Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Fetische zu Schleuderpreisen"

Lukas Tagwerker

Beobachtungen beim Knüpfen des Teppichs, unter den ihr eure Ungereimtheiten kehrt.

16. 11. 2010 - 19:52

Fetische zu Schleuderpreisen

Kunstdumping oder Einstiegsdrogenhandlung? Die Off-Messe ARTmART wurde eröffnet.

Es ist kurz vor 13:00 Uhr, die Treppe zum Obergeschoss im Künstlerhaus in Wien ist Schauplatz eines nervösen Gedränges, der € steht gerade bei 1,358 $. Die über 2.000 Einzelwerke der 250 KünstlerInnen (wer?) werden hier folglich um 108,656 $ das Teil feilgeboten.

Auftritt eSeL aka Lorenz Seidler, Informationsbroker, Künstler-Kurator und Intendant dieser Veranstaltung: "Es gab keinerlei Verkäufe bis jetzt!", versichert er dem auf der Treppe lauernden Publikum. Die heurige Eröffnungspolitik ohne pre-opening hat auf die Kritik der Jahre 2006 und 2008 reagiert, als ein privilegiert geladenes KäuferInnenpublikum zuerst die Schnäppchen jagen und die Öffentlichkeit den Rest abstauben durfte. So entpuppte sich die "Domestizierung" der Marktlogik, die in der strikten Preisregulierung bestand (70 € pro Werk, heuer 80 €) als Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten professioneller KunstbetriebsprofiteurInnen.

Die von der 1995 gegründeten griechischen Cheap Art Gallery inspirierte Off-Kunst-Messe stellt ein kunstökonomisches Labor dar, in dem Mechanismen und Paradoxien der Wert- und Geschmacksbildung studiert werden können. Auf je 70x320cm Wand konkurrieren hier Warenfetische ums Begehren: Schmuck fürs WG-Zimmer, Weihnachtsgeschenke, Wertanlagen, Objekte für den Kaufrausch, semiotische Erlösungen.

Kollegin Eva Brunner hat mit Christian Pausch die Eröffnung auf Bewegtbild gebannt:

ARTmART kann bis Sonntag, 21. November 2010, im Künstlerhaus in Wien bei freiem Eintritt besucht werden.

Fotos sandiger Puppenköpfe am Strand neben Aquarellen erigierter Penisse neben Fotos sich vermummender Touristen in Tunesien: obwohl 37% der KünstlerInnen hierzulande von einem Jahresgesamteinkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze leben (Studie 2008) gilt diese Berufsgruppe als Vorbild der neuen Kreativökonomien. Selbstausbeutung und rundum Prekarisierung vermählen sich in dieser Branche mit schwindeligem Glamour und dem heroischen Gestus, UrheberIn von Wunschbildern und Weltkritik zu sein, Werte, die sich schlecht beziffern lassen.

Mittlerweile ist der € auf 1,349 $ gerutscht. Jedes Kunstwerk auf der ARTmART ist also für 107,92 $ zu haben.