Erstellt am: 15. 11. 2010 - 16:37 Uhr
Baby's in Black
"Baby's in Black" ist der Titel eines Liedes, das John Lennon und Paul McCartney 1964 aufgenommen haben. Darin besingen sie eine trauernde Frau – eine Freundin von ihnen aus Hamburg, die junge Astrid Kirchherr.
Arne Bellstorf
Hamburg, 1960
Arne Bellstorf
Astrid Kirchherr hat ihr Kunststudium abgeschlossen und arbeitet bei einem Fotografen. Sie ist eine junge, zarte Frau - mit ihrem blonden Kurzhaarschnitt erinnert sie an Jean Seberg in "Bonjour Tristesse". Tatsächlich haben sich die Künstlerin und ihre Studienfreundinnen ganz dem französischen Existentialismus verschrieben, wie der Zeichner Arne Bellstorf von Astrid Kirchherr weiß: "Deswegen wurde ihre Gruppe, diese Szene, in Hamburg 'Exies' genannt, die sich an der französischen Kultur orientiert haben, am Paris von Sartre und Camus und im starken Kontrast standen zu der Jugendkultur in Deutschland, die sich an Amerika orientiert hat – also die Halbstarken und die Arbeiterkids, die halt Rock'n'Roll gehört haben. Da war Astrids Welt schon was anderes."
Klaus Voormann zog 1963 nach London und lebte lange in einer WG mit George Harrison und Ringo Starr. Er machte als Musiker Karriere und auch als Grafiker - u.a. zeichnete er das Motiv für die Beatles-LP "Revolver"
Dass Astrid Kirchherr dennoch in die Welt der Halbstarken eintaucht, hat sie ihrem Freund Klaus Voormann zu verdanken. Klaus Voormann gerät 1960 beim Ausgehen in der Reeperbahn in den Kaiserkeller, wo ihn fünf junge Musiker schwer beeindrucken: Sie kommen aus Liverpool, spielen lautstark bekannte Rock'n'Roll-Nummern nach und nennen sich "The Beatles".
Arne Bellstorf
Klaus Voormann überredet Astrid Kirchherr zu einem Besuch im Kaiserkeller. Schon am ersten Abend verliebt sich die junge Fotografin in den Bassisten der Beatles, Stuart Sutcliffe.
Arne Bellstorf
"Ja, war wirklich Liebe auf den ersten Blick. Das hat sie (Anm: Astrid Kirchherr) auch immer selbst erzählt. Die haben sich gesehen und es war um sie geschehen. Und auch die anderen aus deren Umfeld haben gesagt, dass sich die beiden gesucht und gefunden haben."
Arne Bellstorf
Von Hamburg zu Astrid Kirchherr
Arne Bellstorf, geb. 1979 lebt als Grafiker und Zeichner in Hamburg.
Eigentlich wollte der Illustrator Arne Bellstorf ein Buch über Hamburg Ende der 50er Jahre, Anfang der 60er Jahre machen. Im Zuge der Bildrecherchen ist er auf Astrid Kirchherr und ihre Fotos gestoßen. Sofort war er von ihren Arbeiten beeindruckt: "Wer ist diese Frau – was sind das für Posen und Inszenierungen? Nicht nur in ihren (Beatles-)Fotos – auch in ihren Selbstportraits." Er habe dann immer weiter recherchiert und sei dann auf die Liebesgeschichte gestoßen, die für ihn auf mehreren Ebenen sehr interessant und spannend war – "weil die so eine Dramaturgie hat, die man wunderbar umsetzen kann als Graphic Novel, als Comic. Auch, weil es eine Bildwelt hat, mit der ich etwas anfangen kann."
Die ästhetische Vorlage durch dieses Schwarz-Weiß, die sich aus Astrids konsequenter Kleidung ergeben hat, aus dem Stil, den sie aus Frankreich übernommen hat. "Das ist natürlich auch ein ästhetisches Potential, das ich da gesehen hab als Bildwelt. Und es war klar, das gibt was her – inhaltlich und auch ästhetisch-formal."
Schwarz sind die Rollkragenpullover, schwarz sind die langen Schals, die sich die Exies um den Hals geschlungen haben und schwarz ist die Lieblingsfarbe von Astrid Kirchherr: Naheliegend, dass die Graphic Novel "Baby's in Black" in Schwarz-Weiß gehalten ist. Aber Arne Belstorff ist auch sonst ein Freund von monochromer Farbigkeit (vgl. sein erstes Comic "acht, neun, zehn" ) "Die meisten meiner anderen Comics sind eher unbunt. Ich finde das auch reizvoll, mit dieser Reduzierung zu arbeiten."
Arne Bellstorf
Arne Bellstorf zeichnet in einer Mischtechnik aus Tusche und Aquarellstiften in einer Anlehnung an die Linie Claire, also kaum Schattierungen in großformatigen ruhigen Bildern. Die Figuren sind nicht fotorealistisch gezeichnet - vielmehr kennzeichnet Arne Bellstorf mit wenigen Strichen die jungen Beatles. "Sobald ich die Beatles zeichne und sie wieder in Szene setzte, bewege ich mich auch auf dünnem Eis", ist sich Arne Bellstorf bewusst, "aber für mich war dann auch der Reiz, die Beatles so zu zeigen, wie sie beim großen Publikum nicht im kollektiven Bildgedächtnis sind. Eben mit Frisuren, bevor sie die Pilzköpfe hatten."
Astrid Kirchherr fuhr 1964 nach England, um die Beatles bei den Dreharbeiten zu "A Hard Days' Night" für den Stern zu fotografieren. Danach hat sie die meisten Anfragen für Bilder der Beatles abgelehnt und sich weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Astrid Kirchherr lebt in Hamburg und ist für Arne Bellstorf eine der lässigsten Frauen, die er je getroffen hat.
Denn die legendären Pilzköpfe haben die Beatles von Astrid Kirchherr. Sie war es, die Stuart Suttcliffe einen Pilzkopf schnitt und ein Outfit zurechtlegte, das später dann die Beatles kopierten und mit dem sie bekannt wurden. Und sie ist es und war es auch, die mit ihren Erinnerungen an Stuart Suttcliffe und die Beatles nicht protzig an die Öffentlichkeit gegangen ist.
Diese Zurückhaltung fängt Arne Bellstorf auf - er erzählt die tragische Liebesgeschichte melancholisch und äußerst ruhig. Das traurige Ende soll hier aber nicht vorab verraten werden. Soviel nur - die Graphic Novel "Baby's in Black" ist ruhig, zart und leise und wirkt umso gewaltiger und tiefer nach.
Arne Bellstorf in Wien
Im Rahmen der Lesefestwoche und der BUCH WIEN findet am Freitag, dem 19. November 2010 ab 20 Uhr ein Reprodukt-Abend im phil statt. Unter dem Titel "Lebenslinien – Biopic im Comic" werden Arne Bellstorf ("Baby's in Black – The Story of Astrid Kirchherr & Stuart Sutcliffe"), Barbara Yelin ("Gift", mit Peer Meter) und Line Hoven ("Liebe schaut weg") ihre Bücher vorstellen.
Und am Samstag, dem 20. November, werden Arne Bellstorf, Barbara Yelin und Line Hoven ihre Bücher in der BILDERBOXvienna signieren. (Kirchengasse 40/1, 1070 Wien)