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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

16. 11. 2010 - 17:21

Die freie Band

Die Wiener Popband XBloome hat ihr jüngstes Album komplett mit freier Software produziert. Die Recherche war umfangreich, das Ergebnis kann sich hören lassen.

Die Stärke der Evangelisten von Open Source und freier Software ist gleichzeitig ihre Schwäche: Je mehr verblüffende Infos sie dir über Programme verraten, von denen du noch nie gehört hast, umso ausufernder werden sie, wenn du länger mit ihnen sprichst. Denn wer zum Beispiel einzelne freie Software-Tools gut findet, sollte doch auch endlich mal ein Linux booten. Und statt das patentierte MP3-Format zu verwenden, wäre es ratsam, zum offenen Ogg-Vorbis-Kompressionscodec zu wechseln. Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?

Man kann der Linux-Gemeinde diesen Enthusiasmus aber nicht verdenken. Im Gegenteil: Jemandem wie Peter Bubestinger bei seinen Ausführungen über das Produktionskonzept seiner Band XBloome zuzuhören, ist inspirierend. Bubestinger ist Mitglied der Free Software Foundation Europe und naturgemäß Experte in diesem Bereich. Seit der Bandgründung im Jahr 2005 veröffentlicht das Quintett bereits seine Musikstücke online unter einer Creative-Commons-Lizenz, das komplette Erstellen eines Albums mit freier Software ist aber erst mit dem aktuellen Album "X Marks The Spot" gelungen.

Die Wiener Band XBloome live im Wiener Chelsea.

xbloome.com

XBloome live im Wiener Chelsea, Peter Bubestinger ganz links

Hoher Rechercheaufwand

Musik am Computer zu machen und dabei vorrangig freie Software zu verwenden, ist bereits seit einigen Jahren eine gängige Praxis. Einerseits ist es kostensparend und andererseits unterstützt man damit eine gute Sache. Mit freier Software ein ganzes Album einer fünfköpfigen Band zu produzieren und dabei auch alle grafischen Aufgaben selbsttätig zu erledigen, ist aber ein anderes Kaliber.

Ein Graffiti auf einer Hausmauer, auf dem eine Frau dem Betrachter den Rücken zukehrt, links daneben stehen ein Keyboard, eine Gitarre, eine Trompete und eine Geige.

xbloome.com

Peter Bubestinger hat bei seiner Recherche und dem Zusammentragen von aufeinander abgestimmten Werkzeugen mitunter neues Terrain betreten und Pionierarbeit geleistet. In den immer noch weitgehend mit proprietärer Software arbeitenden Audio- und Grafik-Communities kämpft er gegen Vorurteile und Unkenntnis. Ebenso wie Linux als freies Betriebssystem noch immer eine geringe Durchdringung hat, sind auch freie Multimedia-Software-Tools in der Verwendung noch sehr unterrepräsentiert.

Die Ergebnisse von Bubestingers Recherche sind nicht nur in Form der elektronischen Sounds auf "X Marks The Spot" zu hören, sondern auch am Cover-Artwork zu sehen und in umfangreichen Anleitungen und Dokumentationen online nachzulesen. Wie bei professioneller Wissenschaftsarbeit gilt auch hier das Motto: Die eigenen Recherchen sollen frei zugänglich sein, andere sollen daran anknüpfen können. Das minimiert auch ein gerne genanntes und durchaus starkes Gegenargument für das Verwenden von freier Software: Die Beschwerde darüber, dass man doch kreativ arbeiten und nicht Wochen und Monate damit verbringen möchte, Entwicklungsumgebungen auszutesten und anzupassen.

Frei und professionell

Das Cover zum Album "X Marks The Spot" der Wiener Band XBloome: eine sonnenbestrahle Prachtstraße.

xbloome.com

Obwohl die elektronischen Klänge auf dem aktuellen XBloome-Album in Bezug auf Soundqualität und Klangfarbe eher durchschnittlich sind, ist die Band rundum mit dem Ergebnis zufrieden. Bubestinger betont, dass sie keine professionellen Sound-Engineers sind und auch in Bezug auf grafische Gestaltung und Post-Produktion größtenteils nur Laienwissen mitbringen. In erster Linie sollte ein Exempel statuiert werden. Es ging darum, den Beweis anzutreten, dass mit freien Tools mittlerweile ebenso professionell gearbeitet werden kann, wie mit geschlossener, proprietärer Software, für die man oft teure Lizenzen erwerben muss. Darüber hinaus hat die Wahl der Produktionswerkzeuge auch politische Relevanz. Im Sudan etwa, den Peter Bubestinger kürzlich besucht hat, wäre es aufgrund eines US-Handelsembargos nicht möglich, gängige proprietäre Audio-Software zu verwenden.

Mehr Infos und Musik von XBloome finden sich auf der offiziellen Website.

Obwohl bei ihnen alles frei und offen ist, verkaufen XBloome trotzdem bei Konzerten CDs - so wie andere Bands auch. Der große Recherche-Aufwand, der ausschließliche Einsatz von freier Software und das konsequent durchgezogene DIY-Prinzip lassen XBloome aber aus der Masse hervorstechen.