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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 11. 2010 - 17:47

Fußball-Journal '10-63.

Der kleine Cup. Kleine Anmerkungen zu einem kleinen Spiel in einem kleinen Wettbewerb.

Meisterschaft und Cup, das europäische Geschäft, das Nationalteam, der Nachwuchs, aber vor allem auch das hiesige Medienverhalten und die Wahnsinnigkeiten im Umfeld: das Fußball-Journal '10 begleitet die Saison ungeschönt.

Heute mit einem Rückblick auf das Achtelfinale des ÖFB-Cup unter spezieller Berücksichtigung des Matches Vienna-Altach.

Das nächste Meisterschafts-Spiel der Vienna, wieder ein Heimspiel gegen wieder eine Vorarlberger Mannschaft, den FC Lustenau nämlich, ist morgen ab 20.15 auf Sport Plus zu sehen.

Schau an, ich habe tatsächlich das einzige Spiel des ÖFB-Cup-Achtelfinals gesehen, in dem ein Kleiner einen Großen zwicken konnte, die einzige Überraschung. Sonst ging alles nach der Papierform. Einzig der Tabellenletzte der sogenannten Ersten Liga, die krisengeschüttelte Vienna, gewann gegen den Titelanwärter Altach, 2:1 nach Verlängerung.

Wenn man live vor Ort ist, sieht man natürlich mehr als im TV-Kübel; allerdings war ich kürzlich auch bei Rapid gegen Sturm im Stadion, ohne eine Notwendigkeit zu sehen, mich darüber zu verbreitern, auch weil jeder, der sich anstrengt, auch die Übertragungsbilder lesen kann.
Vienna gegen Altach gab's nur in einer mickrigen und von einer unendlich schlechten Kameraposition aufgenommenen Zusammenfassung - da zahlen sich ein paar Worte eher aus.

Ich bin parteiisch, ich mag die Vienna, ich schätze Trainer Alfred Tatar und ich hab ein (oft rein gefühliges) Faible für einzelne Spieler. Salvatore hab ich seit seiner U17-EM adoptiert, Hiba oder Duran seit einem kleinen Regionalliga-Derby mit dem Sportklub von schätzungsweise 2006 oder 07, Philipp Hosiner seit einem Spielbericht im bayrischen Fernsehen und Kuru/Lukse mag ich seit der U20-WM 07.

Adoptionsreif

Zum SCR Altach hab ich an sich keinen Zustand, aber ich sehe die Mannschaft von Adi Hütter, ich sehe Kobras, Cabrera, Sereinig, Netzer, Koch, Schütz, Scherrer u.a. gerne spielen. Die haben Stil.

Vielleicht ist es diese Voreingenommenheit, die mich tags darauf, bei der Live-Übertragung von Austria - Innsbruck immer wieder denken lässt, dass ich einiges davon am Tag zuvor besser und engagierter gesehen habe.

Nicht dass Vienna - Altach eine durchgehende Augenweide war, aber die Tatsache, dass einander da zwei Teams mit einem deutlich kenntlichen Konzept, einer zumindest ansatzweise erkennbaren Philosophie, mit eben sowas wie Stil gegenübergestanden sind, verdient Aufmerksamkeit.

Auch wenn es nur ein kleines Spiel in einem kleinen Bewerb war. Immerhin hab ich dann noch mit großen Augen eine große Entdeckung gemacht. Dazu (Teaser!) später.

Die flachen Vierer-Reihen...

Tatar hat sein Team zum zehnten Mal im 10. Spiel umgestellt, und auch seinen etwa vierten oder gar fünften Systemwechsel vorgenommen. Diesmal waren es zwei sehr flache Vierer-Reihen, die in der Defensive keine fünf Meter auseinanderstanden.
Das kann schon einmal schiefgehen, wenn man vergisst, die beiden Stürmer zu unterstützen; seltsamerweise klappte es aber, unter anderem deswegen, weil sich die rechte Seite in einen kleinen Rausch spielte. Rechtsverteidiger Marco Salvatore (insgesamt sowas wie der Man of the Match) hielt seinen Gegenspieler (Scherrer, bei allfälligen Rochaden der kleine Daniel Schütz) ganz gut unter Kontrolle und verstieg sich zu gewagten Vorstößen. Dabei nahm und riss er den vor ihm spielenden Präsidenten-Sohn, Niko Dvoracek, mit. Ich glaube, der hat überhaupt noch nie so gut gespielt.

Präsidenten-Sohn-Einschub

Ich meine, man stelle sich das vor: der allmächtige Präsident, Mäzen und Geldgeber hat einen Sohn im Kader - wie deppert ist das denn, für alle Seiten. An sich. Da ist ein Trainersohn (Foda) weit weniger schlimm.
Und dann stelle man sich vor, dass der eine womöglich aus Alibi-Zugeständnis erfolgte Aufstellung dann auch noch rentiert.
Altach ging zwar nach dem üblichen Innenverteidiger-Fehler (der diesmal allerdings wie ein echtes Unglück aussah) in Führung, der Außenseiter zerbrach aber nicht dran, sondern hielt durch. In der Zentrale neben Kapitän Strohmayer diesmal erstmals Sargon Duran, der (ich bin nicht objektiv, das wisst ihr) eine sehr gute Partie machte.
Und vorne, neben der egozentrischen Diva Rade Djokic, war es Hosiner, dessen Sprints für Gefahr sorgten. Dass es nach seinem Ausgleich dann auch noch für einen Sieg in der Verlängerung reichte, war wieder einem Salvatore-Vorstoß und dessen Verwertung zu verdanken. Und der Tatsache, dass es dieses wieder einmal neu zusammengesetzte Vienna-Team verstand, ein Konzept über die gesamte Spielzeit durchzuziehen - Kopfsache, wie man weiß.

... gegen ein 5-0-5

Auch Altach schlüpfte nicht aus seinem Konzept, einem sehr gut aussehenden 5-0-5, also einer Vierer-Abwehr mit Sereinig als Ballverteiler davor und Brenes (später Koch) als Ballverteiler hinter einem Vierer-Angriff. Und auch das war richtig und fast von Erfolg gekrönt - die Chancen waren da.

Vor allem, nachdem in der 57. Minute der Joker rein kam: Joshua Gatt, erst im Sommer 19 gewordener US-Amerikaner. Gatt ist ein Angreifer, der auf fünf Metern von Null auf 100 beschleunigen kann, ein Junge mit einem sensationellen Antritt und sagenhaftem Selbstvertrauen. Gatt, der statt Schütz einen echten Rechtsaußen spielte, zog drei, wenn nicht vier Soli direkt aufs Tor an, scheiterte jeweils knapp - seine Crosses von der Toroutlinie erwähne ich da gar nicht.
Hätte der junge Mann ein Spürchen mehr Spiel-Praxis oder Routine, er hätte das Spiel im Alleingang entschieden.

Aus einer technisch und taktisch wirklich bundesligareifen Altach-Mannschaft ohne echte Schwachstelle (dass Ademi und Unverdorben nicht so recht in Form waren, macht nach der Verletzung von Tomi noch keine echte Sturm-Krise), die man bedenkenlos gegen jedes Team in Österreich stellen kann, so intelligent agiert es, ragte dieser Rookie deutlich hervor.

... get Gatt!

Ein paar Tage später schießt Altach mit dem hier gelobten System & Personal Admira von der Tabellenspitze der 1. Liga.

Wenn der Bursche sich tatsächlich noch auf keinem Wunschzettel heimischer Spitzenteams finden sollte, dann gehören die allesamt zur Augen-Untersuchung.
Sollte Gatt von der Austro-Wurschtigkeit, der "He, mit einem Bruchteil der Anstrengung kannst du auch gutes Geld machen!"-Einstellung in den nächsten beiden Jahren, den wichtigsten in der Entwicklung eines jungen Kickers, ruiniert werden, dann wäre das fatal.