Aber fangen wir von Vorne an.

hüsker dü
Grant Hart auf Österreich Tour:
- 24.11. Kapu, Linz
- 25.11. Porgy&Bess, Wien @ Bluebird Festival
- 26.11. Orpheum, Graz @ Autumn Leaves Festival
- 4.12. Spielboden, Dornbirn
Die 80er waren nicht lustig. Ich war nicht dabei, hab's aber nachgelesen. Fast alle meine Lieblingsbands kommen aus den 80ern oder beziehen sich auf das, was Wikipedia gemeinhin als den amerikanischen Indie Underground zusammenfasst. Alles wunderbar nachzulesen in Michael Azerrads "This Band Could Be Your Life". Es war die Zeit der notgedrungenen DIY-Kultur. Spielen war alles, aufnehmen ging flott und ohne Budget. Instrumente lernen sowieso, auch wenn es wie im Falle von Minutemen Bassisten Mike Watt hieß zu glauben, der Bass sei einfach eine falsche Gitarre mit dicken und zuwenigen Saiten.
Alles klang rau, schnell, druckvoll, kunstvoll, hatte eine Message, einen Zusammenhang, der auf Massenkultur reagierte. Die Zeit der geschlossenen Systeme. "Being popular" war gleichgesetzt mit "selling out". College Rock war noch nicht Corporate Rock. Und SST Records baute ein Fenster zur Welt. Erfolg haben in und mit einer Band, lokal und national, stand unter einem anderen Bedeutungsstern, als heute, wo alles auf Grund der Vielfalt und Zeitmöglichkeiten per Knopfdruck relativiert werden kann.

hüsker dü
Es war prä-Nirvana, dieses 1986 von dem ich spreche. Und mitten drin war diese Band namens Hüsker Dü, die mit Alben wie "Metal Circus", "Zen Arcade", "Candy Apple Grey" und "Warehouse: Songs and Stories" ihren wunderbar lautstarken Fußabdruck in eben dieser amerikanischen Underground Kultur hinterließ, ihn auch wieder verließ, und zwar so, dass er heute noch nachwirkt. Wie No Age zum Beispiel mit "Everything In Between" und ihrem Gastspiel in der Arena Wien auch gut und gerne bewiesen haben.
Bob Mould macht mit Sugar und als Soloperformer weiter, veröffentlicht bis heute in regelmäßigen Abständen passable Scheiben mit Songs, die zum Beispiel "I'm Sorry, Baby, But You Can't Stand in My Light Anymore" heißen. Auch Grant Hart widmet sich einer Solo-Karriere, geht auf Entzug, tauscht Schlagzeug gegen Gitarre und veröffentlicht in den 90er Jahren als Nova Mob zum Beispiel "Intolerance" und "Good News For Modern Man". Aber dann ist erst einmal Schluss mit dem "putting my intelligence on record".

hüsker dü
Hüsker Dü also, das waren Greg Norton, der Bassist mit dem aufgedrehten Schnurrbart (auch so eine notgedrungene Maßnahme, wer soll sich wie auf Tour rasieren? Einfach raufschwurbln und fertig!), die "neutrale Schweiz" der Band. Bob Mould, Sänger und Gitarrist und Songschreiber von Hüsker und Grant Hart, Sänger und Schlagzeuger und Songschreiber von Hüsker Dü.
Wie Greg Norton meinte, war Grant Hart der Paul McCartney der Band ("the Love of pop songs"). Als sich Hüsker Dü 1987 auflösen, ist Grant Hart heroinabhängig und glaubt HIV-positiv zu sein, was sich später als Fehl-Diagnose erweisen wird. Gründe für das Auseinanderbrechen der Band – persönliche Differenzen, Kontrollverlust, letztendlich Streitigkeiten um die Richtung, die dieser schaffnerlose Hüsker Dü-Zug annehmen sollte. Aussteigen, bevor es böse endet.

grant hart
Irgendwann 2007 steht dann Don Wilkie, der ehrenwerte Mitbegründer des ehrenwerten kanadischen Labels Constellation Records im FM4-Studio. Anlässlich der Viennale wo Vic Chesnutt seine im Haus&Hof Studio der Constellation Records Band Godspeed You Black Emperor aufgenommene Platte "North Star Deserter" vorstellt, frage ich also diesen Don Wilkie: "Hey, stimmt das, dass Grant Hart bei euch ein Album aufnimmt?" Zu dem Zeitpunkt steht auf www.granthart.com schon so lange der Hinweis "recording new material in Montreal" dass ich mit jedem monatlichen "Refresh" an ein Internet Hoax und Update-Fehler glaube. Don Wilkie antwortet allerdings "Yes, that´s right" und zwei Jahre später bestelle ich über eine Dumpingpreis-Plattform Grant Harts erstes Album nach 10 Jahren: "Hot Wax".
Jetzt muss man noch eines wissen: Aufgenommen wurde das Album mit Musikern von Silver Mt. Zion, zustandegekommen ist es, weil die Hotel2Tango Crew (die wiederum aus Mitgliedern ebendieses silbernen Godspeed Kollektivs besteht) Grant Hart mit dem Angebot kontaktierte, dort mal ein Album aufzunehmen. Danke schön nach Montreal also.
Eigentlich sollten hier noch ein paar Absätze über Shugo Takumaru stehen, auf die wir noch ein wenig warten werden. Und meine Lobeshymne auf Chris Garneau lässt sich nach langer Denkpause mit einem "Unbedingt anschauen!" zusammenfassen. Für Fans von Soap&Skin, Scott Matthew, Xiu Xiu und Owen Pallett. Live am Bluebird am Fr., 26.11. am Sa., 27.11. dann am Autumn Leaves Festival im Grazer Orpheum.

grant hart
Hüsker Dü waren schon immer an Pop und Melodien interessiert und dass das Ergebnis "Hot Wax" mit Songs wie "Barbara" an 50ies/60ies Pop erinnert, überrascht wenig. Verzerrungen werden wie zum Beispiel auf "You're The Reflection Of The Moon On The Water" mit Orgel getauscht oder ergänzt. Eindeutiges Highlight ist "My Regrets" mit der wunderbaren Basia Bulat im Hintergrund. Da kommt auch der langsam aufbauschende und wummernde Silver Godspeed-Einfluss zum Vorschein. Ist jetzt eine impulsive Unterstellung, aber hey lasst meiner Phantasie ihren freien Lauf. "Hot Wax" ist ein wunderbares Album, um aus der Versenkung wieder aufzutauchen. Yep, die 80er sind vorbei und Indie-Geschichte ist schon geschrieben.
Ein großes Puzzlestück davon trägt u.a. Grant Harts Gesichtszüge, seine Stimmlage und sein Tempo. Eine Hüsker Dü Reunion wird's nicht geben, die Idee haben mir No Age in einem Interview mal ausgeredet. Also lasst Nostalgie mal Nostalgie sein und schauen wir uns dieses Solo-Konzert mal endlich von der Nähe an. (Halloknallo, es ist übrigens eine Gibson ES 125.)