Erstellt am: 13. 11. 2010 - 15:50 Uhr
"Was ist der Unterschied zwischen Peaches und Lady Gaga?"
Body Language, die dritte Folge der Veranstaltungsreihe "Life Is Live", geht drei Tage lang der Frage nach, ob queere Rollenmodelle in der Lage sind, im Medium der Popkultur eine Kritik an sexueller Normalisierung zu formulieren, ohne gleichzeitig den Anspruch auf Veränderung aufzugeben. Am Freitag Abend gab Gastkurator Tim Stüttgen zuerst einen Forschungsüberblick und übertrug dann die Frage "What's queer about queer studies now?" auf die aktuelle Pop-Produktion: Ist das Label "queer" wirklich kommerziell so erfolgreich, wie es Fernsehserien und Videoclips nahelegen? Können queere Zeichen noch Pop unterwandern, oder ist eh schon alles trashy, campy, postmodern?
Christiane Rösinger
Eine wichtige Rolle bei diesen Überlegungen spielte der kritische Begriff der Homonormativität - und der sagenhafte Aufstieg von Lady Gaga, der, so Stüttgen, "besonders wirkungsmächtig zeigt, wie sich Versatzstücke dissidenter Körperpolitiken zum symbolischen Rohstoff einer Mythologie von unendlicher Selbstbestimmung umwidmen lassen".
Auch beim anschließenden Panel ging es immer wieder um Lady Gaga, ihr "Telephone"- Video und dessen Parodie durch New Yorker Streetaktivisten. Bettina Köster, bekannt seit den Achtzigern mit ihren Berliner Bands Malaria und Mania D, erzählte von ihren Erfahrungen auf Lesbenfestivals in dogmatischeren Zeiten und brachte durch ihre erfrischend unnormierte, wenig theorielastige Sprache ewas Leben in die Bude. "Was ist der Unterschied zwischen Peaches und Lady Gaga?", warf sie in die Runde, "Peaches ist schon immer hetero und hat einen Freund!" Pauline Boudry von der Band Normal Love entgegnete, dass "queer sein" für sie nicht bedeute, dass das Begehren gleichgeschlechtlich sei, "queer sein" sei vielmehr Kritik an Kapitalismus und Heteronormativität , Interesse an Aktivismus und Kollaborationen. "Tut mir leid", entgegnete Bettina Köster, "dafür bin ich zu alt. Queer heißt für mich gleichgeschlechtlich und zu Lady Gaga sag ich: Stop confusing us! Sag, ich bin gay oder ich bin straight!"
Christiane Rösinger
Pauline Baudry zeigte noch Filmausschnitte von Auftritten mit ihrer früheren Band Rhythm King and Her Friends und Interviewausschnitte mit den Lesbians on Ecstasy. Die Labelmacherin Christina Nemec von comfortzonemusic berichtete von ihren Netzwerk-Erfahrungen in Österreich und machte deutlich, dass die Unterscheidung zwischen Mainstream und Underground nicht weiterhilft, weil es zum Beispiel gerade in linken, aktivistischen Kreisen manchmal machohafter als im Mainstream zugeht. Und Margarita Tsomou vom "Missy Magazin" führte in einer "Telephone"-Bildanalyse aus, was sie besonders an Lady Gaga ärgert und aufregt.
Christiane Rösinger
Maria & the Mirrors
Nach dem Theorieteil freute man sich auf die Konzerte: Maria & The Mirrors, im Moment noch ein Insidertipp aus London, gaben ihr erstes Deutschlandkonzert. Die mächtige Performance zwischen Throbbing Gristle und Animal Collective, ein donnerndes Trommelfeuer mit kreischenden Lautmalereien, tribalistischen Drumbeats und Cutting-Edge-Noise beeindruckte und überforderte das Publikum gleichzeitig. Aber als dann Men, das Nachfolgeprojekt von Le Tigre mit ihrem Elektro-Pop zwischen mitreißenden Shoutern und expressiver Melancholie loslegten, strömten alle nach vorne und warfen die Arme in die Luft. Da war es dann deutlich zu spüren, das radikale Potential von queerer elektronischer Tanzmusik - der "Body Language"-Kongress tanzte.