Erstellt am: 13. 11. 2010 - 15:43 Uhr
Außerakademische Nulldiät
Am Montag in FM4 Connected ab 15 Uhr: Ein FM4 Schwerpunkt zum drohenden Kahlschlag in der außeruniversitären Forschung.
Michael Fiedler Radio FM4
Im Wiener Schottenstift auf der Freyung sitzt das Österreichische Forschungsinstitut für Artificial Intelligence. Es ist eines jener außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die laut den Sparplänen der Regierung ihre staatliche Basissubvention verlieren. Hinter der prunkvollen Fassade führt ein schmuckloses Stiegenhaus zu dem Institut mit dem bedeutungsschwangeren Namen. Hier entstehen also jene lernfähigen Roboter, die der Menschheit nicht nur in Berechenbarem wie Schach überlegen sind, jene Programme, deren Bewusstsein keinesfalls ins Internet entkommen darf, weil sie sonst die Weltherrschaft an sich reißen würden.
Die Pläne der Regierung betreffen mehr als 40 außeruniversitäre wissenschaftliche Einrichtungen, die bereits ab 2011 keine Basisförderung mehr bekommen sollen. Das soll Einsparungen von 28 Millionen Euro bringen.
Ganz so weit ist man hier aber noch nicht: "Momentan verhält sich die Software noch nicht einmal so wie ein zweijähriges Kind", sagt Paolo Petta, der gerade an dem Serious Game L4S arbeitet. Es soll einen kritischen Vorfall auf einem Flughafen simulieren, die Spieler sollen die Krise möglichst gut meistern. Letztlich soll das Spiel helfen, Abläufe im Krisenmanagement zu verbessern. Petta ist Leiter des Bereichs Software Agenten und Neue Medien am OFAI. "Ein Agent ist ein Element, das eigene Ziele verfolgt, über eigene Problemlösungskompetenz und soziale Kompetenz verfügt", sagt Pettas Kollege Stefan Rank und deutet auf ein Häschen aus Plastik.
Michael Fiedler Radio FM4
Es steht im Rahmen einer Studie in Wohnungen von Menschen, die sich während ihrer Reha regelmäßig körperlich betätigen sollen, und erinnert sie an ihre Übungen. Im Projekt SERA beschäftigt sich das Forschungszentrum nicht nur mit der Verbesserung der Kommunikation zwischen Mensch und Hase, sondern auch mit ethischen Fragen: Blickt man dem Agenten länger in die Kulleraugen, schaut er bedrohlich - und für die Probanden der Reha-Studie vielleicht auch vorwurfsvoll. Drängt er psychisch labile Persönlichkeiten erbarmungslos zur körperlichen Betätigung, könnte er Schaden verursachen. Widerspricht ein von ihm indiziertes schlechtes Gewissen also unter Umständen sogar den Robotergesetzen?
OFAI
Im Bereich Intelligent Music Processing and Machine Learning geht es nicht ganz so philosophisch zu. Dafür ist man hier als Radiosender an der richtigeen Stelle. Arthur Flexer hat für FM4 am intelligenten Soundpark-Player mitgearbeitet, der zum aktuell spielenden Song ähnlich klingende Lieder anbietet. "Im Gegensatz zu vielen anderen Empfehlungsservices wie bei Last.fm, Amazon oder der Genius-Button im iTunes, analysieren wir wirklich das Audiofile."
Die betroffenen Institute haben sich unter dem Namen Wissen schafft Österreich zusammengeschlossen und bisher mehr als 13.000 Unterschriften gegen die Kürzungen gesammelt.
Die Kürzungen bei der außeruniversitären Forschung sind für das OFAI an sich ein Witz: "Die 55.000 Euro Basissubvention pro Jahr, um die es jetzt geht, sind nur fünf Prozent unseres Budgets." sagt Flexer. Wo also liegt das Problem? Angewandte Projekte sind durch diese Kürzung nicht gefährdet. Der Soundpark-Player zum Beispiel wurde durch den ORF und die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft bezahlt. "Um überhaupt an die angewandte Forschung zu kommen, da muss man aber schon etwas können. Und das kommt von jahrelanger Grundlagenforschung", sagt Arthur Flexer. Die wird zum Beispiel vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung finanziert. Für sie gilt aber: Die sogenannten "Overheads" - Kosten wie Miete, Strom oder Sekretariat - werden davon nicht oder nur zu einem geringen Teil abgedeckt.
Michael Fiedler Radio FM4
Am Montag, 15.11.2010, beschäftigt sich FM4 Connected näher mit der außeruniversitären Forschung und den geplanten Einsparungen.
Das Geld müsste also in angewandter Forschung in Kooperationen mit der Wirtschaft verdient werden. Darunter würde die Grundlagenforschung leiden. "Wer nicht mehr an Grundlagen forscht, fällt irgendwann zurück", sagt Flexer. Wodurch das Institut als Partner für die Wirtschaft weniger interessant würde. Der winzige Faktor von knapp fünf Prozent des Jahresbudgets hätte riesige Auswirkungen auf das OFAI. Im Nachbarbüro startet Paolo Petta den Krisensimulator. Man kann ihm eigentlich keinen Eskapismus vorwerfen.